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zuendung

3. August 2010

Das feuerrote Tourenmobil

Opel | 0 Kommentare

Als ich zum Abstellplatz des Testwagens schlendere, stelle ich ihn mir in den verschiedensten Graustufen vor. Silber, Schwarz, Weiss oder eine dieser unzähligen Anthrazit-Varianten wird er tragen, ganz sicher. Auf Druck der Funkfernbedienung antwortet dann aber ein rotes Auto mit fröhlichem Blinken. Rot? Habe ich denn eine Mobility-Fahrzeug gemietet? Rot sind doch höchstens Ferrari, Alfa […]

Als ich zum Abstellplatz des Testwagens schlendere, stelle ich ihn mir in den verschiedensten Graustufen vor. Silber, Schwarz, Weiss oder eine dieser unzähligen Anthrazit-Varianten wird er tragen, ganz sicher. Auf Druck der Funkfernbedienung antwortet dann aber ein rotes Auto mit fröhlichem Blinken. Rot? Habe ich denn eine Mobility-Fahrzeug gemietet? Rot sind doch höchstens Ferrari, Alfa Romeo und Ducati. Aber ein deutscher Opel? Nun gut, geben wir dem sonderbar leuchtenden Neuling eine Chance.


Generationenvergleich: Das sind tatsächlich beides Opel Astra.

Aussen trägt er den aktuellen Opel-Look, dessen Linie der allseits beliebte Opel Insignia vorgegeben hat. Auf kompakte Form gemünzt, zeigt das Design gewisse Ähnlichkeiten zur Konkurrenz von Seat, Mazda oder Renault. Das ist bestimmt nicht tragisch, zumal der Astra immer noch genügend markentypische Insignien spazieren fährt: Chromspange mit Blitz im Grill, nach hinten oben geschwungene Kerbe in der Seitenlinie und passendes Nachtdesign der Rückleuchtengrafik sind die auffälligsten Kennzeichen.


Mega3eon: Die Ähnlichkeiten zu anderen Kompakten sind da, besonders die Leuchtengrafik sorgt dennoch für Eigenständigkeit.

Die Form kommt an, ich erhalte viele Komplimente für den roten Begleiter. Es scheint so, als löse zum allerersten Mal ein Opel Astra den "Haben-Wollen-Reflex" bei einem breiten Publikum aus – Von der GSi-Variante der ersten und dem OPC-Brenner der letzten Generation einmal abgesehen. Dieser Opel punktet also mit der äusseren Schale, aber wie sieht es innen aus? Tatsächlich ist auch die Optik des Interieurs sehr gelungen. Sie erinnert nicht von ungefähr an den Insignia. Es wird eindeutig: Dieser Kompakte will eine Liga höher spielen. Leider hat er vom dort engagierten Markenbruder auch die Bedieneinheit auf der Mittelkonsole geerbt. Sie kommt zwar wirklich schmuck daher und lässt gerade die Konkurrenz aus Ingolstadt und Wolfsburg äusserst alt ausschauen. Nur mit der Bedienfreundlichkeit und der Logik hat sie's nicht so.


Bergauf: Die aktuelle Astra-Generation kenn nur eine Richtung.

Gut, dass sich die hervorragenden AGR-Sitze bestellen lassen. So lässt sich die teilweise nervige Bedienung schnell vergessen. Leider ist auch die Verstellung des Gestühls nicht eben einfach. Doch wenn man dann mal alles passt, sitzt man so bequem wie in keinem anderen kompakten Auto. Es sei angemerkt, so kompakt ist der Astra gar nicht: Mit 4,42 Metern ist er nur noch 10 Zentimeter kürzer als ein BMW 3er. Gut, dass der Testwagen mit den vorne und hinten piepsenden Helferlein (optional) ausgestattet war. Denn der Rüsselsheimer ist nicht nur gross, er ist durch seine attraktive gerundete Form auch reichlich unübersichtlich.


Bekannt: Wer Insignia fährt, kenn das hübsche aber unübersichtliche Cockpit.

"Sport" sollte bei der Topmotorisierung mit 180 PS mehr als bloss der Name der Ausstattungsvariante sein. Der 1,6-Liter verfügt über ein Drehmoment von 230 Nm, das leider erst bei fast 2500 Umdrehungen anliegt. Dieser Umstand und eine gewisse Unlust beim morgendlichen Kaltstart trüben den Genuss dann doch ein wenig. Überhaupt wirkt er trotz einem passablen Leergewicht von 1400 kg relativ träge und nicht eben sportlich. Gut, dass wenigstens das Fahrwerk das Sport-Versprechen einlösen kann. Vorbildlich, wie er durch Kurven pfeift und dabei stets ein angenehmes Mass an Restkomfort beibehält. Wechselt man die Fahrwerkseinstellung von "Sport" auf "Tour" und damit auch die Armaturenbeleuchtung von rot nach weiss, hat man den idealen Gleiter für die Autobahn.

Der Verbrauch meines feuerroten Tourenmobils pendelte sich bei 8,5 Liter ein. Das ist keine besondere Glanzleistung, zumal der Motor ja durchaus Anleihen des momentanen Downsizingtrends zeigt. Allerdings fehlt dem Astra jegliche moderne Spritspartechnologie: Keine Start-Stopp-Automatik, keine Hochschalthinweise und keine aerodynamischen Tricks. Hier muss Opel über die ganze Palette nachbessern, denn viele solche Features sind mittlerweile bei der Konkurrenz als Standard an Bord.


Lichtgestalt: Wenn er schon in Sachen Spritspartechnik nicht punkten kann, so hat der Astra immerhin topmodernes Licht zu bieten.

Als Fazit kann man festhalten: Der Opel Astra funktioniert dann besonders gut, wenn man ihn sich passend zur Farbe des Testwagens als italienisches Auto vorstellt. Die Form hat sowieso fast schon südländische Einflüsse. Einige kleine Dinge nerven, wie zum Beispiel sich in der Seitenscheibe auf Höhe der Aussenspiegel spiegelnde Lüftungsdüsenumrandungen oder die fehlende Stütze für den Kupplungsfuss. Aber auch die für die Grösse des Fahrzeugs relativ beengten Platzverhältnisse und die Unübersichtlichkeit. Verzeiht man ihm diese Kleinigkeiten, überzeugt der aktuelle Golf-Kontrahent neben der sehr schicken Schale mit überragenden Sitzen, einem tollen Fahrwerk und nicht zuletzt einem sehr fair kalkulierten Preis. Der Testwagen schlug mit 42'400 CHF zu Buche, weil zum Grundpreis von 35'000 CHF noch einige Goodies (Navi, AGR-Sitze, mitlenkendes automatisches Frontlicht, etc.) dazu kamen.