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23. September 2019

Wasserstoffmobilität – Da tut sich was!

Technik | 0 Kommentare

Wasserstofffahrzeuge sind kein neues Thema. Die Forschung beschäftigt sich schon länger damit. Heute engagieren sich jedoch zunehmend Unternehmen der Wirtschaft, also auf privatwirtschaftlicher Basis. Dabei zeigt sich: richtig angepackt, ist einiges Umsetzungspotential vorhanden. Das Studienforum Schweiz für mobile Antriebstechnik (SSM) besteht seit dem Jahre 1929, bis 2019 unter der Bezeichnung Schweizerische Studiengesellschaft für Motorbetriebsstoffe (SSM). […]

Wasserstofffahrzeuge sind kein neues Thema. Die Forschung beschäftigt sich schon länger damit. Heute engagieren sich jedoch zunehmend Unternehmen der Wirtschaft, also auf privatwirtschaftlicher Basis. Dabei zeigt sich: richtig angepackt, ist einiges Umsetzungspotential vorhanden.

Das Studienforum Schweiz für mobile Antriebstechnik (SSM) besteht seit dem Jahre 1929, bis 2019 unter der Bezeichnung Schweizerische Studiengesellschaft für Motorbetriebsstoffe (SSM). Seine Mitglieder stammen hauptsächlich aus Kreisen der Automobilverbände, der Mineralölbranche, der Motoren- und Fahrzeugwerke, des Auto- und Transportgewerbes, der Verkehrsbetriebe, des Heeres, der Post, der Eidg. Technischen Hochschule ETH-Zürich und der Eidg. Materialprüfungsanstalt EMPA Dübendorf.

Seit den 1980er Jahren steht im Zentrum des Interesses des SSM insbesondere die Optimierung der Motorentechnik im Hinblick auf die Schadstoffemissionen und des Treib­stoffverbrauchs.

Das SSM will heute und in der nächsten Zukunft einen Beitrag zur Lösung der grossen Herausforderung beim anstehenden Wandel der Antriebstechnologien für Strassenfahrzeuge leisten. Konkret bezweckt das SSM die Wissensvermittlung über Erforschung, Entwicklung und Anwendung der Antriebstechnologien für Strassen- und Off-road-Fahrzeuge. Dabei stehen Analyse und Beurteilung von Fahrzeugantriebs-konzepten und deren Energiever­sorgung unter Berücksichtigung der Bedürfnisse von und der Auswirkungen auf Mensch und Umwelt im Vordergrund.

Die diesjährige September-Vortragstagung des SSM – wie immer im Campus Sursee – trug den Titel

Wasserstoffmobilität – Hype oder Realität

Sie zeigte auf, wie sich die Wasserstoffmobilität im Kontext der erneuerbaren Strompro­duktion darstellt und wie sie sich ökonomisch einschätzen lässt. Ein Projekt mit dem Einsatz von 1‘000 Brennstoffzellen-LKWs wurde vorgestellt und die Spezialitäten der Betankung erläutert. Nach den Vorträgen des Vormittags standen die drei Referenten für ein Panel zur Verfügung. Zum Abschluss der Tagung interviewte Christian Bach (Empa / SSM) einen bekannten Klimaforscher.

Für die diesjährige Fachtagung des SSM konnten wiederum sehr namhafte Referenten gefunden werden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer (mit rund 150 Personen war der Saal praktisch ausverkauft!) erhielten einen vertieften Einblick in den aktuellen Stand der Wasserstoffmobilität.

Meinrad Signer (msco GmbH Arbon), Präsident des SSM, begrüsste die Rekordanzahl Teil­nehmer und erläuterte kurz die Namenänderung des SSM. Die News auf der Website sind im Ausbau. Künftig ist der SSM Anlaufstelle für alle technischen Fragen zur Mobilität.

Als erster Referent sprach Urs Elber, Managing Director Research Focus Area Energy bei der Empa in Dübendorf zum Thema

«Energiesystem und die Elektrifizierung der Mobilität».

Die Elektrifizierung der Mobilität, dazu zählt auch die Herstellung von Wasserstoff und synthetischen Treibstoffen, führt zu einem höheren Stromverbrauch. Elber analysierte die Auswirkungen im Zusammenhang mit dem gesamten zukünftigen Energiesystem. Dabei ist auch der Einfluss auf den gesamten CO2-Ausstoss von Bedeutung.

Nach Erklärungen, womit sich die Empa auf dem Themengebiet befasst (es ist unheimlich vielseitig) und Erklärungen, wozu es im Bereich Mobilität überall elektrische Energie braucht, kam dann die Erklärung, wo uns wann wieviel Strom fehlen wird. Heute schon haben wir im Sommer völlig genug Strom (wie die umliegenden Länder auch), im Winter aber viel zu wenig (wie die umliegenden Länder wohl bald auch). Es muss angenommen werden, dass bei winterlichem Strommangel die Länder, von denen wir bisher Strom importieren konnten, zuerst für ihre eigenen Leute schauen werden, resp. ihre Ziele gemäss Paris21 zuerst selber erreichen wollen. Woher nehmen wir dann den fehlenden Strom? An der Empa berechnet man x Modelle und erstellt Profile aller Art, mit und ohne KKW, mit Photovoltaik auf 50% der geeigneten Dachflächen, ohne dies, mit jenem, …

Die CO2-Belastung der (elektrobasierten) Mobilität hängt von der «grauen» Energie und der CO2-Intensität des verwendeten Stromes ab.

Dann ging es im Referat von Urs Elber auch um die Wasserstoff-Produktion aus erneuer­baren Quellen mit saisonalem Speicher, das Power-to-Gas – Konzept.

Wenn Strom/Gas erneuerbar ist, ist auch der Wasserstoff (H2) CO2-arm. Den Zuhörern wurde erklärt, wie das in naher Zukunft funktionieren kann. Forschung ist aber nach wie vor nötig und findet auch sehr breit statt.

01 H2-Produktion

Fazit:

– Die eigenen Ressourcen für eine gesamte Elektrifizierung von Wärme und Mobilität werden nicht reichen, auch mit sehr viel Solarenergie nicht.

– Die zukünftigen Importmöglichkeiten von erneuerbarer Energie aus dem Ausland werden mit entscheidend sein (Strom, LNG, etc.).

– Synthetische Treibstoffe und Wasserstoff machen nur dann Sinn, wenn sie aus erneuer­baren Energien hergestellt werden.

– Synth. Treibstoffe können auch saisonal gespeichert werden und deshalb nicht sonst verwendbare Energie im Sommer nutzen.

– Zusätzliche unflexible Lasten im Stromnetz zugunsten der Mobilität können zu hohen CO2-Werten führen.

– Die Gesamteffizienz des Systems ist wichtiger als die Effizienz einer speziellen Techno­logie.

– Der CO2-Gehalt des zur Versorgung nötigen Gesamtsystems ist entscheidend, nicht nur der CO2-Ausstoss am Ort des Verbrauchs.

– Nachhaltigkeit besteht nicht nur aus CO2; Luftreinhaltung ist ebenso wichtig (vor allem in den Städten).

Im zweiten Referat des Tages sprach Professor Dr. Bernd Schips, erem. ordentlicher Professor für Nationalökonomie und Leiter der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich über

«Ökonomische Überlegungen zur H2-Mobilität».

Für den Strassenverkehr der Zukunft – d.h. für Strassenfahrzeuge, die im Betrieb keine oder nur geringe Emissionen von THG (Treibhausgase) mehr verursachen, werden verschiedene Antriebskonzepte mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen propagiert und z.T. auch schon in einem grösseren Ausmass eingesetzt.

Gesucht sind Antriebskonzepte, mit denen die spezifischen Mobilitätsbedürfnisse mit möglichst geringen CO₂-Emissionen und möglichst kostengünstig – sowohl für die Betreiber der Fahrzeuge als auch aus gesamtwirtschaftlicher Sicht – befriedigt werden können.

Vorgeschlagene Lösungsmöglichkeiten sind

– Batterieelektrisch angetriebene Fahrzeuge

- Fahrzeuge, die den für den Antrieb benötigten Strom in mit H₂ betriebenen Brennstoffzellen erzeugen

- Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, die mit synthetischen Treibstoffen CO₂-neutral betrieben werden

Eine vollständig CO₂-freie Mobilität ist und bleibt jedoch mit einiger Sicherheit noch für viele Jahrzehnte eine Wunschvorstellung. Die Produktion der Fahrzeuge (einschliesslich aller Vorleistungen) verursacht unvermeidlich mehr oder weniger CO₂-Emissionen (Rohstoff­gewinnung und -aufbereitung, Bau und Unterhalt der Produktionsanlagen, Produktion der Fahrzeuge, auch wenn dabei künftig weniger CO₂-Emissionen anfallen dürften, usw.).

Auch der Bau und Unterhalt von Anlagen zur CO₂-freien Stromerzeugung und zur Umwand­lung von CO₂-frei erzeugtem Strom in für den Antrieb von Strassenfahrzeugen geeignete Energieträger (Batterien, H₂, gasförmige oder flüssige synthetische Treibstoffe) führt zu CO₂-Emissionen

Wasserstoff (H2)

H₂ bildet mit O₂ ab einem bestimmten H₂-Anteil ein zündfähiges und explosives Gemisch. H₂ ist 14-mal leichter als Luft und verflüchtigt sich schnell (wichtig im Brandfall). H₂ kann nach einer Verflüssigung bei tiefen Temperaturen (-250 Grad Celsius) in thermisch isolierten Tanks (unter Inkaufnahme von Verlusten zum Druckausgleich) gespeichert werden. H₂ kann aber auch in Drucktanks (mit 350-700 bar) gespeichert werden.

Verluste entstehen nur beim Komprimieren, die hohen Drücke erfordern jedoch ein aufwän­diges Tank- und Transportsystem.

Eine noch in der Entwicklung bzw. Erprobung befindliche Lösung für die Speicherung von H₂ könnten „Liquid Organic Hydrogen Carriers (LOHC)“ sein. H₂ wird dabei über einen Kataly­sator chemisch an eine Trägerflüssigkeit gebunden, die bei normalem Druck und normaler Temperatur gelagert und transportiert werden kann. Die zu transportierende Masse nimmt dabei jedoch erheblich zu. Und in grossem Masse funktioniert das auch (noch) nicht.

Ein grosser Vorteil des H₂ ist seine Eignung als transportabler Speicher für grosse Energie­mengen. Insbesondere ermöglicht H₂ die Speicherung von mit neuen erneuerbaren Energie­trägern (neE) erzeugtem Strom, der häufig nicht bedarfsgerecht produziert werden kann. Diese Speicherform ist flexibler und kostengünstiger als eine Speicherung mit stationären Batterien.

H₂ ermöglicht z.B. durch eine Substitution des Brennstoffs und Reduktionsmittels «Koks» in der Stahlproduktion eine Reduktion der CO₂-Emissionen.

Auch eine Weiterverarbeitung zu verschiedenen Kohlenwasserstoffen (wie Methan, Methanol, Ethan oder Propan) ist möglich, aus denen sich CO₂-neutrale synthetische Treib- und Brennstoffe oder Grundstoffe für die chemische Industrie herstellen lassen.

Eine direkte Verwendung von H₂ als Treibstoff für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren ist technisch machbar. Der Wirkungsgrad eines mit H₂ betriebenen Verbrennungs- Motors ist jedoch geringer als der einer mit H₂ betriebenen Brennstoffzelle. Da H₂ keinen Kohlenstoff enthält, entstehen in einem damit betriebenen Verbrennungsmotor nur Stickstoffoxide (NOx, aber praktische keine Emissionen von CO₂, CO und HC (geringe Spuren dieser Schadstoffe in den Abgasen gehen auf die zur Motorschmierung benötigten kohlenstoffhaltigen Öle zurück).

H₂ ist oft ein Nebenprodukt der chemischen Industrie (*), kann jedoch auch direkt aus Erdgas (CH₄) hergestellt werden. Mit Strom – und vorzugsweise mit von Wasserkraft- und Kernkraft­werken sowie von Photovoltaik- und Windkraftanlagen CO₂-frei erzeugtem Strom – kann H₂ durch eine Elektrolyse aus Wasser (H₂O) gewonnen werden. Der Strombedarf für die Elekt­rolyseure ist jedoch hoch, die bei einer Elektrolyse entstehende Abwärme kann aber u.U. in ein lokales Wärmenetz eingespeist werden.

(*) Mit der Menge könnten damit allein in D 750‘000 H2-Fahrzeuge betrieben werden.

Eine Brennstoffzelle wandelt einen chemischen Energieträger (Brennstoff) in elektrische Energie um. Im Unterschied zu einer Batterie ist der chemische Energieträger aber nicht fest eingebaut, sondern wird im Betrieb kontinuierlich von aussen zugeführt.

Als Brennstoffe kommen neben H₂ auch gasförmige und flüssige Kohlenwasserstoffe (wie z.B. Methan(CH₄) oder Methanol (CH₄OH) in Betracht. Aber nur eine mit H₂ betriebene Brennstoffzelle verursacht keine CO₂-Emissionen.

Der Wirkungsgrad einer mit H₂ betriebenen Brennstoffzelle liegt bei gut 80 Prozent, die eines Fahrzeugs mit einer H₂-Brennstoffzelle bei etwa 50 Prozent und unter Einbeziehung der H₂-Herstellung bei knapp 30 Prozent (Well- to-Wheel).

Batterieelektrische Fahrzeuge kommen auf einen Wirkungsgrad von 90 Prozent, bei einer Schnellladung sinkt der Wirkungsgrad u.U. aber auf etwa 75 Prozent. Unter Einbeziehung der Stromerzeugung ist bei einer Well- to-Wheel-Betrachtung ein batterieelektrisches Fahr­zeug nur wenig besser als ein Fahrzeug mit einer H₂-Brennstoff- Zelle (aus einem zunehmenden Anteil von Photovoltaik- und Windkraftanlagen an der Stromerzeugung resultiert zudem auch ein grosser Speicherbedarf).

H₂ lässt sich binnen weniger Minuten für grosse Reichweiten nachtanken, ohne lange Lade­zeiten in Kauf nehmen oder grosse und schwere Batterien mitführen zu müssen. Eine Brenn­stoffzelle liefert nur gleichförmig Strom, zur Überwindung von Lastspitzen wird daher eine Batterie benötigt.

Der Bau von H₂-Tankstellen ist noch teuer (ca. 1 Mio. CHF); durch die zu erwartenden Skaleneffekte werden aber die Kosten für die Erstellung von H₂-Tankstellen künftig deutlich sinken.

Gegenwärtig sprechen eine noch unzureichende Infrastruktur für die Versorgung mit H₂ und auch die – im Vergleich mit Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren – hohen Anschaffungs­preise für Fahrzeuge mit H₂-Brennstoffzellen gegen eine rasche Verbreitung dieses Antriebs­konzepts. Mit dem Aufbau von regionalen Netzen mit H₂-Tankstellen zur Betankung von regional eingesetzten Lkw und Bussen mit H₂-Brennstoffzellen könnte jedoch das Ver­sorgungsproblem dann auch für PKW schrittweise gelöst werden.

Bei steigenden Stückzahlen dürften Fahrzeuge mit H₂-Brennstoffzellen zu mit batterie­elektrischen Fahrzeugen vergleichbaren Kosten hergestellt werden. Ein gewichtiger Kosten­faktor ist das zur Inganghaltung der Reaktion von H₂ mit O₂ als Katalysator benötigte Platin. (Die benötigte Menge an Platin liegt bei ca. 8-10 Gramm. Diese Menge ist auch für den Kata­lysator eines Fahrzeugs mit Benzinmotor erforderlich (ungefähr 98 Prozent des Platins in den Katalysatoren der Fahrzeuge mit Benzinmotoren wird jedoch bereits heute durch Recycling zurückgewonnen). Auch die Herstellkosten der in den H₂-Brennstoffzellen gestapelten Schichten aus Elektroden und dazwischen liegenden Membranen („Stacks“) werden aufgrund rationeller Fertigungsmethoden und technischer Fortschritte künftig sicher deutlich sinken. (Kostensenkungen aufgrund technischer Fortschritte und Skalenerträgen wird es nicht nur bei Batterien geben (Energiedichte, Gewicht und Ladedauer).)

Exkurs

In der Brennstoffzelle trifft H₂ aus dem Tank auf O₂ aus der Umgebung. An einer Membran werden dann 2 H₂-Moleküle aufgespalten, wobei 4 Elektronen entstehen. Die negativ geladenen Teilchen sorgen dann dafür, dass sich auch ein O₂-Molekül trennt, das mit dem aufgespaltenen H₂ zu H₂O reagiert. Die Elektronen können die Membran nicht passieren und müssen auf dem Weg zum O₂ einen Umweg einschlagen. Dadurch fliesst ein Strom, mit dem sich ein Elektromotor betreiben lässt.

Ein bereits auf dem Markt erhältlicher Pkw mit einer H₂- Brennstoffzelle verbraucht z.B. auf 100 km ca. 0.8 kg H₂. Die Kosten für konventionell hergestellten H₂ liegen z.Zt. bei ca. 9.50 Euro (bzw. ca. 11 CHF) pro kg.

Die Kosten für durch Elektrolyse gewonnenen H₂ hängen davon ab, ob und inwieweit der zur Herstellung von H₂ eingesetzte CO₂-frei erzeugte Strom mit Abgaben und Netzentgelten belastet wird.

Vergleich mit anderen Antriebskonzepten

Vorteile der H₂-Brennstoffzellenfahrzeuge sind – im Vergleich mit batterieelektrischen Fahr­zeugen – das geringere Fahrzeuggewicht und die grössere Reichweite sowie insbesondere die für Schwerlastfahrzeuge relevante deutlich höhere Nutzlast. Der Tankvorgang bean­sprucht zudem wesentlich weniger Zeit als die Aufladung einer Batterie, auch wenn die Reichweiten der batterieelektrischen Fahrzeuge künftig steigen und die Beladungszeiten kürzer werden sollten.

Batterieelektrische Fahrzeuge (mit gleicher Reichweite) haben – über den Lebenszyklus – keine Vorteile in Bezug auf die CO₂- Emissionen gegenüber H₂-Brennstoffzellenfahrzeugen (selbst wenn in beiden Fällen für die Produktion und den Antrieb sowie für die Herstellung von H₂ nur CO₂-freier Strom eingesetzt wird. Nur die für den Agglomerationsverkehr prädes­tinierten batterieelektrischen Fahrzeuge mit geringer Batteriekapazität (kleiner 50 kWh) haben – auch beim gegenwärtigen europäischen Strom-Mix – leichte Vorteile in Bezug auf die CO₂- Emissionen. Nicht nur der Aufbau einer Infrastruktur für eine ausreichende Versorgung mit H₂ verursacht hohe Kosten, sondern auch die Errichtung einer privaten und einer öffent­lich zugänglichen Ladeinfrastruktur (inklusive Speicher) für batterieelektrische Fahrzeuge.

Hinzu kommen – neben den Komforteinbussen batterieelektrischer Fahrzeuge bei Reichweite und Ladedauer – ev. auch netzbedingte und rechtliche Hindernisse beim Bau der Ladeein­richtungen. Für lange Strecken und den Transport schwerer Lasten sind batterieelektrische Fahrzeuge sicher keine optimale Lösung.

Mit synthetischen und CO₂-frei erzeugten Treibstoffen können diese Transportaufgaben aber gelöst werden. Auch für andere Einsatzbereiche von Verbrennungsmotoren – insbesondere für Teilbereiche der Schiff- und Luftfahrt für die es - zumindest derzeit noch – keine prakti­kablen batterieelektrische Mobilitätslösungen gibt, bieten solche Treibstoffe zukunftsfähige Einsatzmöglichkeiten.

CO₂-frei erzeugter H₂ kann in einem weiteren Schritt mit CO₂ zu gasförmigen oder flüssigen Kohlenwasserstoffen kombiniert werden (das benötigte CO₂ kann der Atmosphäre oder hoch konzentrierten CO₂-Emissionen entnommen werden). Die so produzierten Brenn- und Treib­stoffe können kostengünstig gelagert und transportiert werden. Auch die vorhandene Trans­port- und Verteilungsinfrastruktur kann weiter genutzt werden.

Mit diesen synthetischen Treibstoffen können Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren CO₂-neutral betrieben werden. Die für die Herstellung dieser Treibstoffe notwendigen Umwand­lungsschritte beeinträchtigen jedoch den Gesamtwirkungsgrad der damit angetriebenen Fahrzeuge. Nur etwa 13 Prozent der eingesetzten Energie bleiben am Ende noch für den Antrieb der Fahrzeuge. Zudem sind diese Treibstoffe noch etwas teurer als Treibstoffe aus Mineralölen.

Bei einer steigenden Produktion dieser Treibstoffe werden mit Sicherheit auch die Herstel­lungskosten sinken (falls der benötigte Strom von Abgaben und Netzentgelten entlastet wird). Mit Blick auf die globalen Fahrzeugmärkte, wo es mit Sicherheit auch in den nächsten Jahrzehnten, insbesondere wegen der oft fehlenden Infrastruktur für batterieelektrische Fahr­zeuge, noch eine hohe Nachfrage nach Fahrzeugen mit konventionellen Verbrennungs­motoren geben wird, lohnt sich jedoch die Entwicklung und Produktion synthetischer Treib­stoffe.

Das in einigen Ländern angestrebte Ziel eines CO2-armen Strassenverkehrs kann also auch mit von synthetischen Treibstoffen angetriebenen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren erreicht werden. Dadurch würde vor allem der Umbau der Produktionsanlagen in der Auto- und Zulieferindustrie erleichtert, sowie die technische Wettbewerbsfähigkeit und Präsenz der etablierten Hersteller auf den Weltmärkten erhalten bleiben.

In den kommenden Jahrzehnten werden mit Sicherheit noch Fahrzeuge mit Verbrennungs­motoren benötigt und nachgefragt werden.

Der Entscheid für ein CO2-armes Antriebskonzept sollte daher aufgrund der unterschiedli­chen Mobilitätsanforderungen und –bedürfnisse bestimmt werden und nicht von einer kurz­fristig orientierten Politik erzwungen werden.

Wenn in einem Wirtschaftsraum versucht wird, im Vergleich mit anderen Weltregionen wesentlich strengere Emissionsvorschriften durchzusetzen, um einem bestimmten Antriebs­konzept zum Markterfolg zu verhelfen, kann eine solche Politik die Wettbewerbsfähigkeit der Fahrzeughersteller und Zulieferer beeinträchtigen. (Kosten für den Umbau von Produktions­anlagen, Veränderungen in den Liefer- und Wertschöpfungsketten, usw.), ohne dass dies mit dem Verkauf CO₂-ärmerer Fahrzeuge auf anderen Märkten kompensiert werden kann.

Auf Subventionen, steuerliche Vorteile und/oder Privilegien für ein bestimmtes Antriebs­konzept ist unbedingt zu verzichten.

Die Belastung von Strassenfahrzeugen mit Steuern und Abgaben ist – angesichts des bei Marktanteilsgewinnen CO₂- armer Fahrzeuge und der dadurch schwindenden Einnahmen aus Mineralölsteuern usw. – allerdings früher oder später zu modifizieren, um die bisher damit finanzierten Aufgaben weiterhin bewältigen zu können (z.B. durch eine an Fahrleistung und Gewicht anknüpfende Besteuerung).

Bernd Schips streute auch da und dort Randbemerkungen ein, z.B. dass der elektrische Betrieb der halben Pkw-Flotte Deutschlands gleich viel Strom benötigte wie ganz Deutschland verbraucht.

Oder dass ein elektrisch betriebener 40-Tonner-Lastwagen eine 10 Tonnen schwere Batterie mitschleppen müsste, was zu Lasten der möglichen Zuladung ginge.

Aber die Zuhörer wussten nun, dass es möglich ist, aber nicht einfach und dass man dies und jenes und auch das und und und bedenken muss.

Nach so viel Theorie ging’s nun in die Praxis – mindestens teilweise.

Rolf Huber, Gründer und VR-Präsident der H2-Energy AG in Zürich-Glattpark, referierte zum Thema

Warum ist die Schweiz weltweit das erste Land mit einer Flotte von über 1‘000 H2-Lkws?

Es geht dabei um die Einführung von 1‘000 Hyundai Brennstoffzellen-Lastwagen in der Schweiz und deren Versorgung durch 100% erneuerbaren Wasserstoff.

Warum wird die Schweiz das erste Land … wäre vielleicht der ehrlichere Titel gewesen, denn die ersten dieser 1‘000 Lastwagen kommen erst gegen Ende 2019 in Verkehr, 50 sind es dann bis Ende 2020.

Der Anstoss kommt von Coop, die seit Jahren den Einsatz von Wasserstoff studieren und fördern und in Hunzenschwil auch eine der beiden ersten Tankstellen betreiben. Coop möchte die CO2-Neutralität erreichen. Marktpotential und Soziales Interesse sind Stich­wörter.

Bei H2 ist man der Ansicht,

– dass die Einführung dieser H2-Lkws Investitionen auslösen für die nationale H2-Infra­struktur.

– Die H2-Lkws ermöglichen einen wirtschaftlichen Betrieb der H2-Tankstellen.

– Die Wasserstoff-Infrastruktur löst Nachfrage nach Wasserstoff-Personenwagen aus.

– Wasserstoff-Pw gewinnen Marktanteile und sparen zusätzlich CO2 ein.

Huber berichtet über die emissionsfreie Kreislaufwirtschaft für die Mobilität und den Schwer­verkehr:

– Laufwasserkraftwerke liefern erneuerbare Energie (Ressourcen),

– PEM Elektrolyseure verwandeln Wasser und Strom in Wasserstoff und Sauerstoff (H2-Produktion)

– Wasserstofftransport (Logistik)

– An den Wasserstofftankstellen wird Wasserstoff angeboten (Tankstellen-Infrastruktur)

– Transporteure können durch H2 ihre Lkw-Flotte dekarbonisieren (Bereitstellung H2-Lkws).

Das Gesamtsystem ist seit 2016 operativ!

Hyundai ist der Wunschpartner. Weitere Automobilkonzerne mit etablierter H2-Kompetenz sind Toyota und Honda. Weitere 51 Marken im Besitz von 11 Automobilfirmen haben da aber (noch) keine Kompetenzen.

Jetzt wurde bekanntgegeben, dass Hyundai in der Schweiz ab jetzt bis 2025 nicht nur tausend, sondern 1‘600 schwere Nutzfahrzeuge liefern wird. Sie werden mit 100% «grünem» Wasserstoff betrieben.

Zu Beginn sind es 34-Tonner (4×2 Brennstoffzellen-Anhängerzug), ab 2021 dann auch 40-Tonner (ebenfalls 4×2 FC-Anhängerzüge). 44-Tonner-Sattelschlepper (4×2/6×4) sind in Abklärung. Erste H2-Lkw laufen Ende 2019, 50 werden es Ende 2020 sein. Der vollständige Roll-out beginnt 2021.

2020 werden erste H2-Lastwagen auch in zwei weiteren Ländern laufen. Die minimale Absatzmenge sind 250 Lastwagen.

Die wichtigsten Akteure, die die Voraussetzungen schaffen für die Lkw-Betreiber sind Hyundai und H2 Energy. Wichtige Beteiligte sind aber auch die Tankstellenbetreiber Avia, Agrola, Coop/CMA, Migrol, Shell, Socar und Tamoil. Auf der «Stromseite» dann Alpiq, H2 Energy und Linde.

Als Hauptgründe, warum die Schweiz für eine Lancierung am attraktivsten ist, nennt Rolf Huber das Unternehmertum, Natur und Landschaft, die Incentivierung, die Politik, die Kultur und den Forschungsstandort.

Denn wir haben hier eine Top-Forschung mit exzellenter Unterstützung (Beispiel EMPA). Gemäss Huber streben Unternehmer in der Schweiz nicht nur nach den tiefsten Kosten.

03 Top-Forschung

Dass die Politik sich eher passiv verhält, sei sehr hilfreich; Huber nennt die Stichworte Bescheidene Subventionspolitik, keine Wirtschaftspolitik (da keine eigene Automobil­industrie), Sonderregeln, da nicht in der EU, (meist) unbürokratisch, technoligieagnostisch und offen.

Übrigens: Die Wissenschaft ist viel weiter als die Wirtschaft.

Und zu Natur und Landschaft: Wenn es hier in der Schweiz geht, geht es überall!

Zum Schluss kommt auch die LSVA noch zur Sprache: Huber sagt, die LSVA sei eine Art Emissionsgebühr, welche auf die Alpeninitiative zurückgehe.

Befreiung von der LSVA eröffne Möglichkeiten, emissionsfreie Lastwagen schon heute kommerziell einzusetzen.

Das anschliessende

Podiumsgespräch

mit den drei Referenten führt Fabian Bilger von Averenergy Suisse.

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v.l. Rolf Huber, Prof. Bernd Schips, Urs Elber, Moderator Fabian Bilger

Daraus nur eine Bemerkung zur Stromherstellung: Die beste Form der Stromherstellung sei in Laufkraftwerken, da gehe nichts ins Netz, also keine Netzgebühren und dergleichen, Wasserstoffherstellung vor Ort und dann mit Lastwagen direkt zur H2-Tankstelle.

Der Transport des Wasserstoffs auf der Strasse koste etwa 5 Rp./km. 10 Km Distanz würden den Wasserstoff um 50 Rp. pro Kg verteuern (wobei wir wissen, dass ein Pw für 100 Km ca. 0.8 Kg benötigt).

Am Nachmittag erfuhren die Zuhörer dann etwas über die H2-Tankstellen. Die Wasserstoff­industrie steht vor der Herausforderung, bestimmte (in der europäischen Gesetzgebung fest­gelegte) Messanforderungen zu erfüllen. Der Fachvortrag von Patrick Stadelmann, wissen­schaftlicher Mitarbeiter im Labor für Fahrzeugantriebsysteme der Empa Dübendorf, beschäf­tigte sich mit dem aktuellen Design der Wasserstofftankstelle und zeigte, was die mess­technischen Anforderungen sind. Ziel ist es, sicherzustellen, dass diese Vorgaben die welt­weite Einführung von Wasserstofffahrzeugen auf dem Automobilmarkt nicht verhindern.

Das Referat mit dem Titel

«Metrology for Hydrogen Vehicles»

war zwar auf Deutsch gehalten, aber mit englischen Ausdrücken gespickt. Die Diskussionen der Empa-Mitarbeiter in Dübendorf werden wohl vorwiegend auf Englisch geführt.

Bis vor kurzem gab es noch gar keine anerkannte Test- oder Eichmethode für Wasserstoff­tankstellen. Abweichungen bei Bezügen waren also üblich und blieben unerkannt. Seit Oktober 2018 gibt es nun neue Messmethoden, die wesentlich komplizierter und umfang­reicher sind als das Eichen einer Benzintankstelle. Sie dauern u.U. mehrere Tage. Da spielt zum Beispiel der Druck beim Tanken eine Rolle, der von 20 bis 700 bar reichen kann, ob ganz gefüllt wird oder nur teilweise,…

Sagen wir: Es ist umfangreich und kompliziert.

04 Metrology

 

Dann folgte der Blick ins Ausland:

«Wasserstoffmobilität in Deutschland – Status Quo und Ausblick».

Benjamin Jödecke, Business Development Manager bei der H2 MOBILITY Deutschland GmbH & Co. KG in Berlin erläuterte die Strategie der Bundesregierung zum Aufbau von H2-Tankstellen und regulatorische Rahmen, die Rolle der H2 Mobility Deutschland, Status Quo und Ausblick des Ausbaus der Infrastruktur, Betrieb der H2-Tankstellen. Jödecke referierte auch zu den Herausforderungen und Implikationen für die Zukunft, das Fahren mit Wasser­stoff und die Nutzung von Brennstoffzellenfahrzeugen aus Kundensicht.

H2 Mobility ist ein Joint Venture von sechs Industrieführern, nämlich Air Liquide, Daimler, Linde, OMV, Shell und Total. Unterstützung leisten BMW, Honda, Hyundai, Toyota, Volks­wagen und NOW (Nationale Organisation für Wasserstofftechnologie), sowie die deutsche Regierung.

Die Roadmap sieht vor, 100 Wasserstofftankstellen zu bauen bis Anfang 2020. Dieses Ziel werde man wohl früher erreichen. Aktuell und heute aktiv sind bereits 76 H2-Tankstellen. Diese 100 Tankstellen werden gebaut ungeachtet der Autoverkäufe, resp. der Nachfrage. Der für 2025 geplante Ausbau auf 400 Tankstellen ist dann aber abhängig von den Fahr­zeugverkäufen und der Nachfrage. Bis 2030 könnten es dann um die 1‘000 Tankstellen werden.

Der Fokus liegt zuerst auf den «metropolitan regions» wie Berlin, Nürnberg, München, Stuttgart, Frankfurt, Rhein-Ruhr, Hamburg und die verbindenden Autobahnen. 2021 werden es 120 bis 140 Stationen sein, davon eine Anzahl auch ganz im Süden Deutschlands.

05 Tankstellen D

Jödecke meint, man sei gerüstet und vorbereitet für künftiges Wachstum, nämlich von heute um die 400 H2-Autos auf bis zu 40‘000 gegen Ende 2019. 100 Wasserstofftankstellen ermöglichen 6.27 Millionen Privatkunden den Zugang zu einem FC-Fahrzeug für ihre Mobili­tätsbedürfnisse.

Man erfährt auch, wie und wo welcher Antrieb sinnvoll ist oder sein wird: BEV, also Batterie­fahrzeuge, z.B. bis ca. 100 Km/Tag und einer Zuladung von 10 Tonnen. Auf der andern Seite Bio- und H2-basierte synthetische Treibstoffe für Flugzeuge und Schiffe, 10‘000 Tonnen und 1‘000 Km/Tag. Und für alles dazwischen ist das FCEV (Brennstoffzellenfahrzeug) die richtige Wahl.

An diesen Ausführungen war gut zu erkennen, dass die Schweiz keine Insel ist. Am Beispiel Deutschland sieht man, dass dort ebenfalls mit Hochdruck die Wasserstoffmobilität voran­getrieben wird.

Das nachfolgende Interview, das Christian Bach von der Empa mit Prof. Dr. Reto Knutti führte, Professor für Klimaphysik am Institut für Atmosphäre und Klima an der ETH-Z, passte insofern in die Vortragsreihe, weil den ganzen Tag ja von CO2 und dessen Vermeidung die Rede war. Es ging im Interview um den Klimawandel, Kyoto- und Pariser Klimaabkommen wurde erklärt. Obwohl IPCC-Mitglied Knutti «das Heu sicher nicht auf derselben Bühne» hat wie eine grosse Zahl der Zuhörer, erklärte er die Fakten erfreulich sachlich und unideo­logisch.

Erfreuliche Erkenntnis der Vortragstagung: Es geht vorwärts mit der Wasserstoffmobilität. Sofern der Strom alternativ, grün, umweltfreundlich, wie immer man das bezeichnen will, hergestellt wird, wurde von allen Referenten betont, ist Wasserstoff eine sehr gute Alter­native zu Dieseln/Benzinern und eine bessere Lösung als BEVs, wenn es um grössere Reichweiten und Zuladungen geht.

Heiny Volkart, VOLKARTpress

September 2019