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zuendung

4. Januar 2006

Some things never change

Alfa Romeo | 0 Kommentare

Beginnen wir mit allgemeinem Wehklagen: Wieder kein Alfa mit Heckantrieb. Wieder ein Alfa aus einem Konzernbaukasten. Und wieder ein … kein … äh … Alfa … punkt. Hier verstummt das Jammern abrupt, denn es fällt auf, dass den Alfas der jüngeren Zeit nur der Frontantrieb und die Motoren auf Fiat-Basis vorzuwerfen waren. Zugegeben, dass sind […]

Beginnen wir mit allgemeinem Wehklagen: Wieder kein Alfa mit Heckantrieb. Wieder ein Alfa aus einem Konzernbaukasten. Und wieder ein … kein … äh … Alfa … punkt. Hier verstummt das Jammern abrupt, denn es fällt auf, dass den Alfas der jüngeren Zeit nur der Frontantrieb und die Motoren auf Fiat-Basis vorzuwerfen waren. Zugegeben, dass sind äußerst prägnante Elemente eines Autos. Alles was sonst an einem Alfa prägnant war, wollten selbst die härtesten Alfisti im tiefen Schwarz eines guten Espresso versinken sehen. Beispielsweise die miese Verarbeitung, die spastische Sitzposition und die mangelnde Zuverlässigkeit. Und jedes Mal sollte es ein neuer Alfa besser machen.

Bissig: Die Front ist sicher seine Schokoladenseite

Jetzt ist der 159 an der Reihe. Selbst die engagiertesten Nörgler werden der Limousine eines nicht vorwerfen können: Mangelnde Eigenständigkeit. Auch wenn sich die Linie nicht bedeutend vom gelungenen Vorgänger 156 abheben kann – die Frontpartie mit diesem manisch-irren Blick aus den sechs Einzel-Leuchten zwingt die Fangemeinde dazu, jeden Morgen den Gebetsteppich in Richtung Turin, der Heimat von Giorgietto Giuigaro, auszurollen. Dem Altmeister gelang es, zusammen mit dem Centro Stile Alfa, dem 159 einige Muskeln ins Blech zu striegeln. Trotz der stattlichen Ausmaße (Länge plus 22,5, Breite plus 8,5 Zentimeter) wirkt der neue nicht wie ein 156, dem man an der Tankstelle statt der Reifen versehentlich die Karosse aufgepumpt hat.

Massig: Der Alfa 159 hat nicht nur in der Breite zugelegt

Fett geworden ist er trotzdem. Leergewicht des Testwagens: 1705 Kilogramm. Zu den Folgen komme ich später. Nachdem ich mich nun (vorläufig) am Exterieur satt gesehen habe, nehme ich in der Hoffnung auf weitere Höhepunkte zeitgenössischen Automobildesigns auf dem Lederbezogenen Sportsitz Platz – nicht ohne bemerkt zu haben, dass das Alfa-Logo immer noch nicht seinen Weg zurück in die Rückenlehne gefunden hat. Umso mehr erfreut es mich, dass ich mein germanisches Gardemaß von 1,92 Meter in einer menschenwürdigen Haltung hinter das wunderschöne Alu-Leder-Sportlenkrad falten kann. Zwar sind die Eistüten-Instrumente nur noch in Fragmenten erhalten, dafür wirkt die Alubeplankte, mit Zusatzinstrumenten versehene Mittelkonsole "sehr männlich", wie die beste aller Beifahrerinnen später befinden wird.

Stimmig: Sitzposition, Getriebe und Lenkung passen

Hoffentlich gestaltet sich der Vortrieb ähnlich maskulin, denke ich, den offenbar nun auch für Alfa Romeo unverzichtbar gewordenen Startknopf drückend. Unter der Haube verfällt der 2,4 Liter große Fünfzylinder-Diesel in ein beleidigt-nagelndes Grummeln. Draußen ist es kalt, der Motor auch, ich glaube, er sehnt sich nach Sizilien. Scusi, erstmal geht es in die Schweiz. Das Reiseziel dürfte dank der 200 PS und des maximales Drehmoments von 400 Newtonmetern schnell erreicht sein. Doch ein Alberto Tomba hätte sicher nicht den Weltcup gewonnen, wenn er Hermann Maier im Huckepack mit auf die Piste genommen hätte – Wir erinnern uns an das stattliche Leergewicht des 159. Es degradiert den kräftigen Selbstzünder zur Mindestmotorisierung. Ansonsten verfügt der Fünfzylinder weder über eine besondere Laufruhe noch über eine harmonische Leistungsabgabe.

Kernig: Der Fünfzylinder-Diesel packt an

Im Zusammenspiel mit der eng gestuften und präzise bedienbaren (vorausgesetzt, das Getriebeöl ist auf Temperatur) Sechsgangschaltung ergibt sich jedoch eine Antriebseinheit, dessen sportliche Hemdsärmeligkeit gut zu der knackigen Optik passt. Das Fahrwerk schlägt in die gleiche Kerbe: Wenig Komfort, harte Schläge bei kurzen Wellen, nur mäßige Untersteuerneigung und überraschend präzise Rückmeldung. Den Heckantrieb habe ich ehrlich nicht vermisst. Den angeblichen Traktionsvorteil von angetriebenen Vorderräder auf rutschigem Untergrund hingegen schon. Ein Winterauto scheint der 159 nicht sein zu wollen. Der Grip auf geschlossener Schneedecke ist erniedrigend gering. Sicher auch ein Verdienst der recht breiten 225er Winterreifen. Bei beherztem Fahren auf trockenen Straßen fällt die Solidität der Karosserie auf. Kein Klappern, kein Zittern, kein Knarzen. Und das obwohl der Testwagen bei der Übernahme schon gut 8.000 Kilometer gelaufen war. Bevor nun aber die Alfisti völlig vom Glauben abfallen, lasst euch Folgendes sagen: Die Bedienelemente sind teilweise immer noch äußerst rätselhaft verteilt und das trantütige und Pi-mal-Daumen-genaue Navi eine Frechheit. Und nach Testende bei Kilometerstand 10.231 verließ der 159 vor seiner Regenrinnen-Verkleidung die Waschanlage. Es ist als doch ein echter Alfa. Überdies ist der 159 eine echte Alternative für all jene, denen ein BMW Dreier einfach zu fad ausschaut. Was ich damit sagen will: Der Alfa 159 muss so ernst genommen werden, wie er dreinschaut. Wenn's der 2.4 JTD sein soll, sei ihr mit 31.900 Euro dabei.

Grimmig: Der will nicht nur spielen