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zuendung

27. Juni 2005

Bis ans Ende der Welt

Jaguar | 0 Kommentare

Selbst wenn man ein nicht sonderlich anglophiler Autofreak ist, übt ein Jaguar einen merkwürdigen Reiz aus. Auf einmal ist das technisch-unterkühlte Ambiente, dass beipielsweise einen Audi auszeichnet, passé. Statt dessen mutiert Dunkelgrün-Metallic, pardon Jaguar-green (nicht zu verwechslen mit racing green!) zur Lieblingsfarbe und innen muss es schon helles, knautschiges Leder nebst Walnußwurzelholz statt Alcantara mit […]

Selbst wenn man ein nicht sonderlich anglophiler Autofreak ist, übt ein Jaguar einen merkwürdigen Reiz aus. Auf einmal ist das technisch-unterkühlte Ambiente, dass beipielsweise einen Audi auszeichnet, passé. Statt dessen mutiert Dunkelgrün-Metallic, pardon Jaguar-green (nicht zu verwechslen mit racing green!) zur Lieblingsfarbe und innen muss es schon helles, knautschiges Leder nebst Walnußwurzelholz statt Alcantara mit Alu-Zierleisten sein. Dann der Dreh am sehr Ford-esken Zündschlüssel – und es nagelt.

An dieser Stelle sei bewusst die Floskel "shocking" vermieden. Erstens ist sie ausgelutscht und zweitens gibt es keinen Grund schockiert zu sein. Das Nageln ist nämlich so laut, als wenn ein älterer Brite bei einem Scotch hinter der vorgehaltenen Times mit einem feinen Seiden-Taschentuch im Mund nuschelnd gegen die EU wettert. Der Jaguar-Fahrer hört und spürt nahezu nichts vom V6-Biturbo-Diesel, der ab diesem Modelljahr unter gut der Hälfte aller verkauften XJ werkeln soll. Dafür haben sich die Briten neben dem ohnehin schon laufruhigen Motor noch elektronisch gesteuerte, aktive Motorlager einfallen lassen. Das Ergebnis: Selbst wenn sich der Fahrer dieser Tranquilizer-Limousine zu einem Kickdown hinreißen lässt, hebt der Engländer kaum die Stimme.

Nun stellt sich die obligatorische Frage, ob 207 PS reichen. Sie tun es. Schließlich wiegt der XJ dank Alu-Karosse nur gut 1,6 Tonnen und somit etwas weniger als der kleinere S-Type. Dort hat sich der Selbstzünder bereits seine Meriten verdient. Doch die 207 PS reichen nicht nur. Schließlich gibt's noch 435 Newtonmeter obendrauf. Man könnte nun problemlos mit 225 km/h über die Autobahn bügeln – man wird es jedoch nicht tun. Spätestens bei Tempo 180 tippt der Pilot den Tempomat an, fläzt sich lässig in den x-fach verstellbaren Sessel und zappt durch den CD-Wechsler der knackig klingenden Alpine-Soundanlage. Die PS und Newtonneter werden derweil von der äußerst distinguiert arbeitenden Sechsstufen-Automatik im Zaum gehalten. Gut erholt steigt man 800 Kilometer später aus und erobert im Handstreich neue Kolonien für das Empire.

Wer will, kann auch 19-Zöller ordern und bei feuchter oder staubiger Fahrbahn mit passablen Drifts protzen. Doch die serienmäßigen 18-Zoll-Räder harmonieren deutlich besser mit Lenkung und Fahrwerk – und 1.400 Euro bleiben im Geldbeutel. Dieser wurde zuvor um mindestens 61.100 Euro erleichtert. Dafür gibt es nun weniger offensichtliche Ford-Schalter in Interieur, einen immer noch nicht vernünftig nutzbaren Kofferraum und die eine oder andere Unpässlichkeit bei den Mitarbeitern der Qualitätskontrolle. Es hat ja auch niemand gesagt, dass ein Diesel einen Jaguar XJ billiger macht. Doch im Unterhalt dürfte sich der Selbstzünder schon bemerkbar machen. Jaguar gibt einen Mix-Verbauch von 8,1 Litern auf 100 Kilometer an – lassen wir es deren neun sein, das geht immer noch in Ordnung. Und die Mär von XJ12-Modellen der späten achtziger, die alle 300 Kilometer mittig in eine Tankstelle einfuhren, um die beiden Tanks links und rechts neu zu befüllen, ist passé. Trotzdem eine lustige Anekdote – selbst für nicht-anglophile Autofreaks.