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amadefries

16. Februar 2017

Sport wagen

Corvette | 0 Kommentare

Klischees gibt es zu diesem Auto massenhaft. Das gängigste ist beim Nennen des Namens leider immer noch das des „Zuhälterwagens“. Erstaunlicherweise konnte sich auch die richtig gute letzte Generation der Corvette, die C6, den Ruf als Sportwagen festigen. Dabei sah sie auch noch richtig gut aus, war kompakt und war preislich absolut konkurrenzfähig. Manche Vorurteile […]

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Klischees gibt es zu diesem Auto massenhaft. Das gängigste ist beim Nennen des Namens leider immer noch das des „Zuhälterwagens“. Erstaunlicherweise konnte sich auch die richtig gute letzte Generation der Corvette, die C6, den Ruf als Sportwagen festigen. Dabei sah sie auch noch richtig gut aus, war kompakt und war preislich absolut konkurrenzfähig. Manche Vorurteile sind eben schwer aus der Welt zu kriegen.

Daran wird wohl auch die neue Auflage nichts ändern. Mit weit aufgerissenem Maul präsentiert sie ihre Breite. Den Waffelgrill kannte man bis jetzt nicht von den modernen Corvettes. Er verleiht der Front einen eigenen Look. Kantige Frontleuchten komplettieren den Look und zeigen, wohin die designmässige Richtung geht. Am Heck wird das noch viel konsequenter umgesetzt: Die charakteristischen runden Leuchten sind verschwunden. Abgeschrägte eckige Rücklichter prägen die schrankwandartige Heckpartie. Und dann sind da natürlich die vier Endrohre, die einen satten Sound versprechen. Versprechungen und Vorurteile gibt’s genug: Jetzt werden die Türen geöffnet.

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Bei Corvette ist man von der Lösung mit den versteckten Türtastern offenbar überzeugt. Mir persönlich wäre ein formschöner Griff lieber. Aber was soll’s, die Pforten geben den Blick in das Interieur frei. Und was für ein Interieur! Zum allerersten Mal kann der Ami-Sportler innen mit der spektakulären Hülle mithalten. Das dunkelrote Leder des Testwagens (Red Special Edition) muss man ebensowenig mögen wie das gleichfarbige Dach. Aber die Qualität in der beides ausgeführt ist,verdient nun wirklich Respekt. Vorbei sind die Tage der grossflächigen Plastikabdeckungen und schlechten Passformen. Wurde ja auch Zeit.

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Auf Knopfdruck erwacht ein klassischer V8, der das US-amerikanische Leichtgewicht kurz durchschüttelt. Der unruhige Leerlauf macht klar: Da sitzt ein angriffslustiges Aggregat unter der langen Kunststoffhaube. Und ich merke, wie in mir die Lust erwacht, das Dach gleich bei der ersten Fahrt aufreissen will. Natürlich geht das ganz gesittet über eine Taste und diverse Elektromotoren. Sogar das Wetter spielt mit, wechselt bei meiner Abfahrt von regenwolkig auf heiter. So soll es sein.

Ich biege auf die Autobahn ein, der grosse V8 blubbert gemütlich vor sich hin. Angestrengt wäre anders. Ohne Unruhe ins Getriebe zu bringen erreiche ich das legale Maximaltempo. Im bequemen Fahrersitz zieht es gerade so, dass man noch ein Gespräch führen könnte. Aber wer will in einem Corvette-Cabrio schon sprechen? Eben. Also den Blick auf das Head-up-Display gerichtet und festgestellt, dass ich zum Fahren gar keine anderen Anzeigen brauchen würde. Der Blick fällt nur aus reiner Gewohnheit immer mal wieder auf die traditionellen Rundinstrumente.

 

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In den Tunneln ist es richtig laut. Aber so ist das in allen Cabrios. Da hilft auch die grossartige Soundanlage rein gar nichts. Schlimmer als der ohrenbetäubende Lärm im Tunnel sollte jedoch das sein, was die US-Legende gleich danach erleben würde. Ich fragte mich noch, weshalb es nach dem Tunnel so merkwürdig Grau sei, da war er auch schon da: Der Gewitterregen! Kaum Sicht, dafür haufenweise Wasser und noch mehr Peinlichkeit. Also schnell unter die nächste Brücke, Dach hoch und trocknen, was zu trocknen ist. Tatsächlich steht das Wasser innert Sekunden schon ein paar Milimeter hoch in den Cupholdern.

In der heimischen Tiefgarage stelle ich dann fest, wo das Wasser noch überall war. Nach einer fixen Trocknungsaktion bleiben keinerlei Spuren zurück. Doch dasDach bleibt vorerst mal geschlossen.


Auch so erlebe ich ohne Problem, dass sich die Corvette noch einmal einen gewaltigen Schritt auf Europa zu bewegt hat. Geografisch wohl inzwischen längst näher am alten Kontinent als die Azoren. Vielleicht sogar schon auf der Höhe der britischen Inseln? Unglaublich, wie dieses Auto auf der Strasse liegt. Auch wenn es wahnsinnig breit scheint, ist es ein Leichtes, das Cabrio präzise genau dort zu platzieren, wo man es gerne möchte. Da ist die Corvette meilenweit von der Schiffartigkeit eines Mustang, Challenger oder Camaro entfernt, obwohl auch diese Musclecars etwas zutraulicher geworden sind.

Klar, es gäbe noch schnellere Varianten. Allen voran die fast 200 PS stärkere Z06. Doch die ist nicht nur optisch dermassen aggressiv gestaltet, dass ich ihre Cruiserqualitäten anzweifeln würde. Und die „normale“ Stingray ist deswegen noch lange keine Showqueen ohne Rennqualitäten. Im Gegenteil. Selbst mit dem im Testwagen verbauten Automatikgetriebe (3100.-) rennt sie ansatzlos auf die nächste Kurve zu. Die Kraft des V8 ist jederzeit einsatzbereit. Das Fahrwerk ist superneutral abgestimmt, verleiht so jedem Fahrer jenes Vertrauen, das es für schnell gefahrene Bögen braucht. Dabei unterlässt es überflüssige Härte.

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Zu einem tollen Preis – im Falle des Testwagens 119’000 Franken – gibt es also einen Vollblutsportwagen, der auch Alltag kann. Sicher, es gab schon schönere Corvette-Generationen, aber keine in derart hoher Qualität. Wer auf der Suche nach einem schnellen Cabrio mit richtig viel Feeling ist, kommt am Klassiker von Chevrolet kaum vorbei. Und wer damit offen fahren möchte, kommt am Wetterbericht kaum vorbei…