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amadefries

24. Januar 2017

Die Micra-Revolution

Nissan | 0 Kommentare

Ich gebe es zu, beim Anblick der ersten Bilder war ich enttäuscht. Was hatte uns Nissan Design Vice President Nakamura in Genf da versprochen? Etwas Revolutionäres soll der Micra für Nissan sein. Selbst wenn wir da Marketingsprech subtrahieren waren das unglaublich ambitionierte Worte; zumal für einen Japaner. Auf den allerersten Pressebildern sah der neue Micra […]

Ich gebe es zu, beim Anblick der ersten Bilder war ich enttäuscht. Was hatte uns Nissan Design Vice President Nakamura in Genf da versprochen? Etwas Revolutionäres soll der Micra für Nissan sein. Selbst wenn wir da Marketingsprech subtrahieren waren das unglaublich ambitionierte Worte; zumal für einen Japaner. Auf den allerersten Pressebildern sah der neue Micra aber nicht wie eine Revolution, sondern schlicht wie eine Kopie aus. Von schräg vorne erinnerte er nicht nur ein bisschen an den Peugeot 208. Aber man soll ja nicht nur Menschen eine zweite Chance geben, auch neue Autos haben diese selbstredend verdient.

All new Nissan Micra

Und so staunte ich nicht schlecht, als der neue Nissan Micra am Flughafen von Dubrovnik zur Testfahrt bereit stand. Nein, Herr Nakamura hatte tatsächlich nicht zu viel versprochen. Dieser neue kleine Nissan hat gar nichts mit dem zu tun, was wir bis jetzt unter dem Namen Micra kannten. Die rundlichen Formen des glupschäugigen Vorgängers aus Thailand sind da schnell vergessen. Vor mir steht ein Auto, das sofort als Nissan, aber nicht sofort als Micra zu erkennen ist. Das neue Markengesicht kennen wir inzwischen.

All new Nissan Micra

Der Testwagen trägt neben der auffälligen orangen Lackierung eine schwarzgraue Beklebung, die ihn wohl sportlich wirken lassen soll. Dabei wäre das bei dieser Linienführung gar nicht nötig. Die enorm langen Scheinwerfer leuchten aggressiv in die Welt hinaus. Dagegen sind die Tagfahrlichtwinkel etwas gar mickrig ausgefallen. Hinten könnte es sein, dass Ford irgendwann die Rücklichter des Focus zurückverlangt. Aber wir sind jetzt mal nicht so. Denn vor allem die spannungsgeladene Flanke mit den herausmodellierten Radhäusern und dem gerade sehr modernen Trick der „unsichtbaren“ C-Säule verleihen dem Micra jene optische Präsenz, die er eigentlich schon lange gebraucht hätte.

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Bestimmt wünscht man sich für den Kleinen junge trendige Fahrerinnen, die sportlich sind und dauernd sympathisch lächeln wie in der Werbung. Dieses Mal könnte es aber tatsächlich funktionieren. Wie will man die besagte Zielgruppe ansprechen? Im Gespräch mit Marketingleiterin Claudia Meyer von Nissan Schweiz wollte ich genau das herausfinden.

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Bezüglich der Optik gibt sie sich sehr selbstsicher. Der neue dynamische Auftritt werde zweifellos junge Kundengenerationen ansprechen. Neben einer Lancierungskampagne im TV, Print und natürlich auch online, sind Events in Planung. Es wird noch nicht zu viel verraten, aber das Konzept der Kampagne sei auf jeden Fall auf die neue Kundengruppen ausgerichtet.

Und wie fährt sich nun der Micra 2017? Auf einigen kurvigen Berg- und Küstenstrassenkilometern rund um Dubrovnik konnte ich das zumindest ansatzweise herausfinden. Das Fahrerlebnis beginnt mit der Sitzposition. Die ist dank auch axial verstellbarem Lenkrad für Fahrer praktisch jeder Grösse sehr gut. Es geht weiter mit dem Lenkrad an sich, das wohl jenseits von Sportwagen das schönste seiner Art ist. Doch es überzeugt nicht nur formal, sondern auch mit seiner angedachten Funktion. Unter der Haube sitzt der Downsizingmotor von Renault. Aus dem 0,9-Liter Dreizylinder werden hier wie im Clio 90 PS geholt. Was nach wenig klingt, verleiht dem orangen Blitz auf den kroatischen Landstrassen Flügel. Fast jedenfalls.

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Es ist tatsächlich erstaunlich, wie viel Spass so wenig Leistung aus einem so kleinen Motörchen machen können. Der Turbo bringt das Drehmoment zur richtigen Zeit. Erst bei Autobahntempo geht ihm dann eher etwas die Luft aus, ein Zurückschalten in den Vierten kann nötig werden.

Wer lieber etwas hochschaltet und die Aussicht geniesst, wird sich über das selbsterklärende Navi und die gute Soundanlage von Bose freuen. Letztere verwöhnt den Fahrer mit Lautsprechern in der Kopfstütze. Das würde man bei einem so kleinen Auto ebensowenig erwarten wie die 360°-Kamera. Nie war einparken so leicht.

Doch wir sind zum Fahren hier und nicht zum Parkieren. Da zeigt sich dann auch, das eine Fahrwerksabstimmung der sportichen Art gewählt wurde. Passt bestens zum Äusseren des neuen Nissan Micra. Nur kurze Verwerfungen mag er nicht, ansonsten ist er trotz Sportsgeist durchaus auch komfortabel. Ein Radarsystem soll Kollisionen verhindern. Je nach Ausstattung ist zudem eine Spurverlassenswarnung mit an Bord, die mit Vibration und nervigem Ton zurück auf die richtige Bahn zu führen versucht. Zusätzlich wird über minime Bremseingriffe ein Zurücklenken in die Spur forciert. Von Letzterem habe ich aber nicht viel gespürt. Ein weiteres nützliches Sicherheitsfeature ist der Totwinkelwarner im Seitenspiegel.

All new Nissan Micra

Zudem wurde eine Art Junior Torque Vectoring versprochen. Es soll das Untersteuern möglichst unterbinden. Davon habe ich nicht viel bemerkt, allerdings war das Untersteuern auch nicht sonderlich stark spürbar. Entweder, das System funktioniert derart feinfühlig, oder ich war einfach ein wenig zu nett zum Micra. Tatsache ist, dass er sehr sicher durch Kurven fährt und sich jederzeit leicht beherrschen lässt, ohne dabei langweilig zu sein.

Bei aller Sportlichkeit frage ich mich nur, ob der Name dem neuen Micra nicht im Weg stehen wird. Claudia Meyer sieht das anders. Der Nissan Micra sei im Laufe seiner dreissigjährige Geschichte zur Ikone im Nissan Programm geworden. Klar habe er sich laufend weiterentwickelt, dabei aber seine eigene Identität und DNA beibehalten. Sein Name sei darum sein Kapital. Auch wenn ich das anders sehe, sehe für den neuen Nissan Micra gute Chancen. Das Paket stimmt und wer eine Probefahrt mit ihm macht, wird staunen, was aus dem Kleinwagen von einst für ein spannender Bewerber des B-Segmentes geworden ist. Einer, der es mit jedem gleich grossen Gegner aufnehmen kann.