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zuendung

23. November 2005

Der Tourbeau

Renault | 0 Kommentare

Nicht alles ist weich an ihm. Nur die Ledersportsitze. Und das Fahrwerk. Und die Gangschaltung. Der Motor kommt knüppelhart männlich daher. Ab 2000 Touren fliegt die Drehzahlnadel so schnell der Höchstdrehzahl entgegen, dass dabei die Michelins an der Vorderachse schmelzen. Der Gummiabrieb nähert sich bei dieser Fahrweise asymptotisch dem Benzinverbrauch an. Doch beim Drücken des […]

Nicht alles ist weich an ihm. Nur die Ledersportsitze. Und das Fahrwerk. Und die Gangschaltung. Der Motor kommt knüppelhart männlich daher. Ab 2000 Touren fliegt die Drehzahlnadel so schnell der Höchstdrehzahl entgegen, dass dabei die Michelins an der Vorderachse schmelzen. Der Gummiabrieb nähert sich bei dieser Fahrweise asymptotisch dem Benzinverbrauch an. Doch beim Drücken des Gaspedals schmerzt das den Fahrer kaum, denn der Mégane Sport legt sich wild schnaubend ins Zeug, dass es einem die Haare nach hinten kämmt. Bei 6000 Touren angekommen, gibt sich der französische Kompakte plötzlich zugenschnürt und nervt mit dem nun anstehenden zähen und unwilligen Gangwechsel.

So lassen wir das Schalten und fliegen im vierten Gang weiter. Der Turbomaschine scheint das nichts auszumachen, turbountypisch stemmt der aufgeladene Zweiliter bereits bei tiefen Drehzahlen genügend der 300 Newtonmeter. Die am Stammtisch wichtigere Zahl lautet 225. So viele französische Pferde werden im Optimalfall auf die Vorderräder losgelassen. In engen Kurven bläst der brutale Turboschub den Sport aber regelrecht an den äusseren Strassenrand. Eine Differenzialsperre würde helfen die Kraft im Zaum zu halten, wobei diese auch gegen Aufpreis und eine Flasche Rotwein nicht erhältlich ist. Traumhaft wäre hier natürlich der Allradantrieb, wie einst im 21 Quadra… (Einen anderen Traum erfüllt uns der Créateur d'Automobiles übrigens bereits im Frühling, wenn der heckgetriebene Clio V6 der neuen Generation präsentiert wird.)

Etwa gar nicht weich fühlt sich die Lenkung an, im Stil einer zentralistischen Regierung schmeisst der kleinste Lenkbefehl den Franzosen scharf und direkt in die Biegung. Das Fahrwerk macht mit, obwohl französisch weich, beginnt zu untersteuern – und quittiert Gasloslassen trotz ESP mit einem neckischen Heckschwenk. Erschrocken? Ein wenig schon, prahlt ein Mittelklässler doch selten mit solch sportlichen Talenten. Das ESP lässt grosszügige Schwenker zu, ganz zur Freude der Besatzung.

Spätestens beim Verzögern dürfte es ums Wohlbefinden der Besatzung jedoch geschehen sein, mit der Wucht der gesamten Fremdenlegion fallen die Zangen über die Bremsscheiben her. Auch wenn man gar nicht will, die Bremsen setzen beim leichtesten Druck zum eindrücklichen Vollstopp an, als ob dem Pedal nur die ein/aus-Funktion gegeben wäre. Feine Füsse sind also gefragt, um den Mégane passagier- und materialschonend zu bewegen.

Selbst bei Vollgas bleiben Motorsound und Turbinenpfeifen nur entfernt vernehmbar. Wer es gern lauter hätte, dem helfen die Tuningjungs bestimmt gern weiter. Wir finden aber, genau das Leisesein ist seine Tugend. Bei hohen Tempi auf der Autobahn spielt er seine wahren Trümpfe aus: Windgeräusche bleiben weg, das Fahrwerk lässt bequem Tieffliegen und die Ledersitze laden zum Verweilen. Den Gran Turismo-Charakter unterstreichen auch der lange sechste Gang (3000 Touren heissen 135 km/h), die straffe Lenkung und der serienmässige Tempomat.

Fazit:
Kraftentfaltung, Lenkung und Bremsen = Vive le sport!
Fahrwerk, Innenausstattung und Gesamtübersetzung = Voyager comme dieu en france!
Gangschaltung, Bremsdosierung und Traktion = Cher créateur, on adore le design!