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heinyvolkart

21. Juli 2016

Zwei Herzen …

Ford | 0 Kommentare

Ford Mustang 2.3 EcoBoost und GT 5.0 V8 Convertible Zwei Herzen … … schlagen, ach, in meiner Brust, heisst es bei Shakespeare’s Hamlet. Was das mit den beiden Mustang-Versionen zu tun hat? Wir kommen darauf zurück. Über 50 Jahre ist es her, dass Ford 1964 den Mustang lanciert hat. Der Mustang fand von Beginn weg […]

Ford Mustang 2.3 EcoBoost und GT 5.0 V8 Convertible

Zwei Herzen …

… schlagen, ach, in meiner Brust, heisst es bei Shakespeare’s Hamlet. Was das mit den beiden Mustang-Versionen zu tun hat? Wir kommen darauf zurück.

Über 50 Jahre ist es her, dass Ford 1964 den Mustang lanciert hat. Der Mustang fand von Beginn weg grossen Anklang, auch in der Schweiz. Im Verlauf der Jahre wurde der Mustang immer grösser und leider auch immer schwächer, was niemandem gefiel. Es gab 1979 sogar einen Mustang mit gerade mal noch 89 PS und obwohl Jahre später wieder mehr oder weniger «anständige» Motoren eingebaut wurden, sahen die Mustangs der 90er Jahre zum Teil total ver… ähm, schlecht aus.

Die wieder erstarkten und wieder ansehnlichen Mustangs der Nullerjahre wurden dann auch in der Schweiz wieder gerne gekauft, importiert durch Private. Erst mit der Neuauflage 2015 entschloss sich Ford Switzerland, das meistverkaufte Sport-Coupé der Welt, eben den neuen Mustang, offiziell zu importieren. Und er findet Anklang. Bereits 2015 wurden 423 Mustangs in der Schweiz immatrikuliert, zwei Drittel Achtzylinder, ein Drittel Vierzylinder. Im ersten Halbjahr 2016 sind auch schon wieder 295 Mustangs verkauft worden.

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Wir sind beide Versionen gefahren. Hier unser Bericht.
Aussehen tun beide Versionen gleich, innen wie aussen. Und was man auch sagen darf, sie sehen gut aus. Vieles erinnert an die Ur-Mustangs von vor 50 Jahre. Lange Motorhaube, dickes Heck, oft etwas zerklüftet, vorn wie hinten. Wir haben nichts auszusetzen; muss so sein!
Im Wissen darum, dass der neue Mustang auch ausserhalb der USA verkauft werden wird, hat man sich bei Ford sehr Mühe gegeben, den verwöhnten Europäern etwas hinzustellen, das nicht nur gut aussieht, sondern auch gut ist, sicher ist, Freude macht, auch auf kurvigen Bergpässen, nicht nur bei 60 mph auf amerikanischen Autobahnen. Das ist grossteils gelungen, obwohl die Spaltmasse z.B. schon etwas exakter und geringer sein dürften.

Der Ausdruck «Schiff» für grosse amerikanische Autos hat seinen Ursprung ja im schiffsähnlichen Fahrverhalten. Das wollte man im neuen Mustang, der mit 4.78m Länge ja nicht gerade ein Kleinwagen ist, vermeiden. Als Alltagsauto ist er schon fast an der Grenze zu unkomfortabel, denn er rollt schon recht hart ab. Mit Gepäck und zwei Personen Bord wird er dann schon viel angenehmer. Man schätzt aber die Rückmeldung des Strassen- und Fahrzustandes am Lenkrad (und am Hintern), das gibt ein sicheres Gefühl.

Mit 2.08m Breite (1.96m mit eingeklappten Spiegeln) ist der Mustang auch in der Breite ein echter Amerikaner. Die beiden grossen Sicken in der langen Motorhaube helfen da eher wenig bei der Navigation in engen Stellen. Alles eine Frage der Angewöhnung.

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Sportcoupé? Kofferraum? In der Regel sind da eher keine erfreulichen Zahlen zu erwarten. Anders der Mustang. 408 Liter misst der Laderaum des Fliesshecks, 332 Liter der des Cabrios. Im Cabrio haben wir übrigens problemlos 10 Getränkepackungen (6×1.5 lt.) untergebracht. So kann man doch auch längere Ferienreisen planen und muss sich nicht auf Zahnbürste und Rasierer beschränken.

Bei einem Sportcoupé ist die Motorenfrage zentral. Aber auch die Kaufpreise spielen eine grosse Rolle. Luxussportwagen mit 500 und mehr PS, deren Preise über 200k liegen und sich ein Normalsterblicher nicht leisten kann, gibt’s genug. Sportwagen deutscher oder englischer Herkunft mit hoher Leistung kosten auch ab 80k mit guter Ausstattung. Auch nicht jedermanns Sache.
Einen Mustang gibt’s schon für die Hälfte. Sicher mit ein Hauptgrund, dass der Mustang schon im ersten Jahr zum meistverkauften Sportcoupé der Welt geworden ist (140‘000 Stück).

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Aber der Reihe nach:

Unser erster Testwagen war der Mustang mit dem 2.3 Liter 4-Zylinder namens EcoBoost. Mit Direkteinspritzung und Twin-Scroll-Turbolader leistet der Motor 314 PS. 434 Nm Drehmoment bei 3‘000 Touren versprechen viel Fahrvergnügen. 1‘730 Kg Leergewicht stehen dem etwas entgegen. Nun, wir werden sehen.
Der postautogelbe Bolide öffnet sich auf Daumendruck, der Schlüssel kann in der Tasche bleiben. In der Länge lässt sich der Sitz elektrisch verschieben, für die Rückenlehne ist Handarbeit angesagt. Auf Knopfdruck setzt sich das Triebwerk in Gang und tönt unauffälliger als jedes 10-jährige Hausfrauen-Posti-Auto. Auch beim Wegfahren schämt man sich fast etwas: So ein auffälliges und schnell aussehendes Sportcoupé und der daneben stehende Kleinwagen hat den geileren Sound.
Die Bedienung ist problemlos, alles ist dort, wo man es gewohnt ist, der Abrollkomfort ist nicht riesig, die von andern Autos, auch Fords, gewohnten Assistenten fehlen weitgehend. Aber der Mustang ist ja auch nicht als Komfortschaukel gedacht. Man gewöhnt sich schnell wieder daran, selber in den Rückspiegel zu schauen, selber zu bremsen, wenn der Vordermann verlangsamt, etc. Trotzdem, was die Sicherheit angeht, ist der Mustang von Haus aus gut ausgerüstet, z.B. auch mit Xenon-Licht, und hat vieles serienmässig drin, das bei den viel teureren Mitbewerbern noch extra zugekauft werden muss.

Als Amerikaner hat er selbstverständlich einen Tempomaten. Die Bedienung links am Lenkrad ist zwar rasch begriffen, allerdings ist die Tastenanordnung unergonomisch, schlicht und einfach unpraktisch (z.B. RES/CNCL).
Um eine standesgemässe Beschleunigung zu erreichen, muss dann schon gewaltig aufs Gaspedal getreten werden, denn vor dem kümmerlichen Sound scheinen sich auch die 314 Ponies versteckt zu haben.
Vielleicht ist das alles Jammern auf hohem Niveau, aber verglichen mit dem nur 50 PS stärkeren Privatwagen ist man halt ein klein wenig enttäuscht. Halt! Halt! Fair bleiben! Der Mustang mit diesem Motor kostet ab 41‘900 Franken (man. 6-Gang). Unser Testwagen mit Automatik kostet 43‘900 Franken. Mit dem Customs Pack (Navi, 12 Lautsprecher, 19“-Felgen, Ledersitze, klimatisierte Sitze, und und und) für 2‘700 Franken, sind wir erst bei 47‘400 Franken (inkl. 800 Franken für die Farbe). Verglichen mit der Konkurrenz in ähnlicher Leistungsklasse ist das ein Schnäppchen! Da kann man da und dort ein Auge zudrücken.

Geärgert haben wir uns nur über eins: Mehr als einmal hat die Klimaanlage nicht funktioniert, sondern extraheisse Luft ins Auto gepumpt. Egal, wie man sie einstellte, LO / LO und ob automatisch oder nicht, sie ging nicht! Nach einer halben Stunde oder so bequemte sie sich dann doch zur Aufnahme der Tätigkeit und blies bald eiskalte Luft ins Auto. Wenn man sie dann langsam wieder höher stellen wollte, ging das bis vielleicht 19°, worauf sie wieder abstellte und wieder Backofenluft ins Auto blies. Mehr als einmal auf einer mehrstündigen Fahrt. So macht dann günstiges Sportwagenfahren überhaupt keinen Spass, der Beifahrerin schon gar nicht. Umso weniger, als dann auch die Belüftung des Sitzes den Dienst einstellte.

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Die meinten wohl, ich sei das Postauto 🙂

9.8 Liter Benzin soll diese Mustangversion im Mittel verbrauchen. Dass da die 59 Liter Tankinhalt nicht weit reichen, ist klar. Trotzdem, dass man auf einer innerschweizerischen Fahrt auf dem Heimweg irgendwo tanken gehen muss, ist ärgerlich.
Man ist sich ja gewöhnt, dass die Verbrauchsangaben nie stimmen. So haben wir auf den ersten Kilometern, mit Kurzstrecken und Testfahrt 12.8 Liter verbraucht (Anzeige 11.0). Vermutlich hat aber der Kollege, der den Wagen vorher hatte, den Tank nicht ganz aufgefüllt.
Auf einer längeren Fahrt, mit zweimal Julier und vielen Fahrten in und um Engadiner Ortschaften rollten am Ende 9.35 Liter durch die Einspritzdüsen, also rund ein halber Liter weniger als offiziell angegeben. Das lag natürlich auch an der Fahrweise des Testfahrers, ähem, der sonst nicht zu den sparsamen Fahrern gehört. Auch wenn der Verbrauch unter der amtlichen Angabe war, er ist zu hoch für einen modernen 2.3 lt.-Motor.

Fazit: Kurz und sec: Tolles Auto. Der Preis ist einmalig. Aber wir würden diese Motorversion nicht empfehlen, auch wenn man hier nur 80 ausserorts und 120 auf der Autobahn fahren darf. Das macht so keinen Spass.
Nun, den gelben 4-Zylinder haben wir zurückgebracht und einen roten 5-Liter V8, genannt GT, übernommen. Das ist zwar äusserlich und im Innenraum dasselbe Auto, aber mit diesem Motor ein völlig anderes Kaliber.

Den 5-Liter-V8 gibt’s handgeschaltet für Fr. 49‘900, also 8‘000 Franken mehr als für den Vierzylinder auszugeben sind. Wir meinen: Es ist das Geld wert!
Unser Testwagen war ein Cabrio, Convertible in english, handgeschaltet, für 53‘900 Franken. Ob man 4‘000 Franken für das Cabrio ausgeben soll, ist eine philosophische Frage. Immerhin ist das Cabrioverdeck dicht und hat eine heizbare Heckscheibe, ist also allwettertauglich. Und in 10 Sekunden offen!

Das Handling ist auch beim V8 genau gleich wie beim „kleinen“. Aber allein schon der Sound, der nach dem Drücken des Engine-Start-Knopfs ertönt, ist die 8 Kilofranken wert. Tief grollend, leicht bollernd, typisch grosser V8 halt. Schön. 418 PS sollen es sein, die man nun eher glaubt als die 314 von vorhin. Die 524 Nm Drehmoment liegen erst 4‘250 Touren an, aber die Rampe einer Tiefgarage fährt man praktisch im Leerlauf hoch.

Auf Kies kann man kaum wegfahren ohne kchchchc, für Kurvenfahrten lohnt es sich, sich an Gelerntes zu erinnern: Fertig schalten vor der Kurve, Gas geben erst, wenn die Räder wieder gerade stehen, … denn bei dieser Mustang-Variante ist die Kraft echt spürbar und das Fahrvergnügen hoch.
Das aktive Autofahren macht Spass, auch Zuschauer und Zuhörer haben Spass, wir haben manchen gereckten Daumen und grinsende Gesichter gesehen.

Und was kostet der Spass? 8‘000 Franken beträgt die Differenz zwischen 4- und 8-Zylinder. Da sollte also der Entscheid rasch gefällt sein. Den Benzinverbrauch darf man auch noch im Auge behalten. Für das handgeschaltete Cabrio nennt Ford 13.6 Liter. (Der Automat soll mit 12.8 Litern auskommen).
Leider war auch hier der Tank nicht ganz voll, sodass unsere Messung zu hoch ausfiel. Der Bordcomputer nannte 12.9 Liter. Der Verbrauch dieses 5-Liter-V8 wird bei normalem Einsatz wohl um die 14 Liter betragen, sicher drei bis vier Liter mehr als beim 2.3 lt.-Mustang. Die 1‘863 Kg Leergewicht brauchen halt etwas Saft, um in Bewegung zu kommen. Aber das sollte kein Hinderungsgrund sein; wer Benzin sparen will, kauft sich einen Hybrid-Kleinwagen.

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Es fehlt noch die Auflösung des Titels (Zwei Herzen …). Der Mustang ist ein Auto, das mit zwei Herzen erhältlich ist: Einem grossen, weiten, gemütlich brabbelnden, das dafür auch ungeniert etwas zu viel trinkt und einem kleineren, verkniffen wirkenden Buchhalterherzen, dem offenbar nicht recht wohl ist, aber trotzdem viel trinkt.
Eigentlich wäre man ja für die vordergründig vernünftigere der beiden Varianten. Aber wenn die unvernünftigere so viel mehr Spass macht …

Übrigens: Bei beiden Varianten wird beim Öffnen der Tür vom Aussenspiegel ein Licht-Mustang auf den Boden projiziert. Gefällt. Wir wählen den ehrlichen GT 5.0 V8.

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