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amadefries

5. April 2022

100’000 untermotorisierte Kilometer

Allgemein, Subaru | 0 Kommentare

Wie oft hat man es beim Erscheinen des Duos Toyota GT86 / Subaru BRZ gelesen? Die Coupés seien untermotorisiert, der Turbo fehle, jeder Vertreterkombi habe mehr Drehmoment. In 5 Jahren habe ich 100’000 Kilometer mit diesem blauen Subaru BRZ abgespult, ab Kilometerstand 0. Jeden einzelnen davon habe ich geliebt. Ok, fast. Aber der Reihe nach. […]

Wie oft hat man es beim Erscheinen des Duos Toyota GT86 / Subaru BRZ gelesen? Die Coupés seien untermotorisiert, der Turbo fehle, jeder Vertreterkombi habe mehr Drehmoment. In 5 Jahren habe ich 100’000 Kilometer mit diesem blauen Subaru BRZ abgespult, ab Kilometerstand 0. Jeden einzelnen davon habe ich geliebt. Ok, fast. Aber der Reihe nach.

Als ich in Anneau du Rhin und auch hier in der Schweiz während eines normalen Tests die Gelegenheit erhielt, den Toyota GT86 zu fahren, konnte ich es kaum glauben: Die hatten tatsächlich einen nigelagelneuen altmodischen Sportwagen gebaut. Einfach vom Konzept her, dabei nicht einmal teuer und auch nicht hässlich. Ein paar Monate später hatte ich die Möglichkeit, den Subaru BRZ zu meinem Daily Driver zu machen. Eine Chance, die ich mir nicht entgehen lassen konnte. Blau sollte natürlich sein, weil: Subaru. Und er sollte noch Parksensoren erhalten, weil: Alltagsgebrauch. Aus dem gleichen Grund wurde ebenfalls nachträglich die Radionavi-Einheit aus dem Originalzubehör verbaut. Für den Sommer bekam er wunderbare O.Z.-Felgen, deren durchsichtigere Bauweise dazu führte, dass die Bremssättel lackiert werden „mussten“. Um möglichst beim Thema zu bleiben, war Gold die Farbe der Wahl.

Und schon sind wir mitten in der Optikdiskussion. Nein, der BRZ ist kein Auto, das zum Niederknien schön ist. Aber das Design fesselt einen über die Zeit mit einer eigenständigen Schlichtheit, die der Funktion weitgehend alles Formale unterordnet. Form follows Function. So soll es sein. Darum wurden beispielsweise die vorderen Kotflügel etwas ausgesprägter ausgeführt; Dank ihnen soll man den Scheitelpunkt besser anvisieren können. Die sehr stimmigen Proportionen und die geringe Höhe sind dem Erreichen eines möglichst tiefen Schwerpunkts geschuldet. Zudem führt ein relativ weit hinten eingebauter Längsmotor automatisch zu einer eher langen Haube, das 2+2-Sitzkonzept zu einem kurzen Heck. Knackig schaut er aus, auch bald 10 Jahre nach seinem Erscheinen.

Gerade wegen seiner durchaus sportlichen Optik wurde ich nicht selten mit einem Raunen bedacht, als ich dem BRZ entstieg. Schnell versuchte ich jeweils zu erklären, dass der Sportwagen eben nur 200 PS habe und gar kein so übertriebenes Rasermobil sei. Meist wurden meine Worte ignoriert, das (Vor-)Urteil war längst gemacht. Nun, sei’s drum, den BRZ fährt man nicht für die Anderen, sondern nur für sich. Aber ja, man ist nicht so unauffällig unterwegs, wie in einem deutlich teureren und 100 PS stärkeren grauen Hothatch. Damit muss man umgehen können.

Umgehen können sollte man auch mit dem Gaspedal. Richtig, es sind nur 200 PS. Doch der Heckantrieb und die überaus lebendige Abstimmung (ab Werk) führt dazu, dass man wach sein muss, wenn man den Subaru BRZ bewegt. Es gibt abgesehen von ESP keinerlei Assistenz, die einen vom nächsten Strassengraben trennt. Wer in einen betonierten Kreisverkehr einfährt und etwas viel Tempo mitbringt, merkt sofort, was ich meine. Gleiches gilt, wenn man bei Nässe dynamisch auf die Autobahn auffährt und einen Markierungsstrich im Moment des vollen Drehmoments erwischt. Schnelles Gegenlenken ist gefragt. Für kontrollierte Drifts empfehlen sich andere Reifen als die ab Werk montierten Prius-Gummis, die einen etwas gar schmalen Grenzbereich haben.

Doch natürlich macht ihn genau dieses lebhafte Fahrverhalten zu dem Auto, in das ich jeden Morgen so gerne eingestiegen bin. Ebenso habe ich mich immer auf jenen Moment gefreut, in welchem ich den 2-Liter-Boxer auf 7500 Umdrehungen kicken durfte. Hier gibt es keinen Klappenauspuff, keinen Soundaktuator, künstliches Gesprotzel oder was auch immer, hier kennt man nur die echten mechanischen Geräusche und die sind einfach toll. Die Lautstärke hält sich in Grenzen. Nur die nicht gerade grosszügige Verwendung von Dämmmaterial führt dazu, dass es im Innenraum lauter ist, als man es sich heute gewöhnt ist.

Wer von einem aktuellen Auto in den BRZ steigt, wird zunächst über die supertiefe Sitzposition staunen. Allerdings ist sie nicht nur tief, sondern einfach perfekt. Alle Bedienelemente sind in Reichweite, die Übersicht ist gut, das Lenkrad verfügt über keinen einzigen (!) Knopf und die recht Hand fällt ganz natürlich auf den Schaltknüppel. Genau so macht man das. Kommt dazu, dass auch die Bedienkräfte stimmen. Ein echtes Zückerchen ist die Lenkung, die nicht nur direkt und präzise ist, sondern diesseits von Lotus auch etwas vom besten, was es an Rückmeldung gibt. Die ein bisschen knorpelige Schaltung passt ebenfalls. Wer sich nach einem gebrauchten Exemplar umschaut: Unbedingt den Handschalter nehmen.

Wobei wir hier auch bei jenen Momenten sind, in welchen ich den BRZ ein bisschen weniger geliebt habe. Wer Stunden im Stau verbringt, den kann die Handschaltung dann schon nerven. Auch wenn die Kupplung leichtgängig ist, irgendwann möchte man dem linken Fuss wieder Erholung gönnen. Doch sobald dann wieder grünes Licht gilt, geniesse ich den Boxersound und der Kupplungsärger ist vergessen.

Was sonst noch geärgert hat: Die Qualität ist hervorragend, kaputt geht an so einem BRZ eigentlich sehr lange nichts. Bei etwa 80’000 Kilometer war der Luftmassenmesser defekt, was in der einen Subarugarage niemand bemerkte. Dabei war nach dem Kaltstart wirklich kaum Leistung vorhanden. Das Subarublech wurde von einem Hagelsturm getroffen, natürlich konnte der kleine Boxer dafür nix. Eher selbstverschuldet: Der unbefriedigende Sitzlehnenverstellmechanismus. Der fehlende Tippblinker gehört dann schon in den Bereich „Motzen auf hohem Niveau“. Ansonsten eigentlich alles im Grünen.

Bei Grünen dürfte der Blaue nicht sonderlich gut angekommen sein. Eigentlich zu Unrecht. Denn der Subaru BRZ braucht wenig Verkehrsfläche, ist er doch relativ schmal (1,77m) und kurz (4,24m). Ausserem kam er über die ganze Nutzungsdauer auf einen Durchschnittsverbrauch von 7,55 Liter, was für ein Sportcoupé doch sehr anständig ist. Ich erwähne dazu gerne, dass ich auch meist sehr anständig damit gefahren bin. Wer das nicht tut, kann bestimmt auch bei 9 Litern und mehr landen. Ob der Motor dann auch so problemlos die 100k schafft, wäre dann wieder eine andere Frage.

„Wer zum Teufel kauft sich so eine Karre?“ meinte ein Kollege, der den BRZ für einen Testwagen hielt. „Ähm, ich zum Beispiel“. Er glaubte es mir nicht. Zu unbequem und unpraktisch war der Zweitürer aus seiner Sicht. Ich kann dazu sagen: Dank umklappbarer Rückbank war ich mehr als ein Mal bei Ikea und habe dort nicht bloss Teelichter gekauft. Natürlich sind dir Rücksitze faktisch unbenutzbar. Aber im Alltag bot er mir im Pendelverkehr genügend Platz. Doch zurück zur Frage, wer sich so einen Wagen kaufen sollte: Eigentlich jeder, der das ursprüngliche Fahren mag, der aber nicht direkt auf alles verzichten möchte, vor allem auch nicht auf sein Haus oder sonstiges Vermögen. Jeden Tag Fahrspass auch bei langsamen Geschwindigkeiten? Check. Jeden Tag einen 1a-Arbeitsplatz mit simpler Bedienung? Check. Klassisches Heckantriebskonzept mit Differenzialsperre, Handschaltung und Saugmotor? Aber sowas von Check. Hier kann man noch schalten, die Gänge ausdrehen und sich trotzdem (in den allermeisten Fällen) innerhalb der legalen Grenzen bewegen. So geht Fahrfreude.

Toyota und Subaru haben ein unglaubliches Auto gebaut. Noch unglaublicher: Die machen sogar weiter damit und bringen uns die zweite Generation. Ich werde (zumindest vorerst) ein anderes Modell bewegen. Aber an die 100’000 Kilometer mit dem Subaru BRZ werde ich immer sehr gerne zurückdenken.

P.S. Untermotorisiert habe ich mich in den 7 Jahren nie gefühlt. Eher überspasst. Leider exisitiert dieses Wort nicht. Ein Erlebnis wird mir bezüglich der Leistung für immer in Erinnerung bleiben: Als ein Kollege im Skoda Octavia RS vor mir fährt, hat er einen weiteren Kollegen mit dabei. Ich fahre im BRZ hinterher, drehe die Gänge aus, schalte doppelt kuppelnd vor der Kurve ‚runter, beschleuniges aufs Neue. Ich komme mit einem breiten Grinsen am Ziel an. „Jetzt hast Du es aber ordentlich fliegen lasse“ rufe ich meinem Kollegen zu. „Nö, bin gemütlich gefahren“. Dementsprechend blieb das Grinsen bei ihm aus.