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zuendung

25. Juni 2014

Auris auf Priusisch

Toyota | 0 Kommentare

Der Toyota Prius hat Vorbildcharakter, das ist eigentlich jedem Automobilisten klar. Dennoch rümpfen Viele schon bei der Erwähnung des Hybridpioniers die Nase. Seit 1997 steht er einerseits zwar für Sparsamkeit und Fortschritt, andererseits aber auch für ein gehöriges Mass an Uncoolness. Ausserdem eckt er nicht selten mit seiner rundlichen Form an, die aerodynamische Gesichtspunkte höher […]

Der Toyota Prius hat Vorbildcharakter, das ist eigentlich jedem Automobilisten klar. Dennoch rümpfen Viele schon bei der Erwähnung des Hybridpioniers die Nase. Seit 1997 steht er einerseits zwar für Sparsamkeit und Fortschritt, andererseits aber auch für ein gehöriges Mass an Uncoolness. Ausserdem eckt er nicht selten mit seiner rundlichen Form an, die aerodynamische Gesichtspunkte höher gewichtet als einen repräsentativen Auftritt. Inzwischen ist der Prius-Antriebsstrang aber auch in unserem Testwagen zu haben, im Toyota Auris Touring Sports nämlich.

Der Touring Sports wäre kein Toyota, fiele er durch atemberaubend schönes Design auf. Doch der Kombi ist auf alle Fälle kein hässliches Auto. Ernsthaft und auch ein wenig angriffig blickt er den Beobachter mit seinen Scheinwerfern an. Die Seitenpartie ist glatt gehalten, präsentiert aber eine durchaus attraktive Kombisilhouette. Relativ grosse, um die Ecke greifende Leuchten prägen die Heckpartie. Ein winziger Wischer wirkt unfähig, die ganze Scheibe abdecken zu können.

Ich mache es mir auf dem Fahrersitz bequem, als mein Blick auf den Stummel von Schalthebel fällt, den ich aus dem Prius bestens kenne. Wie im Hybridbruder befehligt man über den blauen Knubbel das CVT-Getriebe. Also kurz in Richtung "D" getippt und schon schwebe ich geräuschlos aus der Parklücke. Wenn man sich Verbrenner-Motoren gewöhnt ist, fühlt sich dieser Moment auch beim x-ten Mal noch speziell an. Auch eher speziell ist die Gestaltung des Armaturenbretts. Es ragt steil auf und wirkt fast ein bisschen bedrohlich. Ausserdem hat Toyota einmal mehr die Digitaluhr untergebracht, die aus dem Jahr 1985 zu stammen scheint. Natürlich bleibt das Geschmacksache, dass Toyota in Sachen Styling innen wie aussen noch Nachholbedarf hat, ist aber auch der Konzernleitung hinlänglich bekannt.

Auf einem Kurzausflug nach Mailand soll der Hybrid beweisen, ob er das ist, was man eigentlich von jedem Toyota erwartet: Ein praktisches Auto, das einfach funktioniert. Vier Herren finden schon mal relativ bequem Platz. So werden die 3,7 Liter Normverbrauch wohl kaum zu erreichen sein. Vom Test mit dem Prius wissen wir ja bereits, dass Verbräuche um die 5,5 Liter realistischer sind. Zunächst gilt es aber, geleitet vom Navi den Weg zum Mailänder Messegelände zu finden. Die Reise verläuft sehr unspektakulär, bis wir uns bei der Fira Milano auf der Suche nach der Einfahrt zum richtigen Parkplatz verirren. Dafür kann der Auris aber nichts.

Auf der Rückfahrt nervt das Geheule des stufenlosen Getriebes, weil es auf der Fahrt hinauf zum Gotthardtunnel recht häufig das nicht im Überfluss vorhandene Drehmoment braucht. Und tatsächlich: Zuhause angekommen stehen etwas mehr als 5,5 Liter Durchschnittsverbrauch auf meinem Taschenrechner.

Hat man sich an die Funktionsweise des Antriebs gewöhnt, funktioniert im Alltag alles tadellos. Schnell eigne ich mir einen noch etwas vorausschauenderen Fahrstil an. Nur so kann ich wann immer möglich die reine Elektropower nutzen, was den Verbrauch nachhaltig zu senken hilft. Der grosse Touchscreen informiert dabei jederzeit, wie welche Energie nun gerade fliesst. Auch die Passagiere sind von so viel Technik beeindruckt. Besonders faszinierend wirkt jeweils, dass man überhaupt nicht bemerkt, wie der Auris vom einen Modus in einen anderen wechselt.

Ebenfalls kaum spürbar ist der Zustand der Strasse. Toyota hat dem Auris Hybrid eine der gefühllosesten Lenkungen überhaupt verpasst. Auch das Pedalgefühl ist eher digital. Doch wer solche Kriterien priorisiert, wird sich wahrscheinlich sowieso eher einen GT-86 anschauen. Der Familienvater, der sich für einen Kombi interessiert, wird wahrscheinlich häufiger hinter die Heckklappe als unter die Motorhaube schauen. Was ihn dort erwartet ist durchaus erstaunlich, wenn man den Kofferraum des Prius kennt. Satte 530 Liter Stauraum gibt es da hinten. Mittels abklappbaren Rücksitzlehnen lässt sich das Volumen auf maximal 1650 Liter erhöhen. Beide Werte sind identisch mit denen der konventionell motorisierten Auris Kombis.

Eigentlich gilt das für das ganze Auto: Der Auris Hybrid Touring Sports von Toyota funktioniert wie ein konventionelles Auto. Und im Gegensatz zum Prius schaut er auch noch konventionell aus. Wer viel in der Stadt fährt, kann sich durch den Hybridantrieb sicher einen ziemlichen Verbrauchsvorteil erarbeiten. Im Test verbrauchte er abgesehen vom Italien-Ausflug 4,9 Liter Benzin. Da kann kaum ein anderer Benziner-Kombi mithalten. Dank einer sogenannten Cash-Bonus-Aktion spart man momentan nicht nur an der Tankstelle, sondern auch beim Ankauf. 1500 Franken sind vom Listenpreis abzuziehen. Der Testwagen in Sol-Ausstattung kommt so auf 33'840 Franken. Dann sind Verwöhnoptionen wie Lederpolster oder Panoramaglasdach noch nicht an Bord. Bei einem Familienauto muss das aber vielleicht auch nicht unbedingt sein.

Dafür kann Sohnemann in der Schule mit dem supercoolen Antrieb des väterlichen Kombis punkten. Und dass er im Gegensatz zum Prius auch noch nett anzuschauen ist, wird der Popularität auch keinen Abbruch tun. Seine besten Freunde wird er dann vielleicht in das Geheimnis einweihen, wie man den Hybrid-Auris von seinen konventionell motorisierten Geschwistern unterscheiden kann: Das Auto mit dem Vorbildcharakter hat ein blau eingefärbtes Toyota-Zeichen.