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zuendung

18. November 2014

Luxemburg? Ein Katzensprung

Jaguar | 0 Kommentare

Yep, da ist “nur“ ein Sechszylinder unter der Haube. Aber was für eine Haube! Das F-Type Coupé schaut sogar noch schöner aus als sein schon sehr hübscher dachloser Verwandter. Doch was zeichnet den dunkelgrauen Testwagen abgesehen von seiner unzweifelhaften Ästhetik aus? Ein Trip ins erstaunlich unferne Luxembourg soll Klarheit schaffen. Den Tank bis zum Rand […]

Yep, da ist “nur“ ein Sechszylinder unter der Haube. Aber was für eine Haube! Das F-Type Coupé schaut sogar noch schöner aus als sein schon sehr hübscher dachloser Verwandter. Doch was zeichnet den dunkelgrauen Testwagen abgesehen von seiner unzweifelhaften Ästhetik aus?

Ein Trip ins erstaunlich unferne Luxembourg soll Klarheit schaffen. Den Tank bis zum Rand gefüllt sollte es bei nicht übertrieben sportlicher Fahrweise locker dorthin langen, wo der Sprit schon fast verboten günstig ist. Der Normwert liegt bei 9,1 Liter, die Distanz beträgt 488 Kilometer und der Tank fasst 70 Liter. Die Rechung ist gemacht, das Navi programmiert. Also auf den Performance-Sitzen Platz nehmen und mutig den Startknopf drücken. Ja, ein bisschen Mut braucht es schon, je eine Prise Selbstdarstellertum und Machismo machen es noch leichter. Der F-Type startet auch als Sechszylinder überaus geräuschvoll. Während der Tourenzähler etwas gar angeberisch bis hinauf zur 8 auf der Skala schnellt, dreht der Motor wohl auf gute 4500 Touren hoch. Locker genug, um die Nachbarschaft zur Bildung einer allmorgendlichen Akustikbürgerwehr zu motivieren.

Doch nun geht es nicht in die Nachbarschaft, sondern hinauf zu den vielleicht europäischsten aller Europäern. Noch innerhalb der Schweizer Grenzen stelle ich fest, dass es mit dem Schluckvermögen des adaptiven Fahrwerks nicht sehr weit her ist. Und unsere Strassen sind nicht gerade dafür bekannt, speziell schlaglochübersät zu sein. Auf der französischen Autobahn angekommen, fehlt dann vor allem ein adaptiver Tempomat für das möglichst entspannte Reisen. Gut dagegen: Die Lenkung ist wie bei Jaguar üblich feinnervig und leichtgängig. Trotz 255er-Bereifung ist der Geradeauslauf tadellos. Tadellos benimmt sich bei lockerem Autobahntempo natürlich auch die 8-Gang-Automatik von ZF, höchstens beim Überholen von Lastwagen werden überhaupt je tiefere Fahrstufen bemüht.

Als bemühend stellt sich das Design der Performance-Sitze heraus. Klar, sie sehen super aus, bequem sind sie aber nur auf kurzen Strecken. Denn der schöne Zierstreifen in der Mitte der Lehne drückt auf die Wirbelsäule. Nach fünf Stunden Fahrt steigt man dann mit schmerzverzerrtem Gesicht aus. Immerhin hat mich die in die Jahre gekommene Navieinheit zielsicher dorthin gebracht, wo sich mein Rücken erholen kann: Zum Hotelbett. Nach einer erholsamen Nacht und einem Frühstück mit Sicht auf die Luxemburger Altstadt wird F-Type wieder aus der Tiefgarage geholt. Die Strassen sind ähnlich gepflegt wie in der Schweiz. Auch der Wagenpark gleicht dem unseren. Unser Jaguar ist im Grossherzogtum aber alleine. Trotz der schlichten fast schwarzen Lackierung fällt der Zweitürer auf. Die lange Haube mit dem formschönen Grill vermag zu gefallen. Das Highlight ist aber auf jeden Fall das Heck des Coupés. Herrlich wie sich die Dachpartie verjüngt und so die schwungvoll gerundeten Kotflügel zusätzlich betont. Die geschlitzten Heckleuchten zeigen mit der halbrunden Ausbuchtung nach unten ein Merkmal, dass wir in abgewandelter Form bei der kleinen Limousine XE sehen werden. Die Seitenansicht wird geprägt durch metallumrandete Seitenfenster und perfekte Proportionen. Da kann kein Porsche mithalten.

Mithalten kann dagegen die Luxemburgische Küche mit jener in der Schweiz, zumindest was die Gourmettempel angeht. Im Ausgangsquartier findet sich zum Beispiel das noble Le Sud, das mit einer eleganten aber nicht überkandidelten Küche zu überzeugen vermag. Auch das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt, der Degustations-Fünfgänger kostet 78 Euro. Jetzt könnte man natürlich ausrechnen, wie viele solche Schlemmerabende man sich für einen F-Type in der hier gefahrenen Version leisten könnte. Genau 141’780 Franken möchte Jaguar für ihn haben. Der Grundpreis läge bei 102’700 Franken. Er hat jedoch in diesem Segment nur symbolische Bedeutung. Wer möchte schon ohne DAB sein? Oder ohne schöne 20-Zöller mit Hochleistungsreifen? Allenfalls würde man auf die beleuchteten Einstiegsleisten verzichten. Doch auf die läppischen 400 Franks kommt’s dann auch nicht mehr an. Wenn man bedenkt, dass ein „nackter“ Porsche 911 bereits 121 violette Scheine verschlingt, mag das den Preis des Engländers relativieren.

Eine Fahrt an die malerische Weinstrasse soll zeigen, wie nahe der Neuling dem Klassiker kommt. Es zeigt sich schnell: Nicht so nahe. Sicher, die Lenkung arbeitet auch auf den kurvigen Landstrassen in den Hügeln um Luxemburg genau und gefühlsecht. Doch das Gewicht des Briten wiegt schwer. Obwohl viel Aluminium verarbeitet wurde, kommt der Sportler auf ein Leergewicht von 1853 kg, also 350 kg mehr als der Urmeter aus Deutschland. Die 8-Gang-Automatik ist zwar bemüht, stets die richtige Fahrstufe bereitzustellen, lässt aber die ultimative Direktheit vermissen. Mit 380 PS ist der F-Type in der S-Version sicher ausreichend motorisiert, eine Rakete ist er damit aber sicher nicht. Natürlich kann man damit sportlich fahren, wozu auch das knackige Fahrwerk durchaus zu motivieren versucht. Nun passt auch der sonore Sechszylindersound aus den mittig angeordneten Ofenrohren. Selbst das leicht pubertäre Knallen beim Gaslupfen wirkt jetzt nicht mehr deplatziert. Und als die Kurven entlang der Mosel länger und offener werden, beginnt die Fahrt richtig Spass zu machen.

Nachdem die Sonne über den Weinbergen an den Moselflanken untergegangen ist, lockt das Restaurant Mathes in Ahn mit verführerischen Menüs. Zum ersten Mal versuche ich Seeohren, die als Ormeaux Sauvage irgendwie appetitlicher klingen. Leicht zäh aber mit warmem buttrigen Geschmack passen sie gut zum abkühlenden Jaguar. Denn auch er ist nicht für jedermann. Will er gar nicht sein. Auch wenn er immer und immer wieder mit anderen Sportwagen verglichen werden wird, so erhält er seine Berechtigung alleine aufgrund seines ganz eigenen britischen Rezepts. Zuoberst steht da ganz bestimmt die hinreissende Form. Kein einziger Betrachter konnte an der Erscheinung etwas Negatives finden. Dazu kommt der raue Charme des fauchenden Sechszylinders, der mit 380 PS gegenüber der Basis 40 Pferde mehr aus dem Kompressor-V6 holt. So motorisiert macht der Jaguar F-Type S viel Spass. Allerdings kann er sein Gewicht nicht verheimlichen. Beim Komfort gibt es durch das etwas zu harte Fahrwerk und die unbequemen Performance-Sitze Abstriche, vor allem auf Langstrecken. Die Reichweite ist dank eines Testverbrauchs von 9,9 L locker ausreichend, um einen Trip nach Luxemburg zu unternehmen. Wer ausstattungstechnisch ein ähnlicher Feinschmecker ist, wie ich auf diesem Ausflug, der landet schnell in der Region gegen 150’000 Franken. Wer die ideale Ergänzung zu seinem Range Rover sucht, macht mit dem F-Type Coupé sicher nichts falsch. Ich persönlich würde aber zum Cabrio greifen.