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heinyvolkart

18. Juni 2015

D wie Dual

Tesla | 0 Kommentare

Fahrbericht TESLA Model S P85D D wie Dual Schon die «normale» Performance-Version des Tesla Model S beeindruckte (Siehe Fahrbericht vom August 2014 http://zuendung.ch/fahrbericht/schneller-stromer/ ). So wurde denn die Einladung, einmal das neuste Tesla-Modell, den P85D, zur Probe fahren zu können, sehr gerne angenommen. Ein D am Ende einer Typenbezeichnung heisst ja normalerweise Diesel und bedeutet […]

Fahrbericht TESLA Model S P85D

D wie Dual

Schon die «normale» Performance-Version des Tesla Model S beeindruckte (Siehe Fahrbericht vom August 2014 http://zuendung.ch/fahrbericht/schneller-stromer/ ). So wurde denn die Einladung, einmal das neuste Tesla-Modell, den P85D, zur Probe fahren zu können, sehr gerne angenommen.

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Ein D am Ende einer Typenbezeichnung heisst ja normalerweise Diesel und bedeutet Zweckmässigkeit, nagelnde Motorgeräusche, niedriger Treibstoffverbrauch. Beim Elektrofahrzeug Tesla Model S bedeutet das D aber Dual, Dual Motor.

Nun, zweimotorige Autos sind eigentlich nichts Neues. Das gab’s schon vor über 50 Jahren, z.B. im Citroën Deux-Chevaux Sahara 4×4. Und die Plug-In-Hybriden, die in den letzten Jahren auf den Markt gekommen sind, sind ja auch zweimotorig. Sie verfügen über einen Verbrennungsmotor (Diesel oder Benzin) und einen Elektromotor. Beim Peugeot 3008 Hybriden treibt der Dieselmotor die Vorderräder an und der Elektromotor die Hinterräder, womit man eine Art Allradantrieb geschaffen hat.

Etwas in der Art hat nun Tesla mit dem Model S auch gemacht. Die bisherigen Tesla werden an den Hinterrädern angetrieben, im P85 z.B. von einem hinten liegenden bis 476 PS (350 kW) starken Elektromotor. Nun hat man auch vorne einen Elektromotor eingebaut, der die Fronträder antreibt. Dieser zweite Motor leistet 224 PS, sodass eine Systemleistung von sage und schreibe 700 PS entsteht.

Herkömmliche Allradantriebe erfordern komplexe mechanische Verbindungen, um die Antriebskraft vom Motor auf die Räder zu verteilen. Eine Ausnahme ist da allerdings der Peugeot 3008 Hybrid, bei dem die Verbindung von vorn zu hinten nur elektronisch erfolgt.

Beim P85D erfolgt die Steuerung digital und damit direkter und präziser als eine mechanische Kraftübertragung. Beim Tesla S 70D ist der Allradantrieb serienmässig (ab CHF 68‘800), beim S 85 gegen Aufpreis. Und das Modell Performance (P85D) wartet serienmässig mit dem Dual-Motor-Allradantrieb auf. Die 476 PS hinten und die 224 PS vorn ermöglichen eine Beschleunigung von 0 auf 100 Km/h in gerade mal 3.3 Sekunden.

Auf das aktuell einzige Tesla-Modell, eben das «Model S», soll jetzt nicht weiter eingegangen werden. Das ist bekannt oder steht im oben erwähnten Fahrbericht vom August 2014.

Aber auf den P85D und die Unterschiede zum P85S schon. Der S hat ja schon beachtliche Fahrleistungen, da hätte es jetzt nicht unbedingt noch einmal 224 PS mehr gebraucht. Dass die Schweizer gerne Allradantrieb haben, stimmt zwar, ist aber wohl auch nicht unbedingt der Grund, warum man es gemacht hat.

Aber es könnte sein, dass man dieses 700 PS und 1000 Nm starke Elektrofahrzeug gebaut hat, um zu beweisen, dass man es kann, wenn man will. Denn noch immer gibt es doch viele Vorurteile gegenüber elektrisch angetriebenen Fahrzeugen: Keine Reichweite, schlechtes Preis-/Leistungsverhältnis, mit persönlichen Einschränkungen verbunden, kein Kofferraum, zu teuer, …

Und jetzt kommt ein Elektrofahrzeug, das nicht mehr kostet als ein gut ausgestatteter Audi oder BMW, aber doppelt so stark ist, das besser beschleunigt als ein Porsche, der dann aber mindestens das Dreifache kostet.

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Die im letzten Bericht als fehlend bemängelten Assistenten sind jetzt übrigens vorhanden. Ein Tesla hat ja den Vorteil, dass man, anders als bei wohl fast allen andern Autos, nicht auf dem technischen Stand stehenbleibt, der beim Bau des Autos galt, sondern immer wieder die neuste Software draufgespielt werden kann. Unter dem Titel «Autopilot» ist eine Vielzahl von Assistenten geplant. Lane Keeping, Abstandsradar, Totwinkelassistent und mehr sind bereits installiert. Automatische Spurwechsel, selbständige Parkplatzsuche und Einparken, ja automatisches Fahren im Stadtverkehr und mehr sind in Planung und werden nach und nach aufgespielt.

Nun, wer auch schon Ferrari, Lamborghini und Konsorten nicht nur gefahren ist, sondern auch wieder aufgetankt hat, weiss, dass die keine Kostverächter sind, wenn man ihnen die Sporen gibt. Der Tesla P85S, der mit seinen bis 476 PS ja eine echte Reichweite von über 400 Km hat, verbraucht, je nach Fahrweise und Temperaturen, um die 20 bis 24 kWh auf 100 Km. Was hat denn nun der P85D, mit 700 PS für eine Reichweite? Unser Testritt war zu kurz, um das selber „auszulitern“, aber die Vorgaben von Tesla sind ja relativ korrekt. Der D braucht nicht mehr Strom, hat also in etwa dieselbe Reichweite wie der P85S. Erstaunlich.

Die zwei Motoren zusammen laufen im Normalfall eben verbrauchsgünstiger und brauchen so weniger.

Was kostet so etwas? Der ab August lieferbare 700 PS-Tesla kostet CHF 98‘000 bar. Die Aufpreisliste ist aber nicht wie bei den deutschen Premiumautos nach oben unbeschränkt, sondern auf maximal 25% beschränkt. Sehr viel ist ja serienmässig schon drin. Aber der Autopilot oder die Luftfederung kosten z.B. je 2‘400 Franken, Premium-Interieur 2‘900, Ultra HiFi-Sound 2‘400, Executive-Rücksitze 2‘900 (wozu denn das?), Kaltwetterpaket (beheiztes Lenkrad und so) 1‘000, Winterreifen auf 19“-Felgen zwischen 2‘600 und 3‘300, auf 21“-Felgen sogar 5‘700 Franken.

Der generelle Aufpreis zum einmotorigen, resp. 2WD, soll aber nur um die 5’000 Franken betragen.

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Wir fahren

Beim P85D funktioniert eigentlich alles genau gleich wie beim P85S. Auf Knopfdruck fahren die Türgriffe aus. Man steigt ein, bremst und stellt den Wählhebel auf D, löst die Bremse und fährt los, still und leise. Und wie beim einmotorigen auch.

Noch immer gibt’s den „aufgestellten Laptop-Bildschirm“, sprich den 17“-Monitor, der wahlweise die Karte zeigt für das Navi, der gebraucht wird für die persönlichen Einstellungen bezüglich Komfort und Technik und neuerdings auch für das Ein- oder Abstellen der Assistenten (Spurhalte-, Tempomat-, Einpark-, Fernlichtautomatik-).

Die Sitze bieten sehr guten Seitenhalt, die Sitzkissen sind aber fast schon etwas zu lang. Man müsste wohl etwas länger pröbeln, bis man seine ideale Sitzposition gefunden hat (geht alles elektrisch und einfach). Der verkehrsadaptive Tempomat funktioniert zuverlässig, es lässt sich ein relativ kleiner Abstand zum Vorderauto einstellen, sodass einem nicht dauernd einer dazwischenfährt.

Die Beschleunigung ist beeindruckend, wie man sie von starken Autos gewohnt ist und wie sie auch der „gewöhnliche“ Model S bietet. Es fehlt halt einfach der grollende Sound eines 12- oder 8-Zylinders. Aber im Fahrzeuginneren ist auch ein Tesla alles andere als lautlos. Die Wind- und Reifengeräusche machen, aussen wie innen, genau denselben Krach wie in einem Verbrenner.

Aber etwas ist doch anders: Als mal nichts von hinten kommt und vorne eine gerade leere Strasse liegt, sagt der Beifahrer, man solle doch mal die Geschwindigkeit auf Null reduzieren und dann voll mit Kickdown beschleunigen. Gesagt, getan. Die rund 1‘000 Nm Drehmoment ab Stand reissen den über 2 Tonnen schweren P85D in 3.3 Sekunden vom Stillstand auf 100 Km/h. Das Blut im Kopf (und das Hirn) weicht nach hinten, absoluter Wahnsinn. Und absolut nicht vergleichbar mit einem Verbrenner, weil der erst sein bestes Drehmoment erreichen muss bei 2‘000 oder 4‘000 Touren und erst dann so richtig losstürmt. Überraschend auch, dass der P85D schön in der Spur bleibt und keine Lenkkorrekturen verlangt. Nun, bei 100 oder 120 geht man dann wieder vom Gas (oder wie man dem Pedal sagt bei einem Elektriker) – und wundert sich nur noch. Sagenhaft. Muss man erleben. Kann man erleben. Die Dinger kann man kaufen.

Fazit: Ein faszinierendes Fahrzeug, absolut alltagstauglich und unter dem Strich wohl wesentlich günstiger als ein auch nur halb so starkes Fahrzeug derselben Grössen- und Ausstattungskategorie.

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Daten, Datengeheimnis, …

Zugegeben, es hat etwas viele „vermutlich“, „in etwa“ und so fort in diesem Fahrbericht. Das hat einen Grund.

Wenn man extra nach Möhlin fährt zu Tesla, um dieses Superauto fahren zu können und gebeten wird, 10 Minuten früher zu erscheinen für das «Briefing», dann erwartet man schon, dass simpelste Fragen beantwortet werden können.

Doch auf die am 11. Juni gestellte Frage, wie viele Tesla denn im ersten Halbjahr 15 verkauft würden, kam die erstaunliche Antwort «Das darf ich Ihnen nicht sagen» und auf den Einwand, jeder Importeur veröffentliche diese Zahlen, die könne man dann in den Zeitungen lesen, ob Automobil-Revue oder Tages-Anzeiger, kam «Wir sind kein Importeur, wir sind Tesla». Auch andere, an kein Geheimnis rührende Fragen wurden auf diese Art abgeblockt.

Wir mussten das unerfreuliche Gespräch schliesslich abbrechen und jemand Anderer von Tesla, ein netter und zugänglicher(er) Herr, kam mit auf die Probefahrt.

Dass dann die nach der Probefahrt versprochenen Unterlagen über Tesla und das Model S P85D auch nicht geschickt wurden, passt in dieses eigenartige Kommunikationsgebaren von Tesla und rundet den negativen Eindruck von Tesla als Firma ab.

Aber wenn man die Geschichte von Elon Musk, dem vielleicht genialen, sicher aber auch etwas sonderbaren Gründer von Tesla, mal gelesen hat, wundert einen das sonderbare Verhalten von einzelnen Herren bei Tesla Schweiz vielleicht etwas weniger.

Nun, die jedermann zugängliche Statistik von auto-schweiz besagt, dass Tesla im vergangenen Jahr 496 Model S verkauft hat. In den Monaten Januar bis Mai 2015 sind es bereits auch schon wieder 385. Linear hochgerechnet werden es im ersten Halbjahr über 460 sein, oder fast so viele wie im ganzen letzten Jahr.

Die Daten über Tesla, insbesondere den P85D, haben wir aus dem Internet selber herunter geladen und interpretiert. Als ex-Flottenbesitzer und ex-Geschäftsführer des Flottenbesitzerverbandes hätten natürlich die TCO-Zahlen für Tesla sehr interessiert. Aber auch die wurden nicht wie versprochen geliefert. Schade.

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Persönliches Schlusswort

Ich geb’s offen zu: Mich fasziniert der Tesla Model S. Er ist zwar mit fast 5 Metern Länge ein Schiff, allerdings ein gut aussehendes. Aber seine Technik, die Leistung, die (neuste) Ausrüstung, das alles ist faszinierend und sehr erstaunlich. In Anbetracht dessen, was man erhält, ist er auch nicht zu teuer.

Wenn ich aber an meine Zeit als Flottenbesitzer und als Berater von Flottenbesitzern denke, dann weiss ich, dass bei jeder Marke immer irgendwann irgendein Problem auftaucht. Wenn ich auch daran denke, wie diese Probleme mit den andern Importeuren gelöst wurden und werden, ob diese Importeure nun dem Werk gehören oder selbständige Buden sind (EFAG, AMAG), dann graut mir etwas davor, mir vorzustellen, wie ich mit diesen Problemen bei Tesla auflaufen würde.

Wer weiss, ob sich diese, ich nenne es Überheblichkeit, wenn nicht sogar Arroganz, nicht einmal rächen wird. Es wäre schade.

Heiny Volkart, Juni 2015