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zuendung

31. Juli 2005

Der letzte Schrei

MG | 0 Kommentare

Der Brite als solcher hat schon immer den etwas komplizierteren Weg gewählt, ein Automobil zu bauen. Mit dem MG X-Power SV-R verhält es sich nicht anders. Mit ihm wollten die Engländer wieder zur internationalen Sportwagen-Elite gehören. Eines vorweg: Wäre der SV-R je in registrierbaren Stückzahlen auf die Straße gekommen, es wäre ihm nicht gelungen, vorne […]

Der Brite als solcher hat schon immer den etwas komplizierteren Weg gewählt, ein Automobil zu bauen. Mit dem MG X-Power SV-R verhält es sich nicht anders. Mit ihm wollten die Engländer wieder zur internationalen Sportwagen-Elite gehören. Eines vorweg: Wäre der SV-R je in registrierbaren Stückzahlen auf die Straße gekommen, es wäre ihm nicht gelungen, vorne mit zuspielen. Doch dazu kommen wir später. Eines ist der MG auf jeden Fall: International.

Irgendwann Mitte der 90er sollte die Marke Jensen wieder belebt werden. Es entstanden ein paar Prototypen mit einem Ford V8 und einem knallharten Setup. Dabei blieb es, wie so oft verhinderten Finanzierungsprobleme den Produktionsstart. Doch das Auto tauchte etwas verweichlicht als DeTomaso Bigua mit dem gleichen Motor und verquollenem Desgin bei dem Italo-Argentinischen Sportwagenbauer wieder auf. Wie wir wissen, gab es dort auch ein paar finanzielle Unpässlichkeiten. Der Bigua sollte sich nun dank amerikanischer Investoren als Qvale Mangusta seine Meriten verdienen. Doch auch hier – wer hätte es gedacht – reichte der monetäre Atem der Investoren nur für ein paar Exemplare. Zwischenzeitlich, gerade brach das neue Jahrtausend an, gelangte die Mangusta-Bodengruppe nach Longbridge zu MG Racing and Sports Ltd. Doch bis der SV-R tatsächlich serienreif wurde, sollten noch fast fünf Jahre vergehen. Und als es dann soweit war – der Rest der MG Rover-Dilemmas dürfte allgegenwärtig sein.

So, Aufwachen, der Geschichts-Unterricht ist vorbei.Zuendung.ch stand das einzige, in Deutschland existierende Exemplar für einen ausführlichen Proberitt zur Verfügung. Die Kohlefaser-Karosse ist in stilechtem Racing-Green lackiert, das Interieur in hellem Leder ausgeschlagen – authenischer geht’s kaum. Also raus aus dem Tweed-Sakko, rein in den Overall. Die Schalensitze passen, die Vierpunkt-Gurte verfügen über einen alltagstauglichen Ein-Schnallen-Verschluss und über eine arretierbare Automatik-Funktion. Die Renngurte machen einen Airbag entbehrlich. Warum die Briten dennoch das wohl hässlichste, luftsacklose Vierspeichen-Lenkrad der jüngeren Automobilgeschichte montiert haben, wird für immer im Insel-Nebel verborgen bleiben. Also Augen zu und ab auf die Piste. Der Versuch, sich vom High-End-Becker-Navi nach Silverstone dirigieren zu lassen, scheiterte jedoch an der Elektronik-Legasthenie des Fahrers. Mist, die Dinger waren doch sonst so einafch zu handeln?

Dann eben doch nur bayerische Landstraßen und Autobahnen. Der knapp fünf-Liter große, in Kanada aufgebohrte Mustang-V8 lässt sich nur durch anhaltendes Drücken des Starterknopfs zur Arbeit bewegen. Seinen Unmut drückt das 385 PS-Aggregat durch einen unruhigen Leerlauf und durch ein bitterböses, niedrig frequentes Fauchen aus. Das Tier erwacht. Mit kräftiger Hand den ersten Gang rein, zum Treten der Kupplung empfehlen sich Waden im Armstrong-Format. Das Tier bewegt sich. Es ist immer noch brummig. Die A8 ruft. Leider ist die Piste noch nicht ganz trocken. Auf der Auffahrt möchte sich das Heck einen Überblick über die Strecke verschaffen. Das Tier ist leicht reizbar. Dumm nur, dass der Pilot es gerne reizen möchte. Der Grund steckt unter der Haube. Der V8 wurde von Satan persönlich abgestimmt. Das Ding gibt keine heißeren Tourenwagen-Schreie von sich. Der Vierventiler brummt, röchelt, brüllt, schnappt nach Luft. Und immer von ganz unten aus seiner tiefschwarzen Seele. Hohe Drehzahlen mochten Ami-Motoren noch nie.

Ein akkustisches Inferno, für das man jeden Pakt mit dem Teufel schließt. Beim Teufel ist der MG-Reiter allerdings auch, wenn er nicht konzentriert am Lenkrad arbeitet. Kontakt zur Straße ist nämlich kaum vorhanden. Die Lenkung scheint aus einem Lincoln Town Car zu stammen. Das Fahrwerk ist ebenfalls komplett weichgespült. Wahrscheinlich ist der Motor deshalb so sauer. Man hat dem Tier ein rosa Schleifchen zwischen die Ohren gebunden. Die Konzentration kostet Kraft. Jenseits der 230 km/h wird es anstregend, die irrsinnigen Windgeräusche der rahmenlosen Scheiben werden kaum noch wahrgenommen, der wackelige Handschuhfach-Deckel (mit edlem Leder tapeziert) geht sowieso als Britishness durch. Auf winkligen Landstraßen hat man für dererlei Unzulänglichkeiten eh‘ keine Zeit. Auch hier fühl sich das Tier nicht wirklich wohl. Es versetzt, es rollt, es wankt – es ist einfach schwerfällig. Die Kohlefaser-Karosse macht den SV-R nicht wirklich leicht (1,6 Tonnen Leergewicht), dafür aber richtig teuer (133.400 Euro). Also stecken wir das Tier in den Käfig. Der Overall hängt wieder im Schrank. Als Erkenntnis bleibt: Das Tier ist zwar ob seines bärbeißigen V8 faszinierend, auch die Längsdynamik ist ein Erlebnis. Richtig schnell um’s Eck geht jedoch in erster Linie das Heck. Fahrwerk und Lenkung sind einfach nur weichgespült und indifferent. Der MG X-Power SV-R ist also nur was für absolute Freaks. Solche haben dieses Tier auch von der Leine gelassen – Briten eben.