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zuendung

30. April 2006

Der letzte Alfa Romeo

Alfa Romeo | 0 Kommentare

Es gibt wenige Autos, wo die Audioanlage nur Beigemüse ist. Ein amerikanischer V8-Hemi vielleicht, ein Modena 360 und sämtliche Zwölfzylinder aus Sant' Agata. Aber in einem Mittelklassewagen? Da muss eine gute Stereoanlage schon sein, schliesslich fristet das Aggregat hier ein akustisch höchst unwichtiges Dasein. Nicht so im Alfa Romeo 156 2.5 V6, dem letzten echten […]

Es gibt wenige Autos, wo die Audioanlage nur Beigemüse ist. Ein amerikanischer V8-Hemi vielleicht, ein Modena 360 und sämtliche Zwölfzylinder aus Sant' Agata. Aber in einem Mittelklassewagen? Da muss eine gute Stereoanlage schon sein, schliesslich fristet das Aggregat hier ein akustisch höchst unwichtiges Dasein. Nicht so im Alfa Romeo 156 2.5 V6, dem letzten echten Alfa Romeo. Der eine oder andere Alfisti wird jetzt intervenieren und italienisch klangvoll einwerfen: Nein, der letzte echte Alfa war der 75, der letzte nämlich mit Heckantrieb. Nun, über solch philosophisch hochstehende Fragen könnte man lange diskutieren. Ich aber meine: Alles was wie ein Alfa klingt, ist auch ein Alfa. Und der 156 klingt definitiv wie ein Alfa.


Alfa 156 – eine Silhouette für die Ewigkeit.

Hier haben wir es also mit dem faceglifteten 156 zu tun. Aber trotzdem kurz ein Rückblende ins Jahr 1997, als der "echte" 156 der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Nach den eckigen Kisten (sorry Alfa) die man inzwischen kannte, überraschte dieser Wurf doch gewaltig. Einige sprachen sogar von einer neuen Giulia. 1998 gewann der 156 den begehrten "Car of the Year"-Award. Designmässig hatte er das bestimmt auch verdient. Das Nummernschild nach links versetzt, zusammengekniffene Augen, ein klassischer Alfagrill in der Mitte. Doch nicht nur die Front war gelungen. Mit gekonnten Linien schuf Walter de Silva ein Design für die Ewigkeit. Seitlich gibt es eine feine Lichtkante, die in ähnlicher Form heute bei Mercedes als (natürlich von Mercedes erfundene) "Dynamik-Linie" verkauft wird. Ende 2003 bekam der 156 ein grösseres Facelift verpast. Der Grund: Das Publikum sollte auf den Nachfolger 159 vorbereitet werden. Deshalb stammt das Design auch von Giorgetto Giugaro, der wiederum schon die 159er-Vorlage Brera gezeichnet hatte.


Der knackigste Hintern der Mittelklasse.

Auch im Innenraum wurde einiges geändert. Dass der Holzschaltknauf durch einen ledernen ersetzt wurde ist ja nicht so schlimm. Aber dass auch das hölzerne Lenkrad durch einen Lederlenker ersetzt wurde, stört den Puristen nun doch ein bisschen. Von der Mittelkonsole leuchtet Plastik in aluähnlicher Farbe, nicht gerade die feine italienische Art. Immerhin gibt es noch diese becherartigen Armaturenabdeckungen und darin die hängenden Zeiger. Und genau diese Zeiger wollen wir durch die Drehung des Schlüssels möglichst zackige anzeigen sehen. Der legendäre 2,5-Liter startet ohne Murren, die Kupplung verlangt einen Alfa-kundigen Fuss. Selbstverständlich warten die Alfisti, bis das Aggregat Betriebstemperatur erreicht hat; erst dann darf der Tourenzähler in Richtung 7000 zeigen.


Da werden sogar dem F430-Fahrer die Tränen kommen. Wer hat heute noch so schöne Motoren?

Schön warmgefahren macht der 156 dann so richtig Spass. Auf kurvigen Landstrassen geniesst es der Fahrer, die Gänge 2 und 3 auszureizen. Dass häufig geschaltet werden muss, ist dabei kein Negativpunkt. Die Gänge dieses Getriebe durchzuschalten, beim Runterschalten jeweils mit einem gezielten Stoss Zwischengas, gefällt dem Fahrer des 156 besser als lange Autobahnetappen. Dort hilft ihm zwar der sechste Gang, der einigermassen ruhiges Reisen ermöglicht. Eigentlich wäre der Mittelklasse-Alfa ein hervorragendes Auto für grosse Distanzen, aber wirkliche Freude kommt eben nur beim Kurvenfressen auf. Klar, Poweroversteering funkioniert mit dem Fronttriebler nicht, und zu viel Gas wird mit quietschenden Vorderreifen und Untersteuern bestraft. Trotzdem liebt man dieses Auto für seine sportlichen Vorzüge. Das Fahrwerk kann überzeugen, die Bremsen seit dem Facelift auch. Die Lenkung ist weitgehend frei von Antriebseinflüssen und sportiv direkt ausgelegt. Grossartig ist der Kompromiss zwischen Komfort und Sportlichkeit gelungen.


Mit Brera-Blick und vergrössertem Chrom-Scudetto schaut der von Giugiaro restylte 156 in die Welt.

Wir haben noch nicht über Platz, Variabilität und Verbrauch gesprochen. Wer einen Alfa fährt, interessiert sich für diese Dinge wohl nicht sonderlich. Der Vollständigkeit halber: wenig Platz, keine Variabilität, hoher Verbrauch (11 Liter). Aber zurück zum Wesentlichen: Der Alfa Romeo 156 2.5 24V ist ein grossartiges Auto mit den typischen Alfa-Macken. Gegenüber anderen Behauptungen kann ich aber sagen, dass die Verarbeitung aller ehren Wert ist. Knistern aus allen Teilen des Fahrzeuges gehört definitiv der Vergangenheit an. Das straffe Fahrwerk, die direkte Lenkung, die bissigen Bremsen, das umwerfende Design gleichen alle Schwächen locker aus. Und ausserdem kann man sich das viele Geld für CDs sparen. Neben sparsamen Naturen sind Metallfetischisten die richtigen Kunden für diesen roten Wagen. Denn wer einmal den aus dem Vollen geschnitzten 156er-Türgriff in der Hand gehalten hat, den hat das Alfa-Virus für immer in seiner Macht.


Baustelle? Irgendwie ein symbolisches Bild für die Marke Alfa Romeo. Leider.