Seite wählen

zuendung

22. April 2008

Abnehmen macht Spass

Lamborghini | 0 Kommentare

Ein bisschen ausholen muss ich natürlich schon. Als Ende der 80er Jahre der Ferrari F40 in jedem Kinderzimmer hing, fand ich das irgendwie doof. Der F40 gefiel mir nicht und vor allem hatte der ja nur 8 Zylinder, womit man in jedem Autoquartett gegen eine Jaguar Limousine zu verlieren drohte. Zuvor schon vom brutalen Countach […]

Ein bisschen ausholen muss ich natürlich schon. Als Ende der 80er Jahre der Ferrari F40 in jedem Kinderzimmer hing, fand ich das irgendwie doof. Der F40 gefiel mir nicht und vor allem hatte der ja nur 8 Zylinder, womit man in jedem Autoquartett gegen eine Jaguar Limousine zu verlieren drohte. Zuvor schon vom brutalen Countach fasziniert, wurde ich mit der Vorstellung des Lamborghini Diablo endgültig zum Anhänger der Marke mit dem Stier. In Sant 'Agata machten sie alles ein bisschen anders, spektakulärer, schöner und vor allem auch lauter als in Maranello. 1998 übernahm mit Audi endlich ein seriöser Besitzer das Zepter bei Lamborghini. Die Deutschen begriffen schnell, dass der Zwölfzylinder trotz seines Alters noch immer ein grossartiges Triebwerk ist. Doch sie begriffen auch, dass es unbedingt einen kleineren Lambo brauchte, um das Überleben der Marke langfristig mittels höherer Stückzahlen zu sichern. Während mit dem Murciélago der V12 im Jahre 2001 eine neue, typische Hülle erhielt, entstand ein neues Triebwerk mit 5 Liter Hubraum und 10 Zylindern. Der Mittelmotorsportwagen Lamborghini Gallardo erblickte 2003 das Licht der Welt.

Inzwischen ist der Gallardo längst Lamborghinis erfolgreichstes Modell. Eine Spyder genannte Cabrioversion ergänzte das Progamm und um besonders sportliche Naturen zufriedenzustellen, speckte der "kleine" Lambo" 100 Kilos ab, was ihm den Namen Superleggera einbrachte. Genau diese Version stand mir für eine Testfahrt zur Verfügung.


Scharf: Das aggressive Design ist typisch Lamborghini

Selten hat ein Auto in schlichtem Grau so unglaublich scharf ausgesehen. Luc Donckerwolke hat auch beim Gallardo beste Arbeit geleistet, auf einen Blick ist er als Kampfstier identifiziert. Zur Unterscheidung vom "normalen" Gallardo trägt der Superleggera einen aufpreispflichtigen (8570 CHF) Carbon-Heckflügel. Seitliche Zierstreifen weisen in geschwungenen Lettern auf den herrlich italienisch anmutenden Beinamen hin. Die Motorhaube, die Seitenschweller, der Diffusor, ja selbst die Rückspiegel tragen ein sündhaft teures und besonders leichtes Carbonkleid. Die wunderbar schlichten Scorpius Felgen passen perfekt zum auf Gewichtsersparnis getrimmten Fahrzeug. Dass die Radmuttern aus Titan hergestellt werden, kann somit kein Zufall sein.


Konsequent: Um Gewicht zu sparen wurden sogar die Radmuttern aus Titan gefertigt

Den Innenraum entert man im Gegensatz zum grösseren V12-Bruder Murciélago durch konventionelle Klapptüren. Das hat weniger Glamour, ist aber pragmatischer und dazu auch noch leichter. Der Einstieg gestaltet sich für einen Supersportler erstaunlich einfach. Im Interieur empfängt mich eine grauschwarze Landschaft aus edelstem Alcantara. Glattleder gibt es nicht gegen Geld und gute Worte. Grund dafür ist, richtig geraten, die Gewichtsersparnis. Nicht zu viel Gewicht sollte auch der Fahrer dieses Geschosses mitbringen. Sonst passt er eventuell nicht in das Carbon-Gestühl des italienischen Flachmanns. Nachdem ich Platz genommen habe, kommt Max ins Spiel. Max ist Mitarbeiter von Lamborghini in Italien und begleitet meine Testfahrt. Ohne seine Hilfe hätte ich wohl eine Weile gebraucht, um den installierten Vierpunktgurt richtig zu justieren. Und nach dem Justieren hätte ich die offen stehende Türe nicht zu gekriegt. Inzwischen ist Türe geschlossen und die Lift-Funktion aktiviert, damit wir über den Bordstein schleichend keine Karosserieteile liegen lassen.


Teuer: Trotz des hohen Grundpreises kostet der Heckflügel über 8500 Franken Aufpreis

Das serienmässige E-Gear lässt den Motor beim Start heiser aufbellen. Nichts für lärmgeplagte Zeitgenossen, alles für Fans mit Benzin in den Adern. Selbst im Leerlauf begeistert der V10 mit der für Rennmotoren typischen Unruhe. Der Tourenzähler tanzt sanft auf und ab, mit ihm die Geräuschkulisse – und mein Puls. Das automatisierte Schaltgetriebe bedient man über feststehende Paddel hinter dem Lenkrad. Aus Gewohnheit und Respekt schalte ich früh hoch, was dem Sportmotor hinter den Sitzen nicht wirklich bekommt. Unter 3000 Touren fühlt er sich nicht wohl, ruckelt sogar ein bisschen. Also kurz links am Paddel gezogen und mit gekonnt eingesetztem Zwischengas schaltet das Getriebe einen Gang zurück. Wir biegen auf die Autobahn ein.

Endlich kann ich den Motor so behandeln, wie er es von Beginn an von mir forderte. Das Pedal in den Teppich gedrückt schiesst der Gallardo Superleggera nach vorne, als sässe im der Leibhaftige im Rücken. Bei weit über 7000 Umdrehungen schalte ich hoch – und bin längst viel zu schnell. Für Zahlenfetischisten sei ausserdem kurz erwähnt, dass der Normsprint auf 100 km/h in 3,8 Sekunden vonstatten geht. Ganz genau sieht man das übrigens nicht, weil die Skalen von Tacho und Tourenzähler vor allem fürs Auge und nicht für beste Ablesbarkeit gezeichnet wurden. Die Schaltrucke sind dabei deutlich spürbar, lassen Max und mich jeweils zustimmend nicken. Da ich nun weiss, dass der Stier lieber in höheren Tourensphären schwelgt, fahre ich selbst normales Autobahntempo im vierten Gang. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass man tatsächlich komfortabel reisen kann. Die Sitze sind überaus bequem, das Fahrwerk fällt für einen Sportwagen dieses Kalibers überaus human aus, und eine Klimaanlage macht allfällige Stauminuten erträglicher. Übrigens sind die Bedienelemente der Klimaanlage die einzigen Teile, die aus dem Regal von Konzernmutter Audi zu stammen scheinen. Selbstversändlich liegt die Domäne des Superleggera trotzdem eher auf den kurvigen Landstrassen denn auf der Gotthard-Autobahn.


"Schmal": Mit 1,90 m fällt der Gallardo nicht übermässig breit aus

Just als der graue Racer sein Potential auf ebensolchen Landstrassen so richtig zeigen könnte, vermiest mir ein Regenguss den ganz grossen Spass. Max mahnt mich zur vorsichtigen Fahrweise, zumal die Pirelli P Zero Corsa bei Nässe nicht wirklich befriedigend funktionieren. Die Semislicks sind zwar für die Strasse zugelassen, benötigen aber für optimalen Grip trockene Verhältnisse. Anyway, auch bei leicht feuchter Strasse lässt sich der 530 PS starke Sportler nicht lumpen. Das E-Gear zwinge ich mit einem Druck auf die Sport-Taste zu noch schnelleren Gangwechseln, das Nicken der Insassen wird kürzer aber intensiver. Mit der nahe der Perfektion agierenden Lenkung komme ich sofort klar, während ich für die Keramikbremsanlage (22'830 CHF) wohl noch einige Übungsstunden brauchen würde. Am Kurvenausgang ist dann wieder alles klar: Ohne einen Hauch von Untersteuern zieht der V10 in Richtung Horizont und lässt keine Zweifel an seiner Rennstreckentauglichkeit. Selbst die Übersichtlichkeit der Karosserie überrascht mich: Die Sicht nach vorne ist bestens, nach hinten sieht man in den gross geratenen Aussenspiegeln die Gegner verschwinden, einzig der schmale Heckfenster genannte Spalt ist etwas knapp bemessen. Im Übrigen ist der Norditaliener mit 1,9 m gerade einmal so breit wie ein aktueller Ford Mondeo.


Betörend: Dieses Auto ist einfach aus jedem Blickwinkel eine Wucht

Auf der Rückfahrt probiere ich die Automatikfunktion des Getriebes aus. Es bleibt beim kurzen Testen, Spass macht das nicht und die Schaltrucke nerven gewaltig. Zurück im manuellen Modus geniesse ich ein letztes Mal den Punch des V10, begleitet von einem brachialen Sound, den man nie vergisst. Den ruhig gewordenen Max frage ich beiläufig nach dem Verbrauch dieses Monsters. Er lächelt und sagt italienisch gefärbt "it depends". Ich denke, bei vorsichtiger Fahrweise lassen sich 17 Liter realisieren. Das wird den meisten Käufern, die mindestens 307'700 für den Lamborghini Gallardo Superleggera hinblättern relativ egal sein. Für sie ist er nur eines von vielen Spielzeugen. Dabei würde er für so viel mehr taugen. Fasziniert hat mich nämlich vor allem die Alltagstauglichkeit des nicht wirklich superleichten (1497 kg) Italieners. Der V10 hat mehr als genug Power und verwöhnt soundmässig so sehr, dass antstelle eines Radios nur eine Carbonblende mit Lamborghini-Schriftzug installiert ist. Das E-Gear überzeugt mit rennmässig schnellen Gangwechseln, die Sitze passen wie angegossen und auch sonst wird man im Innenraum mit typisch italienischem Ambiente umschmeichelt. Ausserdem ist der Lamborghini Gallardo Superleggera der fahrende Beweis dafür, dass Abnehmen so richtig Spass machen kann…