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zuendung

14. Mai 2005

Alfa Romeo GTV6

Alfa Romeo | 0 Kommentare

Die 1980er Jahre brachten nur Schrott, das ist ja hinreichend bekannt. In Amerika killten die Katalysatoren den V8-Power. Die Deutschen wetteiferten um den Bau der motorisierten Einheitsschuhschachtel nach DIN und schützten uns mit der Vergolfung vor der Verkäferung. Aus Japan schwamm schnittiges Keildesign mit "16V-Turbo-superelectronicinjection-allwheeldrive"-Aufklebern an. Die Engländer machten den Laden sowieso dicht, ihre Healeys […]

Die 1980er Jahre brachten nur Schrott, das ist ja hinreichend bekannt. In Amerika killten die Katalysatoren den V8-Power. Die Deutschen wetteiferten um den Bau der motorisierten Einheitsschuhschachtel nach DIN und schützten uns mit der Vergolfung vor der Verkäferung. Aus Japan schwamm schnittiges Keildesign mit "16V-Turbo-superelectronicinjection-allwheeldrive"-Aufklebern an. Die Engländer machten den Laden sowieso dicht, ihre Healeys und MGBs erfüllten weder Sicherheitsvorschriften noch sparten sie Benzin. Einzig die Franzosen lockerten den Markt etwas mit R5, Alpine A610 und Citroën BX.
Und Italien? Die 80er gebaren den hässlichsten Ferrari (Mondial), Lamborghini entdeckte das Spoiler- und Plastikspielland und die Fertigungsqualität erreichte neuste Tiefpunkte. Mieseste Figur im Spiel: der marode Staatskonzern namens Alfa Romeo.

Ende 70er lief die Produktion der Erfolgsmodelle Giulia und Bertone aus. Hoffnungsträger war die kantige Alfetta. Bereits zehn Jahre zuvor entwickelt, sollte sie die neue Technikspitze antreten. Tolles Fahrwerk, vorne mit Drehstabfederung, hinten DeDion-Achse, vier Scheibenbremsen und Fünfganggetriebe mit der Hinterachse verblockt. Gekrönt vom Aluvierzylinder mit doppelten Nockenwellen…
Leider realisierten die Ingenieri zu spät, dass nach der Entwicklung des Fahrwerkes bereits das ganze Budget aufgebraucht war. Somit sparte man bei der Carrosserie und im Innenraum.

Unter all diesen Umständen kann es doch erstaunen, dass im Jahre 1980 ein Automobil vorgestellt wurde, wie es zu dieser Zeit eigentlich bereits verboten gehörte. Der V6-Motor aus dem Alfa 6 erhielt endlich grosszügigen Auslauf im Alfetta GT Coupé. 2,5 Liter Hubraum, Einspritzung von Bosch, 160PS. Selbstverständlich im 60-Grad-Gabelwinkel und von oben bis unten aus leichtem Aluguss. Je eine obenliegende Nockenwelle pro Zylinderbank, wobei die Einlassventile direkt und die Auslassventile über extrem kurze Kipphebel bedient werden. Dadurch baut der Motor schmal und kann trotzdem sportlich durch hemisphärische Brennräume atmen.

Doch genug der technischen Schwärmerei, Tür auf und Platz nehmen! Die silberne Farbe steht dem mittlerweile 30-jährigen Giugiaro-Kleid besonders gut. Willig startet die Sechszylindermaschine, gleichmässig tickt die Ventilsteuerung. Strenge Kupplung, schwammige Gangwahl. Die Zweischeibenkupplung greift gierig und bald folgt der zweite Gang. Wichtig ist ein behutsames Aufwärmen der Sechszylindermaschine. Sonst wehrt sie sich bald mit übermässigem Öl- und Wasserdurst. Doch dann dreht der Motor bald über 3000 Touren – und dafür muss man dieses Auto einfach gern haben, kein anderer Sechszylinderton macht im gleichen Mass abhängig. Kein Tunnel, keine Häuserschlucht, keine Bergstrasse mehr ohne offene Fenster. Banausen nennen es Summen, Mitfahrerinnen Brummen. Wie auch immer, es ist eben der Ton der die Musik macht und zugleich den GTV6. Über 4000 Touren knurren die sechs Töpfe seriös und beissen die Hinterachse. 160 PS sind zwar nicht alles, aber unter diesen Umständen eine willkommene Zugabe. Und für kecke Drifts genügen die Pferdchen allemal…

Wobei es nicht einfach ist den Alfa aus dem Gleichgewicht zu schubsen, das hintenliegende Getriebe sorgt für eine Gewichtsverteilung von 50 zu 50. Also perfekte Balance, trotz hohem Alter.
Die Buchstaben "GT" brauchen sich in "GTV6" nicht zu verstecken, die bequemen Sportsitze taugen für längere Distanzen. Und überhaupt, gibt es etwas schöneres als lange, lange der Alfamusik zu lauschen?
Zu den Charakterzügen der 80er Diva gehören aber auch zwei Getriebe- und Kardanrevisionen in acht Jahren, diverse Elektroteile, eine Neulackierung usw. Alles in allem eben ein Automobil, von dem man sich nicht trennen kann. Inklusive den tollen Accessoires wie Frontscheibenantenne, gelben Originalscheinwerfern und dem gleich alten Blaupunkt Cartridge CD-Player.
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Genauso freuten sich die Kritiker bereits vor 25 Jahren über die altmodische Technik: Als die Herren der amerikanischen Road&Track-Zeitschrift einen GTV6 über die Highways trieben, bemängelten sie den fehlenden Lenkservo, die strenge Kupplung und die hakelige Schaltung. Kommentar aus Mailand: "Der GTV6 wurde eben für richtige Männer entwickelt."