Seite wählen

amadefries

10. September 2017

Geschüttelt und gerührt

Ford | 0 Kommentare

Was gibt es Schöneres, als an einem sonnigen Augusttag mit dem Cabrio auszufahren. Die Unkenrufe lassen nicht lange auf sich warten: Zu heiss, zu wenig Platz, Frisur im Eimer. Doch davon lassen wir uns natürlich nicht abhalten. Bereit steht nicht irgendein 08/15-Cabrio, sondern die volle Fünfliter-Dröhnung aus Amiland. Selbst in Schwarz hat der Mustang eine […]

Was gibt es Schöneres, als an einem sonnigen Augusttag mit dem Cabrio auszufahren. Die Unkenrufe lassen nicht lange auf sich warten: Zu heiss, zu wenig Platz, Frisur im Eimer. Doch davon lassen wir uns natürlich nicht abhalten. Bereit steht nicht irgendein 08/15-Cabrio, sondern die volle Fünfliter-Dröhnung aus Amiland. Selbst in Schwarz hat der Mustang eine Präsenz, mit der nur wenige Autos mithalten können. Und wenn wir dann noch den Preis in die Rechnung miteinbeziehen, steht das amerikanische Wildpferd schnell mal ganz alleine da. Und so steht es nun auch vor mir. Böser Blick, schwarzer Lack, grimmige Heckleuchtenschlitze. Optische Zurückhaltung ist seine Sache nicht.

rearoffen
Akustisch ist er auch nicht gerade von der leisen Sorte. Mit spürbaren Vibrationen erwacht der V8 unter der Powerdome-bewehrten Haube. Alles Andere wäre eine unschöne Überraschung, der Oldschoolklang und die Aufbaubewegungen gehören dazu wie das galoppierende Pferd im Grill. Zeitgeist ist, dass es nun auch im vor Pfützen warnenden Lichtkegel erscheint, wenn man die Türen öffnet. Und drinnen kann man die Farben der Innenbeleuchtung wählen. Ich hätte mir eher eine andere Aussenfarbe gewünscht, aber die kann auch der neueste Mustang noch nicht einfach so wechseln. Doch was soll’s auch im schwarzen Wildpferd macht es vor allem dann Spass, wenn der Wählhebel auf D steht.

interior

Richtig, ich sitze in der Automatikversion. Nicht die schlechteste Variante, um bei dieser Jahreszeit einfach nur zu cruisen. Aber geht auch die sportliche Gangart? Hinauf zum Michaelskreuz kann er zeigen, was er kann. Oder eben nicht. Zum einen ist die Strasse hier rauf schmal, zum anderen haben die Sitze so viel Seitenhalt wie die Strecke Leitplanken. Richtig geraten: Keinen. Oben angekommen bietet es sich an, endlich das Dach zu öffnen. Was bei anderen Cabrios längst während der Fahrt und vollautomatisch geht, ist hier ein uncooles Relikt aus der Vergangenheit. Der Mustang muss praktisch ganz stillstehen und zum Öffnen muss zuerst ein grosser Griff beim Innenspiegel gedreht werden, bevor das Verdeck dann doch noch elektrisch verschwindet. Doch damit ist der anachronistische Höhepunkt noch nicht erreicht. Um zwei unschöne Lücken abzudecken, die das geöffnete Dach seitlich entblösst, gibt es im Kofferraum zwei Kunststoffteile, die man in ebenjene Lücke einpassen könnte. Bevor wir uns weiter über diese sicher kostengünstige Lösung lustig machen, geht es weiter hinunter an den Vierwaldstättersee.

coververdeck

Ja, das ist nun wirklich das Terrain des offenen Mustang. Hier kann er auf seinen Drehmomentwellen dahinwogen und ab und zu etwas Lärm machen. Kinderaugen weiten sich, Daumen gehen nach oben, Ampeln laden zu spontanen Burnouts ein. Um mit rauchenden Gummis zu starten, braucht es übrigens nichts, ausser einen unsensiblen Gasfuss. Denn auch bei eingeschaltetem ESP reisst die Traktion relativ schnell ab. Wer es gepflegt qualmen lassen will, kann die sogenannte LineLock-Funktion aktivieren, die zum Aufwärmen der Pneus für Dragraces gedacht ist. Auf abgesperrten Strecken, versteht sich. Gerüchten zufolge lasse sich damit aber auch die Garageneinfahrt von Freunden verschönern. Wer das öfter tut, dürfte den Verbrauch kaum unter den Normwert von 12,8 Liter bringen. In unserem Test pendelte sich der V8-Durst bei 12 Litern ein.

frontschraeg

Doch zurück auf die Strasse, wo sich das Ross regelkonform zu verhalten hat. Was selbst auf den gut gepflegten Schweizer Strassen auffällt: Das Cabrio des Mustang verwindet sich wesentlich stärker als das Coupé. Auch wenn man es nicht hört, so fühlt es sich doch öfters so an, als fehlten dem Chassis ein paar Streben. Ein Gefühl, dass man von modernen offenen Autos praktisch gar nicht mehr kennt. Ähnlich verhält es sich mit der Lenkung, die mehr grobes Richtungstool denn Präzisionsinstrument ist. Andererseits sollte man auch an die Zielgruppe des Fahrzeugs denken. Wer nur den grossen Auftritt liebt, dem werden diese Eigenschaften egal sein. Wer die aktuelle Version des US-Klassikers schnell bewegen möchte, wird kaum zum Cabrio greifen. Insofern gilt Entwarnung unter Vorbehalt.

gummi

Vorbehaltlos empfehlen kann man dagegen die Audio-Anlage von Shaker. Der Sound ist richtig voll, selbst bei Autobahntempi und den entsprechenden Windgeräuschen. Der Klang des Motors ist ok, kann aber gegen richtig schön bollernde V8-Konkurrenten wie die 63er-Modelle aus dem Hause AMG nicht wirklich punkten. Um im Tunnel kurz vor Luzern den Verputz von den Wänden zu reissen, reicht es also nicht. Ordentlich Lärm macht er aber schon. Wer mehr will, müsste zum GT350 greifen, der nicht offiziell importiert wird. Noch besser (sprich: lauter) würde der GT350R klingen, doch ist der in der Schweiz nicht zulassungsfähig.

sideoffen

Zurück zum Testwagen: Es gibt kein Cabrio, das 420 muntere V8-PS zu einem besseren Preis bietet. Der hier getestete Mustang kostet nämlich faire 58’000 Franken. Aber, man muss einige Punkte in Kauf nehmen. Wer dazu bereit ist, erhält ein herrlich designtes Auto, das zwei Personen (und ihren zwei klein gewachsenen Freunden) genug Platz bietet. Ein Auto, das überall erkannt und vielerorts gemocht wird. Und an einem sonnigen Augusttag wie heute mag dann wirklich jeder damit eine Tour mit offenem Verdeck fahren.