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zuendung

10. Februar 2010

Teilzeit Elektriker

Toyota | 0 Kommentare

Seit mittlerweile 13 Jahren bietet Toyota den Prius an. Ich kann mich noch gut an die ersten Berichte über den Wagen mit den zwei Antrieben in den deutschen Magazinen erinnern. Allesamt kritisierten sie den zu hohen Verbrauch, lobten aber auch die Einfachheit der Bedienung des Systems. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Auch das […]

Seit mittlerweile 13 Jahren bietet Toyota den Prius an. Ich kann mich noch gut an die ersten Berichte über den Wagen mit den zwei Antrieben in den deutschen Magazinen erinnern. Allesamt kritisierten sie den zu hohen Verbrauch, lobten aber auch die Einfachheit der Bedienung des Systems. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Auch das Konkurrenzumfeld ist im Vergleich mit dem Ende des letzten Jahrtausends fast unverändert geblieben. Europäische Hersteller zeigen an jeder grossen Messe ihre Studien mit Benzin- und Dieselhybriden. Doch vor allem letztere lassen seit Jahren auf sich warten. Ein Vollhybrid, der gemäss Definition auch gänzlich elektrisches Fahren zulässt, ist noch immer eine absolute Seltenheit. Deshalb war ich auch verwirrt, als nach dem Druck auf den Startknopf keinerlei Motorgeräusch vernehmbar war. Trotz eisiger Temperaturen war die Kraft des Benzinmotors zumindest für die ersten Meter noch nicht notwendig.


Dritte Generation: Von hinten praktisch nur an den nach oben spitz zulaufenden Heckleuchten erkennbar

In der aktuellen Generation verfügt der Elektromotor über eine Leistung von 60 kW (also 82 PS), der 1,8-Liter Benziner stellt weitere 99 PS bereit. Die totale Systemleistung liegt bei 136 PS und nicht, wie man vermuten könnte, bei 171 PS. Der Verbrennungsmotor funktioniert wie bei den Vorgängern nach dem Atkinson-Prinzip, das vor allem bei höheren Drehzahlen für einen besseren Wirkungsgrad sorgt. Die Schwächen im unteren Drehzahlbereich werden durch variable Ventilsteuerzeiten ausgeglichen. Auf der Batterieseite vertraut Toyota auf Nickel-Metallhybrid-Akkus, die sich im hinteren Bereich des Fahrzeugs befinden. Um zusätzlich auch noch von der Energie der Sonne zu profitieren, ist beim Testfahrzeug ein Solardach installiert, welches die Belüftung bei stehendem Fahrzeug ermöglicht.


LED: Die moderne Lichttechnik verbindet Leuchtkraft mit Ökonomie

All diese technischen Feinheiten bleiben dem Laien in aller Regel verborgen. Er sieht vor allem ein etwas seltsam geartetes äusseres Erscheinungsbild der dritten Generation des Hybridpioniers aus dem Hause Toyota. Die Form ist dabei vor allem Mittel zum Zweck: Möglichst wenig Luftwiderstand heisst wenig Verbrauch. Beim neuen Prius konnte der Cw-Wert auf 0,25 gesenkt werden, was laut Hersteller dem Klassenbestwert entspricht. Die optimierte Tropfenform sorgt daneben aber auch für eine optische Ähnlichkeit zum Konkurrenten Honda Insight. Die Designer durften sich dann immerhin an den Frontscheinwerfern austoben. Die kommen jetzt etwas angriffiger und gezackt daher, ausserdem sind sie in der Topausstattung mit LED-Technologie ausgerüstet.


Raumschiff: Der futuristische Arbeitsplatz weist einen erhöhten Anteil Hartplastik auf

Im Inneren nimmt das Technikfeuerwerk kein Ende. Serienmässig zeigt ein Head-Up-Display das Tempo in der Frontscheibe an. Mittig angeordnet ist ein grosses Infodisplay, das über den Energiefluss Auskunft geben kann. Auch der Durchschnittsverbrauch kann angezeigt werden, was bei einem solchen Fahrzeug natürlich besonders viel Spass machen sollte. Tatsächlich ertappte ich mich mehrmals dabei, wie ich etwas zu lange auf das Display starrte. Wenig praktisch ist, dass die via Tempomat eingestellte Geschwindigkeit ganz rechts im Bild angezeigt wird. Dafür ist der Tempomat mit einem Radarsystem ausgerüstet, das den Abstand zum Vordermann konstant hält. Eine tolle Sache, die überraschend problemlos funktioniert.

Das gilt eigentlich für das gesamte Fahrerlebnis mit dem Prius: Alles funktioniert problemlos. Da gibt es kein Ruckeln beim Zuschalten des Benziners, keine Platzprobleme auf den Rücksitzen oder im Kofferraum (445 Liter) und auch keine Bremsprobleme. Natürlich ist er Prius kein Sportler. Sein Fahrverhalten würde ich eher mit einem reichlich trägen Schiff denn mit einem Kart vergleichen. Das stört aber nicht weiter, weil sich der Ehrgeiz des Fahrers nicht auf schnelle Rundenzeiten sondern tiefe Verbrauchszahlen richtet. Da passt es ins Bild, dass der Seitenhalt vorne durch Türe und Mitteltunnel gewährleistet wird. Dazu kommt, dass sich aufgrund des zu knappen Verstellbereichs der Lenksäule keine Sitzposition finden lässt, die mir sportliches Kurvenräubern ermöglichen würde.


Solardach: Für einen Test war das Wetter leider zu trüb

Ein Cruiser ist er also, der Toyota Prius. Und ich gebe gerne zu, dass ich den "Spassfaktor Sparen" unterschätzt habe. Es macht Freude zu sehen, wie der Verbrauch mit der richtigen Taktik tatsächlich sinkt. Die Herausforderung dabei ist natürlich, durch die ganze Sparerei nicht zum Verkehrshindernis zu werden. Mit dem Prius gelingt das locker, doch wie viel vom schwindenden fossilen Brennstoff fliesst schlussendlich durch die Einspritzdüsen? Das Display meint, mein Fahrstil hätte nur gerade 5,2 Liter auf 100 km/h verbraucht. Ich tanke auf und rechne nach: Wie fast alle Bordcomputer untertreibt es der Japaner etwas. Tatsächlich verbrauchte die aktuelle Version des meistverkauften Hybridmodells 5,5 Liter Benzin. Das ist, im Vergleich mit einem Benziner gleicher Leistung, bestimmt aller Ehren wert. Aber der erreichte Wert liegt auch weit über den 3,9 Liter, mit denen Toyota wirbt.


Aerodynamik: Die Tropfenform spart, diktiert aber auch einen Grossteil des Designs

Zum Schluss bleiben also schon gemischte Gefühle zurück. Zumal der Prius in der Topausstattung das Sparen nicht gerade günstig macht. Anständige 44'700.- CHF kostet er als Linea Sol Premium, wobei der Testwagen noch über das Solar-Schiebedach, die Ledersitze und ein paar weitere Goodies verfügte, die den Preis gen 50'000 Franken treiben. Somit bleibt mir nach 13 Jahren Toyota Prius ein ähnliches Fazit, wie damals den deutschen Magazinen: Der Hybridantrieb funktioniert super-problemlos, doch der Spar-Effekt hält sich eher in Grenzen. Auf der anderen Seite macht es einfach Spass, wenn man im rein elektrischen Modus in den Städten ein paar Fussgänger mit dem plötzlichen und geräuschlosen Erscheinen erschrecken kann. Wenn unsere Strassen in ein paar Jahren fast nur noch von Elektromobilen befahren werden, ist es damit dann auch vorbei. Nicht nur deswegen hat Toyota für diese Pionierleistung gehörigen Respekt verdient.