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marcwegmueller

18. Mai 2021

Vorne alte Welt, hinten neue Welt

Jeep | 0 Kommentare

«Schreiben Sie in Ihrem Bericht, dass man das Navi nicht brauchen kann.» So lautet der Auftrag einer Jeep-Fahrerin, die sich mit uns vor dem Volg-Laden über ihre Liebe zum knuffligen Gefährt austauscht. Ihr «Leiden» beschreibt wohl ziemlich passend den Druck, dem die Autohersteller ausgeliefert sind: Gut aussehen muss es schon. Aber auch gut in der […]

«Schreiben Sie in Ihrem Bericht, dass man das Navi nicht brauchen kann.» So lautet der Auftrag einer Jeep-Fahrerin, die sich mit uns vor dem Volg-Laden über ihre Liebe zum knuffligen Gefährt austauscht. Ihr «Leiden» beschreibt wohl ziemlich passend den Druck, dem die Autohersteller ausgeliefert sind: Gut aussehen muss es schon. Aber auch gut in der Hand liegen, wie ein Smartphone halt. Unser täglich Telefon springt den Fahrzeugherstellern voraus und verwöhnt die Benutzerinnen und Benutzer mit «Convenience», also praktischen Helferchen, die den Alltag schaurig praktisch machen. Das Jeep-Navi führt einen zwar ans Ziel, aber die Google-Maps-App ist gefühlte fünf Jahre voraus. Und das ist eine ganze Menge. Zum Beispiel haben wir nicht herausgefunden, wie man eine Routenführung beendet. Dieser Punkt geht somit eindeutig an die eingangs zitierte Jeep-Fahrerin.

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Die Blechform ist schon sieben Jahre alt, versprüht aber noch immer ihren «herzigen» Charme. Fast hätten wir geschrieben: «Das haben sie eben im Griff, die Italiener». Aber der Renegade ist ja ein Amerikaner – und wird in Italien gebaut, auf derselben Plattform wie der Fiat 500X. Er fällt auf, Kinder lieben ihn. Er wirkt äusserst kompakt und praktisch. Setzt man sich aber rein, fühlt man sich in einem erwachsenen Auto. Mit 4,25 Metern Länge und knapp über 1,8 Metern Breite würde die Jeep-Silhouette einen Golf 8 gerade noch schlucken. Ein T-Roc ist etwa 15mm breiter. Es sitzt sich anständig, auch hinten geht es, der Kofferraum reicht für leichtes Gepäck für vier Personen.

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Wir freuen uns über die vom seligen Fiat-Punto bekannten Blinker- und Scheibenwischerhebel. Alles andere wirkt modern, Bildschirm als Instrumentendisplay, Bildschirm in der Mitte für Navi, Radio und Detailsteuerung. Die wichtigsten Funktionen schaltet man über Wippen (Temperatur), Tasten (Lüftung) oder Drehräder (Lautstärke). Jeep-mässig sind sie alle grosszügig auf eine Bedienung mit Fausthandschuhen ausgelegt. Einzig ein paar Antriebstasten sind stiefmütterlich untergebracht. Wahrscheinlich hat damals niemand gedacht, dass einst ein Hybridantrieb in diesen Wagen gehört.

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Das führt uns zum neuen 4×4-Antrieb: Ziehen mit Benzin, Schieben mit Strom. Der Renegade «4xe» ist der erste Jeep mit Allradantrieb ohne Kardanwelle. Im Alltag funktioniert das erstaunlich gut, sogar im Gelände. Am Lenkrad bekommt man von den zwei Welten kaum etwas mit – ausser den satten 240 PS Gesamtleistung natürlich, die das fast 1,8 Tonnen schwere Wägelchen befeuern. Das Feuer zu entfachen dauert jedoch ein Weilchen. Rollt man entspannt elektrisch dahin und drückt das Gaspedal satt auf den Teppich, tritt man eine ganze Kaskade los: Zuerst schaltet sich der Benziner zu, dann sucht er sich den richtigen Gang aus der Sechsgangautomatik, baut Ladedruck auf und bringt dann endlich seine 180 PS ins Spiel.

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Technisch gesehen faszinierend, wie schnell ein Benzinmotor auf voller Leistung ist. Bei rassigen Fahrmanövern ist die Gedenksekunde etwas hinderlich. Zudem ruckelt es hie und da, wenn der Benziner zuschaltet. Das stört beim alltäglichen Fahren aber nicht. Wer den 11,4kWh Akku daheim oder in der Firma laden kann, ist gut bedient. Dann fährt der Jeep bis zu 50 Kilometer rein elektrisch. Je nachdem, ob man Strom oder Benzin sparen möchte, kann man eine Fortbewegungsmethode bevorzugen (drei Tasten: Hybrid, Elektrisch, E-Save). Allerdings ist die Reichweite etwas hoch gegriffen. Wer rassig über Autobahnen pendelt, hat die Batterie schon nach gut 20 Kilometern leergesaugt. Die 60 Elektro-PS reichen übrigens für bis zu 130km/h und bewegen den Kleinst-Ami flott durch den Stadtverkehr.

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Tja, vorbei die Zeiten, als Autos stolz mit Aufschriften wie «16V» oder «Turbo» (natürlich kursiv) Kundinnen und Kunden lockten. Technische Details versprachen einst Ansehen und Präsenz auf der linken Spur und beflügelten automobile Träume. Was unter dem Blech steckt, interessiert heute weniger. Umso mehr zieht der italienische Ansatz mit dem Carrosserie-Design zum Liebhaben – und einer funktionalen, praktischen, aber überschaubaren technischen Ausrüstung. Die Systemreichweite (vollgetankt, vollgeladen) unseres Jeeps liegt gemäss Bordcomputer bei unter 400km. Ist die Batterie leer, saugt er knapp sieben Liter auf 100km. Das Erstlingshybridwerk aus der italo-amerikanischen Ehe funktioniert. Wie sinnvoll Hybridantriebe überhaupt sind – das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls hätten wir unsere Freude an einem vollelektrischen Renegade. Kias e-Niro ist marginal länger und etwas tiefer. Er verzichtet ganz aufs Ottoprinzip und fährt rein elektrisch bis zu 455km weit (theoretisch).

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