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zuendung

7. Juni 2012

Tour im Tourer

Opel | 0 Kommentare

Als ich Opels neuen Raumgleiter abholte, stellte ich mir schon die Sprüche und Klischees vor, die ich mir bald würde anhören müssen. "Na, Nachwuchs unterwegs?" "Wozu der Babybomber" "Wirst alt?" Dabei will der neue Zafira, der den Beinamen Tourer trägt, offensichtlich nicht in die Schublade der langweiligen Praktiker gesteckt werden. Tatsächlich haben ihn die Rüsselsheimer […]

Als ich Opels neuen Raumgleiter abholte, stellte ich mir schon die Sprüche und Klischees vor, die ich mir bald würde anhören müssen. "Na, Nachwuchs unterwegs?" "Wozu der Babybomber" "Wirst alt?" Dabei will der neue Zafira, der den Beinamen Tourer trägt, offensichtlich nicht in die Schublade der langweiligen Praktiker gesteckt werden. Tatsächlich haben ihn die Rüsselsheimer in ein satt sitzendes Kleid gepackt. Richtig dynamisch schaut er aus. Welcher Van hat schon derart hübsch gestaltete LED-Rückleuchten zu bieten? Das Bumerang-Design der Frontlichter ist dagegen eher Geschmacksache. Rein optisch wird aber auf jeden Fall klar: Opel will mit diesem Van begeistern.


Zafira? Ja, so hübsch kann ein Van ausschauen.

Und weil man heute um zu begeistern auch resourcenschonend unterwegs sein muss, testen wir den Opel Zafira Tourer als 1.4 ecoFLEX Start/Stop. Die vom Werk vorgegebenen 6,3 Liter Verbrauch dürften mit dem 1660 kg schweren Van doch recht schwierig zu erreichen sein. Ein Kurztrip ins grenznahe Italien sollte ideal dazu geeignet sein, dem Raumgleiter auf den Zahn zu fühlen. Die mitreisenden Herren proben am Telefon schon mal die gewohnten Machosprüche, als ich sie über unser Transportvehikel informiere. Als er dann in Blech und Öl vor Ihnen steht, traut sich keiner mehr, was Negatives zu sagen. "Das ist ein Zafira?" tönt es nur verwundert.


Bumerang: Die vorderen Leuchteinheiten sorgen für Unverwechselbarkeit.

Im Innenraum geht dann die Verwunderung weiter. "Tolle Sitze!" Als ich dann noch die Abdeckung für die Panorama-Windschutzscheibe nach hinten ziehe, erntet der Tourer endgültig Komplimente von meinen Mitfahrern. Ich muss die gute Laune leider etwas dämpfen. Denn so schön die grossartige Sicht nach vorne oben auf den ersten Blick scheint, so selten kann man sie wirklich nutzen. Bei schönem Wetter blendet die Sonne viel zu sehr und bei schlechtem will man den Regen wahrscheinlich eher nicht im Fullscreenmodus sehen. Da sie bei der Cosmo-Ausstattung sowieso mit dabei ist, kann ich nicht mal den Tipp geben, sie nicht zu bestellen.


LED-Leuchten: Kosten Aufpreis, sehen aber richtig gut aus.

Auf jeden Fall bestellen sollte man die Lederausstattung, die dann gleich noch die vorderen AGR-Sitze beinhaltet. Diese 1900.- CHF sind gut investiert, weil die Sitze auch nach der dreistündigen Fahrt an einen italienischen Zipfel des Lago di Lugano noch bequem sind. Die Gänge flutschen durch das Sechsganggetriebe und nur am Monte Ceneri wird mir wieder bewusst, dass "nur" 140 PS unter der Haube sitzen. Mit Mühe qüält sich der Siebensitzer hinauf, um wenig später entspannt Richtung Lugano hinunter zu gleiten. Tourer ist ganz sicher eine stimmige Bezeichung. Äusserst entspannend auch, dass Opel der Versuchung widerstehen konnte irgendwas mit "Sport" zu nehmen. Dennoch ist der Zafira keine Sänfte, was ich auf der kurvigen Strasse von Lugano nach Porlezza ausgiebig erfahren darf. Lenkung und Bremse passen, beim Fahrwerk wurde der richtige Kompromiss zwischen Dynamik und Komfort gewnden. Auf der Strasse dem See entlang wird auch die grösste des dynamisch gestylten Wagens offensichtlich: Er ist breit (1,89 m) und unübersichtlich.


Arbeitsplatz: Praktisch, aufgeräumt, bequem, aber auch mit ergonomischen Mängeln.

Immerhin kann der Opel gleich auch die Vorzüge seines AFL-Lichts präsentieren. In den eineinhalbspurigen, unbeleuchteten Tunneln ist man froh um gutes Kurvenlicht. Trotzdem frage ich mich schon, wie einer der Pioniere der Kompaktvans so gross werden konnte. Zum anderen ist es halt das vom todlangweiligen Design eines VW Touran abweichende Design, das den Zafira anstelle einer Schuhschachtel mit Emblem als echten Hingucker erscheinen lässt. Dass man dadurch viel schlechter hinaus gucken kann, muss der formenaffine Käufer eben hinnehmen. Oder aber er krallt sich einen Opel Zafira. Wie jetzt? Ja, der "alte" Zafira (ohne Tourer in der Bezeichnung) wird weiter gebaut und angeboten. Aber seien wir ehrlich: Wer den Neuen gefahren oder auch nur gesehen hat, vergisst den Vorgänger sofort.


DNA: Die nach oben geknickte Kante in der Seitenpartie gibt es änlich auch bei anderne Opel-Modellen.

Nicht vergessen wollen wir den Blick auf die Tankuhr. Auf den fast 2000 Testkilometern pendelte sich der Durchschnittsverbrauch bei 8,4 Liter Benzin ein. Wie erwartet deutlich mehr, als der Herstellerwert suggeriert. Die EcoFLEX-Massnahmen scheinen durch die grosse Stirnfläche nun doch überfordert. Und bei aller Downsizing-Faszination fragt man sich ob unseres Messwertes schon, ob mehr (Hubraum) hier nicht weniger (Verbrauch) gewesen wäre.

Mit dem neuen Opel Zafira Tourer ist den Rüsselsheimern vor allem optisch ein grosser Wurf gelungen. Selten habe ich für ein praktisches Auto derart viele Komplimente gekriegt. Die Schattenseiten sind ganz klar die Übersichtlichkeit der Karosserie und der zu hohe Verbrauch des 1,4 Liters. Mit 47'500 liegt der Preis des Testwagens nur etwas mehr als 7000.- CHF über dem Basispreis für den 1.4 EcoFLEX Cosmo. Dabei wurden mit dem hochmodernen Lichtsystem (1800.-), der Lederausstattung mit den tollen AGR-Sitzen (1900.-) und dem umfangreichen Park & Go Technology Pack (heisst wirklich so – 1900.-) die wichtigsten Optionen angekreuzt. Letzteres enthält übrigens neben dem grossen Navi und der Rückfahrkamera auch einen nützlichen Tot-Winkel-Warner. Der Preis scheint mir fair, zumal man mit dem hübschen Dynamiker nur positive Sprüche ernten wird.