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zuendung

18. Januar 2014

Zweirad-Trekking

Fiat | 0 Kommentare

Denken wir ein paar Jahre zurück. Zwölf um genau zu sein. Als Porsche den Cayenne an den Start bringt, ist die Szene entsetzt. "Das ist doch kein Porsche mehr", "Nie kann so ein Auto ein Erfolg werden", "Man kann nicht einfach 911er Leuchten an einen Touareg pappen"; so könnten Zitate aus dieser Zeit in etwa […]

Denken wir ein paar Jahre zurück. Zwölf um genau zu sein. Als Porsche den Cayenne an den Start bringt, ist die Szene entsetzt. "Das ist doch kein Porsche mehr", "Nie kann so ein Auto ein Erfolg werden", "Man kann nicht einfach 911er Leuchten an einen Touareg pappen"; so könnten Zitate aus dieser Zeit in etwa lauten. Tatsache ist: Der Cayenne wurde ein gewaltiger Erfolg. Und der Panamera, dem zu Beginn ein ähnlicher Gegenwind entgegen blies, tat es ihm gleich. Mittlerweile sind die gar nicht so sportlichen Modelle längst für die höheren Stückzahlen verantwortlich. Kein Wunder also, dass sich mit dem Macan schon bald ein weiteres "artfremdes Wesen" mit den optischen Elementen des legendären Elfers schmückt.


Geschafft: Trotz Zweiradantrieb am Ziel in Gstaad.

Es schaut aus, als plane Fiat etwas Ähnliches in kleinerem Rahmen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Statt auf dem Status und dem Design eines Heckmotorsportwagens aufzubauen, verlassen sich die Italiener auf die Strahlkraft ihrer ewigen Ikone. Der Fiat 500. Das eigentlich Nuova 500 genannte Wägelchen wurde zwischen 1957 und 1977 gebaut, um 2007 eine Wiederauferstehung als trendiger Kleinwagen zu erleben. Und obwohl er nun also schon bald 7 Jahre auf unseren Strassen unterwegs ist, hat er nichts von seinem Sympathiewert eingebüsst. Wir haben ihn in verschiedensten Versionen testen können. In jeder hat er es geschafft, uns ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern.

Doch weil Fiat nicht von einem einzigen Modell leben kann und will, und weil grössere Autos meist auch grössere Margen ermöglichen, hat man in Turin zu einer gigantischen Luftpumpe gegriffen. Der 500L Trekking schaut wirklich aus, als habe man den normalen 500 aufgeblasen und ihm zwei zusätzliche Türen in Blech geschnitten. Tatsächlich hat er mit dem 500 gar nicht so viel gemein. Unter dem Blech steckt nämlich im Grunde der Punto. Damit wird auch klar, dass wir es hier mit einem deutlich grösseren Auto zu tun haben. Mit 4,27 m Länge und 1,78 m Breite übertrifft er seinen Namensvetter um 73 bzw. 16 Zentimeter. Mit 1,67 Meter überragt er den Kleinen um fast 20 Zentimeter.


Flachlandhüpfer: Trotz SUV-Optik mag der Trekking schwarze Strassen lieber.

Auch wenn er also vermeintlich klein und knuffig daherkommt, hat man es hier mit einem ausgewachsenen Fünfsitzer zu tun. Die Passagiere auf der Rückbank sind dann auch entsprechend überrascht ob des Raumgefühls, das sich im Trekking einstellt. Sie vergessen dabei glatt, dass wegen des raumgreifenden Glasdachs die Kopffreiheit hinten kaum der Rede wert ist. Schon mit 1,75 kratzt man am Dachhimmel. Die Sitzbank lässt sich verschieben, um den Kofferraum mit ohnehin schon ordentlichen 400 Liter Volumen noch weiter zu vergrössern. Dazu kommt, dass er durch den doppelten Boden und die tiefe Ladekante auch gut zu nutzen ist.

Unser Testwagen verfügt über den 1,6 Liter Diesel, der 105 PS zur Verfügung stellt. Er versucht nicht ansatzweise, sein Arbeitsprinzip zu verheimlichen, der typische Nagelsound ist stets vernehmbar. Das sehr lang übersetzte Getriebe nimmt dem Aggregat die in Ansätzen vorhandene Spritzigkeit. Die Gänge 5 und 6 sind nur ausserorts respektive auf der Autobahn angenehme Optionen. Wahrscheinlich soll so der Normverbrauch von 4,7 Liter erreichbar werden. In der Praxis ist es gut ein Liter mehr. Dabei ist man auch aufgrund der nicht sonderlich sportlichen Fahrwerksabstimmung nicht speziell flott unterwegs. Eher wuselt man dank der präzisen Lenkung durch Innenstädte und deren Parkhäuser. Dazu passt die gute Übersicht.


Alien: Das aufgepropfte Navi passt nicht in die ansonsten gelungene Interieurlandschaft.

Wie der Zuname "Trekking" suggeriert, verfügt der 500L gemäss seinem Hersteller durchaus über eine gewisse Geländetauglichkeit. Auf Allradantrieb muss er aufgrund der Punto-Basis zwar verzichten. Mittels Knopfdruck kann aber eine Traction+ bezeichnete Funktion der Traktionskontrolle aktiviert werden, die sinnigerweise mehr Traktion erzeugen soll. Im Unterschied zum normalen 500L ist der Trekking zudem 15 Millimeter höhergelegt, was die Bodenfreiheit auf total 145 Millimeter erhöht. Bei einer Testfahrt ins verschneite Gstaad konnten die Offroadaspirationen jedoch nicht bestätigt werden. Der schneebedeckte Fahrweg konnte nur rückwärts mit Erfolg befahren werden. Eine Mitschuld dürften aber die montierten Ganzjahrespneus tragen, die nicht gerade durch ihre Grobstolligkeit auffallen.


Mini lässt grüssen.

Auffällig ist dafür die Lackierung: Gelb mit weissem Dach erinnert nicht von ungefähr an den Mini. Die Form dagegen lässt nicht wenige Passanten denken, es handle sich um den Countryman aus gleichem Hause. In Anbetracht dessen Erfolgs nicht unbedingt eine schlimme Verwechslung. Übrigens könnte auch der Preis von einem deutsch-englischen Premiumprodukt stammen: Der Fiat 500L Trekking bringt es auf einen Testwagenpreis von 36'140 Franken. Dabei entfallen insgesamt etwas mehr als 5000 Franken auf Extras wie das grosse Glasdach, Zwei-Zonen-Klimaautomatik oder das beats-Audiosystem. Ebenfalls Aufpreis kostet City Brake Control (360.-). Für die Stadtnotbremse hat Fiat 2013 sogar einen Preis von der Euro NCAP erhalten. Sie legt bei niedrigen Geschwindigkeiten die Bremsbeläge vorsorglich an, warnt den Fahrer und greift schliesslich mit einer Notbremsung ein, wenn keine Reaktion erfolgt. Dafür tastet sie den Raum etwa 10 Meter vor dem Fahrzeug nach Hindernissen ab. Wir haben das System unfreiwillig getestet, als wir uns dem hochfahrenden Tor der Tiefgarage etwas zu optimistisch näherten.


Schmal: Der 500L ist nicht speziell breit, sondern die Parklücke speziell schmal.

Mit einem Blick zu Porsche wird die Strategie von Fiat auf einmal verständlicher. Und Mini macht es auch nicht viel anders: Die gleiche Form wird in allen möglichen Variationen verkauft. Natürlich fährt sich der höhergelegte 500L nicht so knackig wie sein dreitüriger Namensgeber. Dazu kommt das sehr lang übersetzte Sechsganggetriebe als Spassbremse. Immerhin heitert das peppige Interieur zusammen mit einem überzeugenden Multimedia-Interface die Stimmung schnell wieder auf. Dazu kommt ein durchaus überzeugendes Raumangebot, wenn man von der Kopffreiheit hinten mal absieht. Der Preis für einen gut ausgestatteten Diesel-Trekking scheint uns aber relativ hoch. Gut, dass sich der Durst des Vierzylinders in Grenzen hält. Aussen schaut er ja vielleicht nicht so hübsch aus wie ein "echter" 500, aber das schafft der Cayenne bei seinem stilistischen Vorbild ja auch nicht.