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zuendung

27. Juni 2012

Waku Doki!

Lexus | 0 Kommentare

Zu einem späteren Zeitpunkt wird man hier auch den Fahrbericht über den neuen Toyota GT-86 lesen können. Damit man selbigen richtig erleben konnte, lud Toyota Schweiz auf den Rundkurs in Anneau du Rhin. Und als Zückerchen obendrauf war bereits der Einladung zu entnehmen, man dürfe den Lexus LFA bewegen. Lexus? LFA? Das klingt für den […]

Zu einem späteren Zeitpunkt wird man hier auch den Fahrbericht über den neuen Toyota GT-86 lesen können. Damit man selbigen richtig erleben konnte, lud Toyota Schweiz auf den Rundkurs in Anneau du Rhin. Und als Zückerchen obendrauf war bereits der Einladung zu entnehmen, man dürfe den Lexus LFA bewegen. Lexus? LFA? Das klingt für den "gewöhnlichen" Autofan nicht eben prickelnd. Schliesslich ist die Marke inzwischen vor allem mit dem zwar luxuriösen, aber nicht gerade spektakulären SUV RX erfolgreich. Dies vor allem mit der Hybridversion. Nur echte Experten wissen überhaupt, dass "F" bei Lexus immer für den Fuji Circuit steht, womit zumindest im Namen ein Link zum Rennsport besteht. Inzwischen ist F-Sport aber auch eine Austattungsvariante, die wir jüngst beim Lexus CT200h F-Sport testen durften. Ein faszinierendes Fahrzeug, aber nicht zuletzt wegen der Prius-Gene nur sehr beschränkt sportlich.

Beschränkt ist am Lexus LFA aber so gar nichts. Er ist im Gegenteil quasi der Tatbeweis einer unbeschränkten Leidenschaft für den Sport bei der Marke Lexus. Er ist ein Supersportwagen, wie er im Buche steht. Seine Leistungsdaten alleine lassen das Herz jedes Autophilen schneller schlagen: 4,8 Liter V10, 560 PS, 1480 kg, Heckantrieb. Als er in Anneau du Rhin ein erstes Mal in freier Wildbahn vor mir steht, bin ich begeistert. Der weisse Wunderwagen schaut so sportlich aus, so eigen, so begehrenswert. Vorne sorgt eine Haifischnase zusammen mit aggressiv blickenden Scheinwerfern für den unverwechselbaren Look. Seitlich sind es vor allem die klassischen Proportionen mit der langen Frontpartie, die den Betrachter in Verzückung erstarren lassen. Das Heck ist mit den riesigen Lüftungsgittern, dem Auspufftrio und dem ausfahrbaren Heckspoiler sehr technisch geraten.

Während ich mit dem GT-86 ein paar Runden drehe, werde ich vom weissen Blitz überholt. Gigantisch, wie der nur schon klingt. Die Vorfreude steigt noch weiter. Und wenig später ist es so weit: Der nur 1,2 Meter hohe Sportler rollt heran. Vom Beifahrersitz führt Rolf Maritz die Journalistenmeute über den Kurs. Vor einem Monat beim 24h-Rennen auf der Nordschleife gestartet, weiss der Instruktor ganz genau, wo man wann und wie in eine Kurve einzubiegen hat. Doch bevor ich irgendwo einbiege, gilt es zunächst einmal den Türöffner zu finden. Lexus hat ihn in einem auf dem oberen Türrand verlaufenden Luftkanal bündig integriert. Schliesslich schlängle ich mich über die belederte Schwelle hinter das Lenkrad. Unten abgeflacht, halb in Karbon, halb in Leder verpackt illustriert es wunderbar, worum es beim LFA geht. Um das Maximum nämlich.

Im Sinne der Vernunft werde ich mich auf dem Rundkurs vom Maximum fernhalten. Schliesslich werden Occasionen für ungefähr 370'000 CHF gehandelt. Zunächst lege ich per Wippe den ersten Gang des automatisierten sequenziellen Getriebes ein. Obwohl ich das aus dem Vollen gefräste Pedal nur leicht touchiere, nimmt der LFA einen Satz als wäre er ein nur knapp domestiziertes Wildpferd. Auf der ersten Runde will ich mich erst einmal mit den veränderten Bedingungen bekannt machen. Mehr Leistung, Paddelschaltung und fast liegende Sitzposition weichen stark von den Erlebnissen im sportlichen Toyota-Coupé ab. Dazu kommt ein fast schon unheimlicher Sound. Bei 3000 Umdrehungen klingt der 72° V10 als müsste ich gleich schalten – was ich dann auch tue. Rolf sitzt ruhig nebenan und korrigiert vor allem meine Linie. Dass ich dem Tier auf den ersten Metern nicht gleich die Sporen gebe, scheint ihn nicht zu stören.

Für die zweite Runde habe ich mir vorgenommen, den digitalen Zeiger des Drehzahlmessers zumindest in die Nähe der magischen 9000 zu bringen. Der mit Yamaha zusammen entwickelte Zehnzylinder dreht so schnell hoch, dass ein analoges Zeigerinstrument zu langsam wäre. Das klang für mich eher nach einem Mythos – jetzt wo ich drin sitze glaube ich jedes einzelne Wort. Digital ist nicht nur der Drehzahlmesser, das ganze Auto scheint irgendwie digital zu funktionieren. Bei den Carbonbremsen zum Beispiel langt ein winziges Antippen, um zu verlangsamen. Wer stärker drückt wird in die Gurte gepresst. Mit dem Gaspedal verhält es sich abgesehen von der Richtung des Gepresstwerdens nicht anders. Nur das Schalten funktioniert trotz Lenkradpaddel eher analog. DSG-Verwöhnte werden staunen, wie hart so ein Getriebe zuschlagen kann. Bei voller Beschleunigung fühlt es sich an, als würden die Gänge mit einem gigantischen Hammer eingelegt. Doch gerade bei voller Beschleunigung bleibt einem nicht viel Zeit, sich deswegen aufzuregen, denn die nächste Kurve kommt bestimmt. Und irgendwie ist so ein Schaltruck ja auch viel racing-mässiger als ein kaum mehr wahrnehmbarer Übergang in die nächste Stufe.

Auf der einzigen echten Geraden des Kurses will ich's dann doch wissen: Gaspedal im 3. Gang durchgedrückt, kurz dem frenetischen Schreien des V10 Ungetüms gelauscht, auf dem Display noch Kürzer den Zeiger knapp vor der 9000-er Marke erhascht und – Zack – schon ist der vierte Gang drin. Ein kurzes aber nachhaltig begeisterndes Feuerwerk, dass die Fuhre ein Stück vor dem Bremspunkt auf über 200 km/h beschleunigt. Dass der LFA bei Bedarf in 3,7 Sekunden auf 100 km/h rast, glaube ich sofort. Dass er die Höchstgeschwindigkeit erst bei 325 km/h erreicht sowieso. Nur, dass in der Schweiz noch nicht einmal 10 solche faszinierende Supersportwagen verkauft wurden, mag ich nicht recht glauben. Dem fahrenden Kompetenzbeweis von Lexus droht anscheinend ein ähnliches Schicksal wie damals dem Toyota 2000 GT. Der wurde zwar später als nie verkaufte Cabriovariante in einem James-Bond-Film (You only live twice) bekannt, konnte aber als Coupé nur 337 mal verkauft werden. Es soll primär am Preis gelegen haben, der mit etwa 40'000 Franken gleich hoch war wie jener des Porsche 911 zu dem er die Konkurrenz hätte werden sollen.

Viel zu schnell gehen die Runden mit dem LFA und dem mindestens ebenso fordernden Rolf Maritz zu Ende. Beide hätten mir bestimmt noch viel beibringen können. Doch so steige ich aus und kann kaum gehen. Noch selten haben meine Knie nach dem Fahren so gezittert. Unglaublich dieser Lexus LFA. Auch wenn das den allerwenigsten Menschen überhaupt je möglich sein wird: Man muss ihn einfach gefahren sein.

Wow! Oder besser gesagt: Waku doki!