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zuendung

11. Juni 2007

Hybrid-Hoffnung

Lexus | 0 Kommentare

Klimaschutz geht jeden etwas an, keine Frage. Dass derzeit die Automobil-Sau durch das Dorf getrieben wird, um auf ihr alle Klimasünden dieser Welt abzuladen, ist zwar argumentativ nicht haltbar, doch sei’s drum, testen wir eben mal einen Hybrid. Und da zuendung.ch – wie schon oft an anderer Stelle erwähnt – keine halben Sachen macht, nehmen […]

Klimaschutz geht jeden etwas an, keine Frage. Dass derzeit die Automobil-Sau durch das Dorf getrieben wird, um auf ihr alle Klimasünden dieser Welt abzuladen, ist zwar argumentativ nicht haltbar, doch sei’s drum, testen wir eben mal einen Hybrid. Und da zuendung.ch – wie schon oft an anderer Stelle erwähnt – keine halben Sachen macht, nehmen wir uns das mit 345 PS derzeit stärkste käufliche Hybrid-Modell zur Brust, den Lexus GS 450h.


Bleichgesicht: Den GS gibt es ab Werk in einem schönen weiß-metallic.

In Deutschland rühmt sich Toyotas schöne Tochter damit, beim GS einen Hybrid-Anteil von 70 Prozent. Kein Wunder, schließlich haben es die Japaner immer noch nicht fertig gebracht, einen großvolumigen Diesel zu entwickeln. Und so ein Hybrid lässt sich prima an die zahlreichen US-Kunden bringen, die den Diesel bekanntlich noch immer in die Schmuddel-Ecke stellen. Hierzulande können die Lexus-Händler durchschnittlich gerade einmal 70 GS pro Monat absetzen. Die Marke kommt auch nach 17 jähriger Marktpräsenz kaum über die 5000 Einheiten-Marke im Jahr hinaus. Der GS 450h liefert einige Erklärung dafür, warum dem so ist. Das fängt beim Preis an. Ab knapp 60.000 Euro geht es los, voll ausgestattet sind rund 75.000 Euro fällig. Die Konkurrenz von Audi, BMW und Mercedes mag ausstattungsbereinigt darüber liegen, diesen Unterschied spürt man jedoch auch.


Lippenbekenntnis: Wenn die Spoilerlippe Stabilität bringen soll, macht sie keinen guten Job.

Damit wäre man bei allen anderen Gründen. An der Verarbeitungsqualität freilich gibt es nichts auszusetzen. Die verwendeten Materialien lassen an einigen Stellen zu wünschen übrig. Das Holz sieht nach Plastik aus, das Plastik selbst ist teilweise hart und knarzig. Die Lederbezüge sehen irgendwie auch nach Kunststoff aus, doch es gab eine Zeit, da hat Mercedes auch dieses Kunststück geschafft. Einen vernünftige Sitzposition ist für mich nur schwer zu finden gewesen, da der Verstellbereich des Lenkrades zu gering ist. Der Sitzkomfort selbst geht in Ordnung, die vielfach verstell- und beheizbaren sowie belüfteten Sessel ist eigentlich prima, solange man keinen Seitenhalt sucht oder benötigt.


Suchspiel: Die versteckten Schalter laden zur kurzweiligen Unterhaltung ein.

Die Bedienung des mit allerlei elektronischen Helfern ausgerüsteten GS gestaltet sich da schon etwas schwieriger. Kann die per Touchscreen bedienbare Navi-, Klima- und Entertainmenteinheit noch alle I-Drive-Nörgler zufrieden stellen, werden sie jedoch daran verzweifeln, dass sich die Navigation nur bei stehendem Fahrzeug bedienen lässt. Dann folgt die Suche nach der nicht ganz unwichtigen Spiegelverstellung. Wenn man diese gefunden hat, bleibt einem zumindest peinliche Suche nach der Tankdeckelentriegelung erspart. Die braucht man übrigens öfter, als einen die landläufige Meinung über Hybrid-Autos suggeriert. Auf einer rund 1000 Kilometer langen Dienstreise hat zuendung.ch unerschrocken herausgefunden, das 345 PS gefüttert werden wollen, ob nun Hybrid oder nicht. Jedenfalls sind 20 oder auch einmal 23 Liter auf 100 Kilometer kein Problem. Den damit verbundenen Durchschnittstempi auf den Autobahnen steht dabei weniger die Verkehrsdichte im Weg als die Fahrwerksabstimmung. Nahezu rücksichtslos auf Komfort ausgelegt, wankt die Japan-Limousine ab 180 Km/h durch lang gezogene Kurven, als führe man auf einer durchgelegene Ikea-Matratze. Dem können auch die elektrisch verstellbaren Dämpfer kaum Abhilfe schaffen. Auch die Lenkung bietet im wahren Wortsinn keine Unterstützung. So wirklich komfortabel ist der GS dann aber auch nicht, zu sehr rumpelt es aus dem Bereich der Vorderachse, wenn kurze Querfugen überfahren werden.


Erzieher: Diese Anzeige im Blick, versucht man, so oft wie möglich nur mit Batteriekraft zu fahren.

Eigentlich schade, denn die Kraft des von einem Elektro-Aggregat unterstützten V6-Motors verblüfft. Die Werksangabe von 5,9 Sekunden für den Sprint von null auf 100 Km/h glaubt man dem GS sofort nach dem ersten Ausprobieren – für eine immerhin zwei Tonnen schwere Limousine mehr als respektabel. Gewöhnungsbedürftig ist dabei nur die durch das stufenlose Automatikgetriebe verursachte Geräuschkulisse. Laut wird der GS in keinem Fall, oben heraus höchsten etwas knurrig, nur mit diesem Eindruck vom Fahren mit schleifender Kupplung kann man sich eben schwer anfreunden. Man kann also mit einem Hybrid richtig schnell sein, zumindest geradeaus. Allerdings entwickelt man bald den Ehrgeiz, möglichst oft im reinen Elektrobetrieb unterwegs zu sein, was jedoch nur bis 30 Km/h funktioniert. Wenn man nahezu lautlos ins Flughafen-Parkhaus hereinsurrt und die ganzen Business-Menschen mit verdutzen Blicken zurücklässt, als sie gerade ihre Trolleys aus 530d, E320 CDI oder A6 3.0 TDI laden. Mehr als zwei solcher Gepäckstücke passen auch nicht in den Winz-Kofferraum des Lexus.


Ladehemmung: Der Kofferaum ist für ein Auto dieser Größenordnung ein schlechter Witz.

So angenehm und entspannend die Start-Stopp-Funktion oder das Stromern im Elektrobetrieb sein kann – nicht auszudenken, wie ruhig es wäre, wenn jedes Auto über die Technik verfügen würde – , mit einem der eben erwähnten Konkurrenz-Modelle erwirbt man zwar die weniger individuelle Alternative, kann aber auch mit einem Fahrzeug der oberen Mittelklasse in beinahe allen Fahrsituationen Spaß haben. Und da die CO2-Emission noch immer direkt mit dem Treibstoffverbrauch verknüpft ist, kann man mit einem dieser V6-Diesel die Klimaschutz-Debatte recht gelassen verfolgen.