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zuendung

13. August 2012

Amperstart

Opel | 0 Kommentare

"Ah, ist das dieser neue Hybrid?" So beginnen viele Gespräche, die ich während des Tests mit dem Opel Ampera mit Passanten führen darf. Meiner Erklärung können sie dann nicht alle folgen, aber so ganz einfach ist es ja auch nicht. Nun gut, erkläre ich es halt hier nochmals. Der Opel Ampera ist ein Elektrofahrzeug. Ein […]

"Ah, ist das dieser neue Hybrid?" So beginnen viele Gespräche, die ich während des Tests mit dem Opel Ampera mit Passanten führen darf. Meiner Erklärung können sie dann nicht alle folgen, aber so ganz einfach ist es ja auch nicht. Nun gut, erkläre ich es halt hier nochmals. Der Opel Ampera ist ein Elektrofahrzeug. Ein Elektromotor mit 150 PS Leistung und 370 Newtonmeter Drehmoment treibt dabei die Vorderräder an. Die Energie dafür kommt aus einer Lithium-Ionen-Batterie, die 16 kWh aufnehmen kann. Das reicht gemäss Opel für 40 – 80 Kilometer. Und was dann? Dann setzt der sogenannte Range Extender ein. Klingt futuristisch, ist im wesentlichen aber ein konventioneller Benzinmotor, der als Generator fungiert. Beim Voltec genannten Antriebskonzept sorgt ein 1,4 Liter Vierzylinder von Opel dafür, dass man auch bei leerer Batterie nicht stehen bleibt. Die Räder treibt er dabei aber niemals an, weshalb die Bezeichnung "Hybrid" falsch wäre.


Prius-Silhouette: Der Windkanal führt zu ungewollten Ähnlichkeiten.

Ganz schön komplex also, was da unter der Haube der Haube werkelt. Und was merkt der Fahrer davon? Nichts. Den Antrieb starte ich über den heute üblich gewordenen Startknopf, dann ziehe ich den Schaltknüppel in die Position D. Ja, so einfach geht das. Wenn die Batterie gerade leer ist, gesellt sich sogar noch ein vertrautes Verbrennungsgeräusch dazu. Doch natürlich will ich den Benzintank wann immer möglich unangetastet lassen. Dazu hänge ich den Stromer auch nach kurzen Fahrten ans Netz, wo es die Gelegenheit dazu gibt. Opel gibt 4 Stunden als Ladedauer an einer 230 Volt Steckdose an. Im Test benötigte er jeweils etwas länger dafür. Schlau, dass Opel gleich die Adapter für die gängigsten europäischen Steckdosen liefern. Weniger schlau, dass man die Adapter und das Ladekabel unter einer Abdeckung im Kofferraum verstaut hat. So muss man also zuerst das Gepäck ausladen, bevor Strom getankt werden kann.


Schaltzentrale: Gleich zwei Displays informieren. Im rechten ist der Ladezustand der Batterie grafisch dargestellt.

Gleich zwei 7-Zoll-Displays informieren den Fahrer. Das eine sitzt anstelle eines analogen Tachos im Armaturenträger, das andere sitzt gut sichtbar zuoberst in der Mittelkonsole. Mein Blick gilt dabei meistens der Reichweite, die für Batterie- und Generatorbetrieb separat angegeben wird. Ehrlich gesagt bietet das Ampera-Cockpit ansonsten nicht viele positive Blickfänge. Negativ fällt vor allem die billig wirkende Abdeckung der Mittelkonsole auf. Ihr glänzend grauer Plastik-Look erinnert daran, dass der praktisch baugleiche Chevrolet Volt für den us-amerikanischen Markt gemacht ist, wo so etwas vielleicht noch als "futuristisch" durchgehen mag.


Hohes Heck: Die Rückfahrkamera ist ein Muss.

Andererseits: An solch profanen Details sollte man ein revolutionäres Fahrzeug wie den Ampera nicht aufhängen. Kurz auf das "Wattpedal" gedrückt und der Opel stürmt voran. Bekanntlich steht bei einem Elektromotor die volle Drehmomentpracht von Beginn an bereit. Die 370 Newtonmeter sind mehr als zum Beispiel in einem VW Golf R (350 Nm) maximal zur Verfügung stehen; und das notabene erst bei 2500 Touren. Trotzdem schiesst der elektrische betriebene Viersitzer nicht wie ein Sportler nach vorne. Die Herstellerangabe von unter 10 Sekunden für den Standardsprint auf 100 km/h scheint in meinen Augen plausibel. Die Höchstgeschwindigkeit ist übrigens bei 161 km/h abgeriegelt. So schnell zu fahren ergibt aber nur schon wegen der dann wohl rapide zusammenbrechenden Reichweite keinen Sinn.


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Abgesehen vom rasanten Ampelstart ist er also kein Sportler. Dafür können sich vier Erwachsene über das Platzangebot nicht beklagen. Über den Sitzkomfort dagegen schon: Wer die AGR-Sitze aus anderen Opel-Modellen kennt, wird vom Ampera-Gestühl in verschiedenen Belangen enttäuscht. Weder stützen sie besonders gut, noch sind sie auf langen Strecken komfortabel. Der kaum vorhandene Seitenhalt ist dagegen eher zu verschmerzen. Ansonsten überzeugt der Innenraum mit einer reichhaltigen Ausstattung, nur das Navi (2500.-) und die Rückfahrkamera (1000.-) sind im Testwagen zusätzlich an Bord. Leder, schlüssellose Bedienung und Klimaautomatik sind ebenso serienmässig, wie eine umfangreiche Sicherheitsausstattung. Leider auch nicht gegen Aufrpeis gibt es das aus anderen Modellen bekannte AFL-Licht.


Typisch: Die Bumerang-Leuchten kennt man inzwischen vom Zafira

Für 52'900 Franken erhält man das erste Elektroauto, das komplett ohne Reichweiten-Leine auskommt. Ist die Batterie leer, fährt man einfach mit dem Benziner als Generator weiter. Dann ist der Opel Ampera allerdings bei weitem nicht mehr so effizient. Geht man allerdings davon aus, dass die meisten Autofahrer nur eher selten längere Strecken zurücklegen, sieht das mit der Effizienz wieder besser aus. In meinem Test fuhr ich einige Male "zu weit", weshalb der mögliche 0,0-Liter-Durchschnitt leider nicht zu erreichen war. 2,7 Liter lassen sich aber auch sehen. Genau so, wie sich auch der Ampera selbst sehen läasst. Trotz seiner dem Toyota Prius nicht unähnlichen Silhouette, ist den Designern da eine attraktive Schale gelungen, die durchaus in die Opel-Palette passt.

Der Preis ist nicht zu hoch, das Package funktioniert so wie man es sich erhofft, das Design passt und bequem ist das Ganze auch noch. Auch wenn es dem Petrolhead in mir nicht ganz leicht fällt, aber genau so könnte die Zukunft aussehen. Und für einmal sagen wir das nicht über irgendeine Studie, die mit Fantasieverbräuchen das Urteilsvermögen der Schreiberlinge blendet. Nein, Opel Ampera und Chevrolet Volt sind faszinierende Realität.