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amadefries

8. April 2021

Alternder Charmebolzen

Fiat | 0 Kommentare

Ja, er ist es! Fast unverändert seit 2007! Der Fiat 500 geht in die x-te Runde und wurde abermals überarbeitet. Ja, es gibt einen neuen Fiat 500, doch der ist nur rein elektrisch erhältlich. Wer noch in der alten Welt zuhause ist, muss auch zu einem „alten“ 500er greifen. Doch, Moment, so alt ist er […]

Ja, er ist es! Fast unverändert seit 2007! Der Fiat 500 geht in die x-te Runde und wurde abermals überarbeitet. Ja, es gibt einen neuen Fiat 500, doch der ist nur rein elektrisch erhältlich. Wer noch in der alten Welt zuhause ist, muss auch zu einem „alten“ 500er greifen. Doch, Moment, so alt ist er nicht. Unter der Haube steckt sogar völlig neue Technologie. Darum freue ich mich auf den Test des Fiat 500C Hybrid Launch Edition.

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Die häufigste Frage bei Hybrid- oder Elektroautos lautet „Wie weit kommt man damit rein elektrisch?“. Das ist bei Hybriden immer etwas schwierig zu beantworten, weil sich Verbrenner und Elektromotor abwechseln oder ergänzen. Hier ist die Frage schnell beantwortet: Genau 0 Kilometer. Es handelt sich nämlich um ein 12 Volt-Hybridsystem. Warum nicht wenigstens der Zusatz „mild“ als Entschärfung der Erwartungshaltung ergänzt wurde, bleibt das Geheimnis von Fiat. Es handelt sich um einen Dreizylinder mit 1,0 Liter Hubraum, der durch einen Riemen-Starter-Generator unterstützt werden kann. Dadurch werden aus den 70 PS für kurze Zeit knapp 75.

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Und sobald man diese Zahl gelesen hat, ist klar, ein Renner wird dieser 500 Hybrid nicht, nicht auf der Strasse und auch nicht im Verkauf. Fast 14 Sekunden braucht er bis Tempo 100 laut Werk. Und wir wissen, dass Werksangaben meist eher optimistisch sind.

Trotzdem, ich freue mich über das fast schon oldiemässige Gefühl, wieder mal einen Zündschlüssel drehen zu dürfen. Die drei Kolben machen keinen Hehl aus ihrer ungeraden Zahl, wie auch? Im Stand wähne ich mich an langst vergangene Motorradzeiten erinnert: Die Rückspiegel zittern im Takt des Motors. Über mir die Stoffhaube, die mit einem echten Cabrio ähnlich viel gemein hat, wie dieser Antrieb mit einem wirklichen Hybrid. Aber hey, die Sonne scheint und so öffnet sich der kleine Italiener bis knapp über die Kopfstützen.

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Und da ist er wieder, dieser Charme, dem wir schon vor 14 Jahren erlagen. Sonnenbrille auf, Luftzug rein, gute Musik auf die Ohren, herrlich! Das Interieur hat sich nicht gross verändert, das Armaturenbrett in Wagenfarbe bleibt eine tolle Reminiszenz an längst vergangene Tage.  An den fröhlichen Gesichtern der Passanten erkenne ich, die Ikone hat nichts von ihrem sympathischen Äussern verloren. Trotz allen Charmes gilt es die altbekannten Unpässlichkeiten festzustellen: Die Sitzposition in Froschhaltung hat sich nicht verändert, ebensowenig die nur höhenverstellbare Lenksäule. Die Kopfstützen sind härter als die Steine der Via Appia. Der Tankdeckel will noch immer per Schlüssel geöffnet werden. Die Bedienung der Anzeigen in der Mitte des Tachos bleibt Gewöhnungssache. Und in Sachen Multimedia gibt es inzwischen auch in Kleinwagen überzeugendere Systeme. Gleiches gilt übrigens für den Konfigurator auf der Fiat-Website. Doch zurück zum 500C aus Fleisch und Benzin.

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Ich bewege den Ganghebel fleissig durch die recht präzisen Gassen. Ja, der 500 hat jetzt ein Sechsganggetriebe, doch den 6. lege ich auf Landstrassen nie ein. Eine Fahrt auf die Autobahn gibt Gelegenheit, der Schaltempfehlung endlich zu folgen und den höchsten Gang zu wählen. Kaum kommt die erste Steigung bereue ich meine Tat. Nein, ein Dynamiker ist dieser Mildhybrid-500 nun wirklich nicht. Runterschalten ist an der Tagesordnung, vor allem bei diesem unglaublich langen sechsten Gang. Und man fragt sich schon, welcher Optimist diese Schaltempfehlung programmiert hat. Es muss sich dabei um den temperamentlosesten Italiener aller Zeiten handeln. Doch die verordnete Gemütlichkeit hat auch ihr Gutes: Allzu zackige Fahrmanöver überlegt man sich nicht einmal. Das muss diese „Entschleunigung“ sein, von der alle reden.

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Und ja, sobald ich die Autobahn verlasse und das Dach wieder absenke, fühle ich mich tatsächlich herrlich entschleunigt. Allerdings denke ich mir auch, dass Pilotinnen eines solchen Fahrzeuges immer mit genügend Marge zu Terminen unterwegs sein sollten – Zeit aufholen ist nicht. Dafür eröffnet er andere Möglichkeiten, die ich schon gar nicht mehr kannte. Wann habe ich zum letzten Mal einen Motor regelmässig bis fast in den Begrenzer gedreht? Eben. Das geschieht so selten, weil heutige Autos mit wenigen Ausnahmen recht flink sind. Im 500C Hybrid musst Du arbeiten, um auch nur mit dem Strom mitzuschwimmen. Dies immer mit dem Klang des munteren Dreienders im Ohr. Und wenn Du diese Arbeit besonders effizient erledigen willst, kuppelst Du immer kurz vor dem kompletten Stillstand aus. Unter 30 km/h schaltet sich der Verbrenner dann nämlich aus, die elektrischen Verbraucher werden aus der Lithium-Ionen-Batterie gespiesen.

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Am Ende des Tests steht wie immer die Abrechnung an der Tankstelle an. Mit 5,9 Liter war der 500C als Mildhybrid nicht sonderlich sparsam, brauchte einen Liter mehr als der deutlich grössere Clio E-TECH oder praktisch gleich viel wie der ebenfalls mildhybridsierte Kia Rio. Tatsächlich habe ich im Testzeitraum aber die Werksangabe um 0,1 Liter unterboten. 26’200 Franken kostet der Testwagen. Für den Fiat 500 gibt es aktuell keine andere Motorisierung. Wer mehr Power will, muss zu Abarth, wo es für praktisch den identischen Preis den 595 in Basisausstattung mit 145 PS und vor allem 206 Nm gibt. Allerdings steht das Dach dann fest. Das Ende des konventionell oder eben mildhybridisierten Fiat 500 scheint nahe. Wir sind gespannt auf die rein elektrische Variante!