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zuendung

17. August 2013

Jaguaaarrrh!

Jaguar | 0 Kommentare

Der Jaguar E-Type. Er darf in keinem Bericht über einen sportlichen Jaguar fehlen. Da macht der neue Jaguar F-Type natürlich erst recht keine Ausnahme, schliesst sein Name doch direkt an den automobilen Superstar der 1960er Jahre an. Doch wenn wir uns den Sportler aus England anschauen, gibt es da gar nicht so viele optische Parallelen […]

Der Jaguar E-Type. Er darf in keinem Bericht über einen sportlichen Jaguar fehlen. Da macht der neue Jaguar F-Type natürlich erst recht keine Ausnahme, schliesst sein Name doch direkt an den automobilen Superstar der 1960er Jahre an. Doch wenn wir uns den Sportler aus England anschauen, gibt es da gar nicht so viele optische Parallelen zu seinen Urahnen. Natürlich trägt er die roadstertypische lange Schnauze und dementsprechend ein kurzes Heck. Doch die Jaguar-Designer konnten ihre Finger vom verführerischen Retrodetails lassen, ohne dadurch etwas Langweiliges zu schaffen.

Der neue F-Type ist auch sonst nicht Retro, er ist ein moderner Sportwagen, der sogar über eine Eco-Taste verfügt. Sie schaltet die Start-/Stoppautomatik ein und zügelt das Temperament des Triebwerks. Unter der nach vorne kippbaren Haube arbeitet unter einer sehr unscheinbaren Plastikabdeckung eine gewaltige Soundmachine, die nebenbei auch noch 495 PS für den Vortrieb zur Verfügung stellt. Schon beim Drücken auf dem Startknopf macht sie durch augenblickliches Hochdrehen klar, um was es hier geht.

Anders als das Nobelcoupé XK ist der F-Type ganz klar als Sportwagen ausgelegt. Darum gibt es weder Rücksitze noch geräumigen Kofferraum (190 Liter). Dafür ist ein mächtiger Haltegriff für jene Person installiert, die auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen wagt. Immerhin ist das ein bequemer Platz, wenn wie im Testwagen die Performancesitze (für mindestens 2600 Franken) verbaut sind. Sie sind elektrisch einstellbar, wobei auch die Sitzbreite durch verstellbare Wangen variabel ausgelegt ist. Einzig die beiden Nähte, die ziemlich genau links und rechts der Wirbelsäule verlaufen, drücken auf Dauer zu sehr in den Rücken.

Normalerweise stammt der Druck im Roadster jedoch eher vom 625 Newtonmeter hohen Drehmomentberg, der auf die Hinterreifen losgelassen wird. 295er-Walzen sorgen dafür, dass nicht bloss Rauch entsteht. Weitere Hilfe steuert ein elektronisch geregeltes aktives Sperrdifferenzial bei. Über den Touchscreen in der Mittelkonsole kann zudem das Ansprechverhalten von Lenkung, Getriebe, Motor und Fahrwerk vorgewählt werden. Richtig geraten, wenn sich das Getriebeverhalten einstellen lässt, muss es sich um einen Automaten handeln. Tatsächlich sind sämtliche Varianten des F-Type mit dem 8-Gang-Wandlerautomatikgetriebe von ZF verblockt.

Wer einfach mal im Stand das Gaspedal voll durchdrückt und sich mit Wucht nach vorne schiessen lässt, wird schon nach wenigen Sekunden zugeben müssen, dass er oder sie mit selber schalten ganz bestimmt nicht schneller wäre. Will man doch eingreifen, stehen wie in anderen sportlichen Fahrzeugen Schaltpaddel zur Verfügung. Nur im F-Type sind sie aber in eine ziemlich seltsam wirkende kupferartige Farbe getaucht, die auch den Startknopf "verschönern" soll. Keine Ahnung, was sich die Innenraumdesigner bei dieser Farbwahl gedacht haben.

Ansonsten ist das Interieur formal aber sehr gelungen. Schlichte Formen, wenige Schalter, hochwertige Materialien passen allesamt zum sportlichen Anspruch. Das Lenkrad dürfte für meinen Geschmack noch einen Tick kleiner sein. Und ob die Luftausströmer oberhalb der Mittelkonsole wirklich mittels Elektromotörchen ausfahren müssen? Schliesslich hat man sich bei Jaguar vor allem zur Gewichtsreduktion der Aluminiumtechnik verschrieben. Trotzdem landet das Leergewicht bei schon fast adipösen 1887 kg, wobei man mit etwas Sonderausstattung locker über die 1,9 Tonnen kommen dürfte. Da helfen die Alu-Teile, aus denen die Karosserie abgesehen vom Kofferraumdeckel besteht, nun wirklich nicht mehr viel. Eindeutig: Der Jaguar F-Type ist zu schwer; für einen Sportwagen sowieso.

Und das bemerkt man auch beim Fahren. Obwohl sich Jaguar rühmt, dass man den Schwerpunkt des Fahrzeugs tief und zentral halten konnte, wird der Roadster nicht zum leichtfüssigen Sportler. Am Kurveneingang ist die Untersteuertendenz deutlich spürbar. Natürlich lässt sich das mit gefühlvollem Gasgeben noch in einen gepflegten Heckschwenk zum Kurvenausgang verwandeln, richtig schnell ist man so aber nicht unterwegs.

Doch was passiert, wenn man den F-Type nicht als Konkurrenten für den 911er, sondern als eine Art bewegliches Musclecar diesseits des Atlantiks versteht? Dann passt der bollernde Kompressor-V8 ebenso ins Bild, wie die eindrückliche Geradeaus-Performance. Nur bei einem Basispreis von 132'000 Franken dürften sich die Anhänger von US-Cars im falschen Roadmovie wähnen. Dafür erhält man dann aber ein Fahrwerk, dass selbst im Sportmodus für sehr anständigen Komfort sorgt. Für US-Strassen wären auch die 1,93 Meter Breite kein wirkliches Problem. Hier in der engen Schweiz muss man etwas vorsichtiger agieren. Immerhin ist das Cabrio mit 4,47 Meter angenehm kurz ausgefallen.

Kompakt, laut, schnell, bequem, schön – Der Jaguar F-Type setzt bei so vielen Kritierien ein Häkchen. Und doch: Es bleibt die Frage, für welche Klientel der angriffige Roadster gedacht ist. Dem typischen Katzenkäufer dürfte vor allem der akustische Auftritt zu krawallig, der Raum eher zu knapp und das Gesamtpaket etwas zu wenig understated sein. Ob sich die 911er-Gilde über den Kanal traut? Ich bin eher skeptisch. Eher sähe ich Aston- und Maserati-Pilotinnen, wie sie den Jag-Schlüssel selbstbewusst in die Hosentasche verschwinden lassen. Die dürften auch Freude an den nicht sonderlich praktischen Türgriffen haben, die selbsttätig aus- und wieder einfahren.

Aber vielleicht zeigen gerade solche Gadgets am besten, was der F-Type eigentlich sein will. Ein Fun-Car. Tatsächlich kann ich mir den Roadster gut als Drittauto in wohlbehüteten Zürichseegaragen vorstellen. Bei schönem Wetter bleiben der dröge Audi A6 und das klotzige G-Modell drin und der attraktive Spassmacher mit Frischluftgarantie darf raus. Für diese Rolle würde natürlich auch der sicher nicht langsam V6 (0 – 100 in 5,3 Sekunden) reichen. Der würde dann sicher auch etwas weniger konsumieren. Der Achtender brachte es im nicht gerade vorsichtig gefahrenen Test auf nicht ganz gesellschaftsfähige 12,5 Liter. Das sind allerdings nur 1,4 Liter mehr als die Werksangabe wie immer tiefstapelt. Dafür dürften die angegeben 4,3 Sekunden für den Sprint auf Tempo 100 schon der Wahrheit entsprechen. Und schon verfliegen die Gedanken an den V6 wieder, oder?

Vielleicht schrecken die 156'830 Franken dann wieder etwas mehr von der Topmotorisierung ab. Das ist der Preis, den Jaguar für den Testwagen aufruft, der natürlich mit einer Fülle an Extras ausstaffiert ist. Dabei würde ich vor allem die Performance Sitze, die grossartige Audioanlage und das Technologiepaket empfehlen (zusammen für 10'700 CHF). Ein Jaguar ist natürlich kein alleskönnendes Sonderangebot, wie man das von einem Nissan GT-R behaupten könnte. Dafür sorgt er mit seiner grossartigen Form jederzeit für einen standesgemässen Auftritt. Der Sound des V8 kann auf Dauer vielleicht etwas nerven, doch echte Autofans werden jedes Dezibel davon lieben. Die werden auch ein Auge zudrücken, wenn im Hauptdisplay gerade wieder einmal darauf hingewiesen wird, das Fussgängerschutzsystem sei ausgefallen. Oder wenn die Klappe der kleinen Ablage mittig hinter den Sitzen während der Fahrt wie von Geisterhand aufspringt. Vielleicht sind es auch diese kleinen Fehlerchen, die einen englischen Roadster erst perfekt machen.

Übrigens erkennt man den V8 an den vier Auspuffrohren, während die Sechszylinder zwei Rohre mittig unter dem knackigen Heck tragen. Also ganz wie damals beim E-Type, wo der V12 über zwei Trompeten mehr verfügte. Nur, damit wir den Übervater doch noch einmal erwähnt haben.