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zuendung

3. Januar 2011

Juke vs. Julier

Nissan | 0 Kommentare

Wer hätte im März 2009 gedacht, dass der Concept Car Nissan Qazana nur eineinhalb Jahre später als Juke unsere Strassen befahren würde? Aber die Führungsetage des japanischen Herstellers hat tatsächlich die Erlaubnis zum Bau dieses Kleinwagen-SUV mit Coupé-Genen gegeben. Von vorne betrachtet weiss man gar nicht recht, wo man nun hinschauen soll. In die runden, […]

Wer hätte im März 2009 gedacht, dass der Concept Car Nissan Qazana nur eineinhalb Jahre später als Juke unsere Strassen befahren würde? Aber die Führungsetage des japanischen Herstellers hat tatsächlich die Erlaubnis zum Bau dieses Kleinwagen-SUV mit Coupé-Genen gegeben. Von vorne betrachtet weiss man gar nicht recht, wo man nun hinschauen soll. In die runden, leicht nach innen versetzten Kulleraugen? Oder doch auf die in die Haube geritzten Sehschlitze? Letztere übernehmen nur das Standlicht, die "Augen" des Juke sind also rund. Das Auge des Betrachters jedoch wandert weiter nach hinten, findet versteckte hintere Türgriffe gleich hinter sehr kleinen Seitenscheiben. Ganz hinten blickt man auf einem Bumerang nicht unähnliche Rückleuchten und ein eher kümmerliches Auspuffendrohr.

Kümmerlich, denn hier steht die Topmotorisierung vor uns: Satte 190 PS schickt der 1.6 Liter Turbomotor an die Vorderräder. Die Vorderräder? Ja, unser Testfahrzeug verfügt nur über Zweiradantrieb. Die fast schon martialische SUV-Optik gaukelt das Offroad-Talent also bloss vor. Nur ein bisschen ungeschickt von mir, dass die Skiferien im Engadin nun schon gebucht sind. Normalerweise ist der auf dem Weg liegende Julierpass, der für das Oberengadin sowas wie die Lebensader darstellt, perfekt geräumt. Normalerweise. Als ich in Thusis die A14 verliess, wurde ich von einer schneebedeckten Fahrbahn empfangen, was sich bis auf weiteres nicht ändern sollte. Natürlich stand als Alternative das Umkehren und die Ausweichroute mit Autoverlad durch den Vereina-Tunnel zur Verfügung. Aber der Juke sollte ja getestet werden.

Bis zu diesem Zeitpunkt hätte ich mich nur über das etwa hoppelige Fahrverhalten beklagen können. Dazu ist das Getriebe weder sonderlich exakt, noch passen die Anschlüsse zwischen den Gängen. Und natürlich ist das Platzangebot hinten und im Kofferraum formbedingt nicht eben riesig. Aber das ist der kleine Nissan mit gerade einmal 413 Aussenlänge ja sowieso nicht. Wirklich gross sind dagegen die Aussenspiegel. Beim Zurücksetzen werde ich im Testwagen zusätzlich von der praktischen Rückfahrkamera unterstützt. Allgemein ist der Kleine gut im Futter, was das Multimediaangebot betrifft. Das Navi funktioniert und der MP3-Player im Telefon darf seine Musik in den Innenraum streamen. Schlüsselloser Zugang und Start sind in der Topausstattung Tekna ebenso mit dabei. So muss das heute funktionieren. Weniger gut funktioniert das Finden einer optimalen Sitzposition. Das hat vor allem mit dem nur in der Höhe einstellbaren Lenkrad zu tun. So ist man entweder den Pedalen zu nahe oder dem Lenker zu entfernt.

Nicht so ganz erschlossen hat sich mir die Eco-Anzeige, die sich in einem kleinen Screen unterhalb des Navigationsbildschirms einblenden lässt. Gibt man wenig Gas, kriegt man fünf Sterne dafür, bei viel Gas gibt es dementsprechend wenige davon. Doch man erhält keine Schaltempfehlungen, damit man den Motor im optimalen Drehzahlbereich halten könnte. So ist dieser Schirm für mich primär ein Showelement, dass es wie der "Motorradtank" zwischen den Frontsitzen von der Studie in die Serie geschafft hat. Nett und witzig anzuschauen, aber nicht mehr als das.

Reine Show wird dem Juke am Julier nicht viel bringen, denn nun ist Traktion gefragt. Nicht besonders viel davon stellen die Goodyear Winterreifen zur Verfügung, dennoch nehme ich die Herausforderung auf zunehmend glitschigem Untergrund gerne an. Am Strassenrand sieht man nun immer häufiger Fahrer von Fronttrieblern, die in der Eiseskälte Schneeketten aufziehen. Die deutschen X5 und die schnellen Audi-Modelle überholen den Juke, jeweils mit erstaunten Gesichtern der Fahrer. Der fahrende Darth-Vader-Helm schaut einfach zu sehr nach Allrad aus. Mit zunehmender Steilheit wird immer deutlicher, welche und vor allem wie viele Räder hier angetrieben werden. Wir schleppen uns von Kehre zu Kehre, das ESP regelt Leistung weg und doch langt's am Ende zum Erklimmen der
fast 2300 über Meer liegenden Passhöhe.

Trotz öfters mal durchdrehenden Rädern überstieg der Durchschnittsverbrauch nur knapp 7,6 Liter. Ein angemessener Verbrauch für die mehr als ausreichend vorhandene Leistung. Bestimmt liesse er sich mit Start-/Stoppautomatik und anderen Tricks noch erheblich senken. Doch diese kriegt man bei Nissan nicht für Geld und gute Worte. Ohnehin ist die Liste der aufpreispflichtigen Optionen kurz: Nur Metallic-Lackierung und beheizte Ledersitze können zusätzlich geordert werden. Damit kann der Grundpreis von 31'500 auf genau 33'000 Franken angehoben werden.

Ein Preis, der duchaus in Ordnung geht. Schliesslich ist wie gesagt eine umfassende Ausstattung mit dabei. Der Motor kann indes nur bei hohen Tourenzahlen mit seiner Leistung glänzen. Im Alltag ist von der Fusion von Sportwagen und SUV (Pressetext) wenig sportliches zu vernehmen. Die Frontantriebsvariante ist für die Schweiz wenig empfehlenswert, da unserer Winter doch ab und zu für verschneite Strassen sorgen. Daneben ist Nissan mit dem Juke aber ein äusserst mutiges Wägelchen gelungen, das auch in der kalten Jahreszeit mit einem gewagten individualistischen Design erwärmt. Der aktuell konkurrenzlose Kleinwagen-SUV wird ganz bestimmt seine Freunde finden. Und wir werden in Genf ganz genau hinschauen, wenn Nissan dort wieder eine unglaublich schräge Studie präsentiert…

Besten Dank an Nissan Schweiz für die winterliche Testfahrt.