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13. August 2014

Schneller Stromer

Tesla | 0 Kommentare

Schneller Stromer Wenn man seit 1997 schon einige Elektro-Autos gefahren ist, auch über längere Zeit (4 Jahre, resp. 24‘000 Km), wenn man auch Forschungsautos und Prototypen hat fahren oder beifahren dürfen, dann glaubt man, (fast) alles zu wissen und denkt, nicht mehr staunen zu können. Falsch gedacht: Man fahre das Model S von Tesla und […]

Schneller Stromer

Wenn man seit 1997 schon einige Elektro-Autos gefahren ist, auch über längere Zeit (4 Jahre, resp. 24‘000 Km), wenn man auch Forschungsautos und Prototypen hat fahren oder beifahren dürfen, dann glaubt man, (fast) alles zu wissen und denkt, nicht mehr staunen zu können. Falsch gedacht: Man fahre das Model S von Tesla und siehe da: Man staunt.

Der 1998 gekaufte Peugeot 106 Electric, 20 kW-Motor mit 127 Nm Drehmoment, 70 Km Reichweite und 90 Km/h Höchstgeschwindigkeit, war, verglichen mit dem, was 10, 12 Jahre später grosse Autokonzerne nach milliardenteuren Investitionen und entsprechender Forschung endlich anbieten konnten, gar nicht soo schlecht und seiner Zeit sogar voraus. An den Listenpreis von damals 40‘500 Franken, bezahlten im Rahmen des Mendrisio-Projektes des Bundes bezahlten Bund, Kanton und Gemeinde so viel dran, dass der Electric nur noch rund 5‘000 Franken teurer war als der Benziner.
Auch bei den neuen Elektrofahrzeugen sind, trotz viel Technikfortschritt, die Preise aber hoch und die Reichweite gering. Versprochen wird zwar viel, mit der Realität muss man dann aber selber leben. Braucht der Verbrenner einen oder zwei Liter mehr auf 100 Km, als im Prospekt steht, dann kostet das halt ein paar Batzen mehr. Braucht das Elektroauto aber ein paar kWh mehr, bleibt man, weil alles so knapp ausgelegt ist, unter Umständen am dümmsten Ort und zur dümmsten Zeit stehen. Und der Reservekanister nützt einem da gar nichts.

Nun, von A wie Audi bis Z wie, äh, Zastava, Zaz?, werden für deren Elektroautos Reichweiten von 130, 150, 160, ja sogar 190 und mehr Kilometer versprochen. Aber nur, wenn’s geradeaus geht, die Sonne scheint, man nicht mehr als 80 Km/h fährt, nur sanft „Gas“ gibt, … sonst ist’s weniger.
Die Preise sind jetzt zwar gegenüber vor ein paar Jahren günstiger geworden, dafür die Reichweitenversprechen noch grösser. Noch kann aber niemand garantieren, dass ich die 130 Km zum Flughafen und zurück schaffe, wenn es Nacht ist, regnet, kalt ist, Stau hat, man einen Umweg machen muss wegen eines Unfalls …

*Dann kam Tesla …*
…und alles war ganz anders.
Die ersten Tesla, auf einem kleinen Lotus basierende Roadster, waren zwar teuer, aber sie erreichten fabelhafte Reichweiten von 300 und noch viel mehr Kilometer. Nur der Nutzwert war noch gering. Das sollte sich ändern mit dem lange angekündigten 4-Türer, einer Limousine, von der keiner mehr sagen können sollte, er würde ja gerne, aber das könne er nicht brauchen, weil … Familie, Kofferraum, Reichweite, Fahrleistungen…
Nein, denn jetzt gibt’s das Model S.

16 Jahre nach dem Kauf des ersten Elektroautos war nun auch mir vergönnt, das zurzeit stärkste und effizienteste Elektroauto, das seit nun 2 Jahren gebaut wird, fahren zu dürfen. Und wenn man sich dem Tesla Model S mit der typischen Überheblichkeit des alleswissenden Motorjournalisten nähert, ist das Staunen wohl noch grösser als das des Normalbürgers.

Steh- und Fahrbericht
Recht imposant steht er da, mit seinen knapp 5 Metern Länge (4.97m), einer Breite von 2.19m / 1.97m mit aus- und mit eingeklappten Spiegeln und einer Höhe von knapp 1.45m. Der Radstand beträgt knapp 3 Meter (2.96m).

Dass so ein Auto nicht zwangsläufig langweilig oder klotzartig aussehen muss, lässt einen erfreut nicken. Das Design erinnert denn auch irgendwie immer an grosse Sportlimousinen aus England oder Italien.
Die Grösse des Model S schlägt sich dann halt im Gewicht nieder: Trotz Leichtbau-Aluminiumkarosserie wiegt der Tesla leer 2.1 Tonnen, wobei die Gewichtsverteilung mit 48 zu 52% recht ausgewogen ist.

«Die Batterie» im herkömmlichen Sinn gibt es im Model S nicht. Es sind – wenn schon – über 8‘000 Batterien, Lithium-Ionen-Akkus, wie sie in Laptops verwendet werden. Diese treiben einen «vierpoligen Dreiphasenwechselstrom-Induktionsmotor mit Kupferläufer» an.

Drei Varianten bietet Tesla an:

  • 60 kWh, was eine Reichweite von 390 Km ergibt und eine Höchstgeschwindigkeit von 190 Km/h. Die maximale Leistung beträgt 285 kW (387 PS) ohne Berücksichtigung der Batterie (Messmethode ECE R85) oder 225 kW (306 PS) mit Berücksichtigung der Batterie. Das ab Tourenzahl 0 zur Verfügung stehende Drehmoment von 440 Nm ermöglicht einen Spurt von 0 auf 100 in 6.2 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 190 Km/h. Nicht schlecht für ein 2.1 Tonnen wiegendes Auto.

Mit Basisausstattung und in Schwarz kostet dieser Typ ab 71‘900 Franken.

  • 80 kWh: Ermöglicht eine Reichweite von 502 Km und 200 Km/h Spitze. Die Motorleistungsdaten sind dieselben wie bei der 60 kWh-Variante. Auch dank besserer Ausstattung ist man hier ab 81‘700 Franken dabei.

 

  • 80kWh Performance: Wem das bisher alles zu wenig war, postet sich die Performance-Version. Die 350 / 310 kW (476 / 421 PS) je nach Messmethode katapultieren diese Version, die 600 Nm Drehmoment bietet, in 4.4 Sekunden auf 100 Km/h. Spitze 210 Km/h. Für die verlangten 95‘200 Franken geht aber wohl kaum eine Performance-Version «über den Ladentisch».

Denn natürlich gibt es auch beim Model S, wie üblich bei vielen Autotypen, eine Vielzahl an Individualisierungsmöglichkeiten, vom Performance-Paket für 6‘500 Franken, über ein Technikpaket für 3800, Parksensoren für 500, Nebelscheinwerfer (500), oder zwei rückwärts gerichtete Kindersitze für 2‘500 Franken noch viel Anderes.
Unser gut, aber nicht voll ausgestatteter Performance-S kostete um die 110‘000 Franken.

Dass das Model S alle modernen und wichtigen Sicherheitsausstattungen eingebaut hat, versteht sich von selbst. Fast gänzlich abwesend sind aber alle die neu aufgekommenen Sicherheits- und Komfort-Assistenten, wie Lane-Keeping, Abstandsradar /-tempomat, Licht, automatische Notbremsung (City Brake), Parkierhilfen, usf..
Den genauen Grund haben wir nicht erfahren. Das Fehlen dieser Assistenten könnte aber seinen Grund darin haben, dass das Model S schon seit über 2 Jahren gebaut wird und bei dessen Entwicklung die Wichtigkeit der heute überall üblichen Assistenten keine Priorität hatte.

Der Zündschlüssel ist Geschichte. In der Hand hält man ein wie ein kleines Modellauto geformtes und einem «Feelstone» nachempfundenes Kästchen. Je nachdem, wo man draufdrückt, geht die vordere Haube auf (dort wo andere Autos ihren Motor haben, stellt das Model S einen beachtlich tiefen 150 Liter-Raum für Gepäck zur Verfügung), fahren die versenkten Türgriffe aus oder der hintere Kofferdeckel geht auf. Dort hinten gibt‘s noch einmal 745 Liter Kofferraum, total also 894 Liter. Mit abgelegten Sitzen erreicht das Koffervolumen gar 1‘645 Liter.

Nehmen wir also Platz auf den 12-fach elektrisch verstellbaren Sitzen und fühlen uns sofort wohl. Nicht zu eng, nicht zu weich, weder zu kurz noch zu lang. Einen Start-/Stopknopf gibt’s nicht, ebenso fehlt ein Schalthebel. Der Tesla hat ein 1-Ganggetriebe mit festem Übersetzungsverhältnis (9,73:1). Heja, ein Flugzeug hat auch keine Gänge.

Stellen andere Hersteller Displays von 4 oder 5 Zoll Diagonale zur Verfügung, wenn’s hoch kommt 7“, hat das Model S einen Touchscreen von 17 Zoll. Boah ey, sozusagen ein aufgestellter Laptop. Die ganze Grösse kann z.B. für die Navigation verwendet werden, inkl. Google-Verkehrsinfos oder zum Einstellen der Fahrgestellhärte, der Lüftung, Klimatisation, … für Unterhaltung, Kommunikation, Innenraum und Fahrzeug. Einfach für alles, wofür andere Autos gefühlte Hundert Knöpfe brauchen. Nun, wir haben nicht gleich alles gelernt, dafür stand zu wenig Zeit zur Verfügung.

Es geht los
Einsteigen, auf die Bremse treten und den Wählhebel am Lenkrad (Aha! Hat also doch einen Schalthebel!) auf D stellen und das Auto ist fahrbereit. Als Varianten stehen noch R für Rückwärts zur Verfügung, sowie ein P für die Parkposition. Fertig. Fast wie beim DAF selig.

Mit ganz wenig «Gas» setzt sich der Tesla Model S Performance auf dem Kiesweg knirschend sanft in Bewegung. Die Bremsen lassen sich auch bei langsamer Fahrt gut dosieren. Auf der Hauptstrasse lassen wir die Pferdchen dann fliegen. Auch wenn man sich einen ebenfalls über 350 PS starken Hybriden gewohnt ist, ist die Beschleunigung des S Performance eindrücklich.
Der Sales Advisor auf dem Beifahrersitz gibt Tipps, beantwortet Fragen und ist wohl froh, dass man den sportlichen Elektriker auf der wenig befahrenen und gut ausgebauten Passstrasse nicht zu sehr in den roten Bereich treibt.

Natürlich fehlt das Grollen eines V8 oder 12-Zylinders, aber so leise ist ein Elektroauto im Innenraum auch wieder nicht. Der Wind und die Reifen machen so viel Lärm wie in einem konventionellen Auto, bei dem man ab 35 oder 40 Km/h auch nur noch die Reifen hört und nicht den Motor. Das gilt natürlich für alle Autos.
Eindrücklich ist, dass man mit diesem grossen und komfortablen Auto nun effektiv über 400 Km weit fahren kann (Unser Teslamann sagte, er fahre eigentlich immer 440 Km). Da stellt sich dann schon die Frage, warum Tesla kann, was all die etablierten Autokonzerne, die bereits seit Jahren / Jahrzehnten am Forschen sind, offenbar nicht können, weil auch die modernsten Elektroautos nur maximal 200 Km weit kommen mit einer Ladung.

Stichwort Ladung: Da gibt es bei Tesla eine Vielzahl von Möglichkeiten, z.B. das Bordladegerät mit 11 kW Leistung. Tesla empfiehlt für das Aufladen zuhause die Installation einer CEE16A/400V-Steckdose oder auch einen 32A-Anschluss. Am besten lädt man den Tesla an einer Schnellladestation auf (in 20 Minuten 50% Ladung). Das Problem dürfte dabei sein – da spricht die Erfahrung aus 24‘000 km Elektroauto – dass die nie dort sind, wo man sie grad brauchen könnte.

Verbrauch: Der Prospekt nennt für alle drei Versionen 18.1 kWh auf 100 Km. Das dürfte im Idealfall zutreffen. Als eigenen Erfahrungswert nennt uns der Teslamann 20 kWh. Im Internet werden Verbräuche von 22 bis 23 kWh genannt, wobei auch das für so ein grosses und starkes Auto gute Werte sind. Unser kleiner Peugeot 106 Electric hat damals auch so viel verbraucht. Auch im schlechtesten Fall kosten 100 Tesla-Km also keine 5 Franken Energie. Das schafft wohl kein anderes Über-400-PS-Auto.

Wie sieht’s mit Garantie aus? Die Neuwagengarantie beträgt 4 Jahre oder 80‘000 Km, was zuerst erreicht ist. Die Batterie geniesst 8 Jahre Garantie, die 85 kWh-Variante ohne Km-Beschränkung, die 65 kWh-Variante für maximal 200‘000 Km. Selbst unsachgemässe Behandlung, auch Brand, auch wenn er vom Fahrer selbst verursacht wurde, sind von der Batteriegarantie gedeckt.

Service: Regelmässige kostenfreie Software-Updates garantieren, dass das Model S nach dem Kauf auf dem neusten Stand bleibt. Ein 4-Jahres-Servicepaket (max. 80‘000 Km) kostet 1‘850 Franken, alles inklusive, ausser Reifen. Das Fahrzeug wird zuhause geholt und wieder gebracht. Alternativ kostet ein einzelner Service (auch nach diesen 4 Jahren) immer 600 Franken, inkl. Verschleissteile, ohne Reifen.

Einsparung: Bei 20‘000 Jahres-Km spart man allein an Treibstoff rund 2‘500 Franken gegenüber einem Benziner oder Diesel und bei Unterhalt wohl auch noch einmal mehrere Hundert Franken.

Fazit
Das Auto bietet Platz für 4 bis 5 Personen, bietet auch Gepäckraum für alle Insassen, man fährt mit einer Ladung um die 400 Km, es sieht gut aus, fährt mit 0 Gramm CO2, ist im Verbrauch wesentlich sparsamer als ein konventionelles Auto vergleichbarer Grösse, ist auch günstiger im Unterhalt, kostet in der Anschaffung aber nur in etwa das, was ein vergleichbares Premiumauto auch kostet.

Tesla hat in der Schweiz in den ersten 7 Monaten bereits wieder 300 Model S verkauft. Weltweit sollen in 2014 rund 35‘000 Model S abgesetzt werden. Aktuell bestehen Lieferfristen von einigen Monaten.

Da muss man sich doch wirklich überlegen, hmmm, ob man nicht doch …

Heiny Volkart, VOLKARTpress

PS: Etwas sei jetzt aber doch auch noch erwähnt. Wer einen Tesla anschafft, will ja auch etwas für die Umwelt tun, will CO2-frei fahren.

Bekanntlich müssen Autoimporteure für Autos mit CO2-Ausstoss über 130 g/km happige Strafsteuern bezahlen. Zwar können verbrauchsgünstige Autos gepoolt werden mit CO2-Schleudern, vorwiegend grosse und/oder starke Autos. Wer da an Grenzen gelangt, über denen es dann viel Geld kostet (ein Ferrari kann locker 14‘000 Franken teurer werden nur wegen dieses CO2-Strafsteuer), werden die Leute erfinderisch. So soll Tesla für teures Geld CO2-Zertifikate verkaufen. Ein Tesla stösst ja 0 g CO2 aus, ein Sportwagen einer andern Marke zum Beispiel 260 g. Mit einem Zertifikat von Tesla macht das dann je 130 g, womit auch der Sportwagen keine Strafsteuer kostet. Tesla erhält z.B. 4000 Franken für so ein Zertifikat und die andere Firma spart 10‘000 Franken Strafsteuern.

Nur, der Tesla-Fahrer muss sich dann sagen lassen, dass sein Auto jetzt nicht mehr CO2-frei umherfährt, sondern mit 130 g CO2 pro km, was er beim Kauf sich wohl nicht so vorgestellt hat.
Die Geschichte ist (noch) nicht gesichert, aber trotzdem eine Überlegung wert. Es ist aber etwas dran, denn einzelne Autoimporteure sollen bestätigt haben, dass sie mit Tesla über solchen CO2-Zertifikatkäufe am Verhandeln seien.

HV