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amadefries

6. März 2023

Adel verpflichtet

Land Rover | 0 Kommentare

Wie macht man ein elegantes Automobil noch eleganter? Da sollten wir in der Designabteilung von Land Rover nachfragen. Denn wie man es geschafft hat, die Form des Klassikers gefühlt 1:1 vom Vorgänger zu übernehmen, sie aber gleichzeitig nochmals attraktiver zu gestalten, das ist schon die hohe Schule. Klar, das Heck. Es polarisiert. Aber hätte man […]

Wie macht man ein elegantes Automobil noch eleganter? Da sollten wir in der Designabteilung von Land Rover nachfragen. Denn wie man es geschafft hat, die Form des Klassikers gefühlt 1:1 vom Vorgänger zu übernehmen, sie aber gleichzeitig nochmals attraktiver zu gestalten, das ist schon die hohe Schule. Klar, das Heck. Es polarisiert. Aber hätte man sich da nicht für eine neue Art der Gestaltung entschieden, Mk5 wäre kaum von Mk4 zu unterscheiden.

Na, auf den ersten Blick erfasst, dass es der Neue ist?

So steht er nun da, in diesem sandgrauen Lack, den sie in England „Charente Grey“ getauft haben. Ein eindrücklicher Brocken von Auto, 5 Meter und 5 Zentimeter lang, 1,9 m breit. Womit die einzigen natürlichen Feinde klar wären: Zu kleine Parkgelegenheiten. Ansonsten ist er wie nach Art des Hauses üblich mit überragenden Offroad-Fähigkeiten ausgerüstet. Ob es Bachdurchfahrten (Wade-Sensing), sandige Pisten (Terrain Response) oder steile Abfahrten (Hill Descent Control) sind, auch der neue Range hat auf alles die passende und längst ausgereifte technologische Antwort. Doch wo wird der Klassiker in den allermeisten Fällen zum Einsatz kommen? Wohl leider kaum abseits von befestigten Strassen, eher vor den 5-Sterne-Häusern, Luxus-Boutiquen und Villenquartieren.

In da City: Auf Zürichs Strassen fühlt sich der Range zuhause – wie überall.

Daher führen uns die Fahrten während der Testzeit vor allem über Autobahnen, in Innenstädte und Parkhäuser. Manchmal ist das richtige Leben eben etwas weniger spannend. Wobei, was heisst hier weniger spannend? Vielleicht sollte man besser sagen: Entspannend. Denn wenn man sich im Interieur des neuen Ranger Rover umsieht, so kann man sich kaum einen schlichteren, unaufgeregteren und gleichzeitig so luxuriösen Arbeitsplatz vorstellen. Feines Leder, hübsches Alu, glänzende Klavierlackblenden und alles stylish arrangiert sowie bestens verarbeitet. Nur die Fingerabdrücke auf dem grossen Touchscreen stören die Idylle, wobei das heute über praktisch jedes Auto gesagt werden kann. Schade hat man sich bei Land Rover vielerorts gegen echten Tasten zugunsten von Touchflächen mit haptischem Feedback entschieden. Das gilt auch für die Lenkradtasten, die nun kaum noch blind gefunden werden.

Buchstaben? Die Silhouette reicht als Markenzeichen völlig aus.

Nach ein paar Tagen fällt mein Zeigfinger tatsächlich ganz automatisch auf den Startknopf, der sich auf der Mittelkonsole befindet. Was uns zu entscheidenden Frage bringt: Wie fährt der Range? Die Antwort liesse sich einfach beantworten: Wie sich ein Range eben fährt. Aber was heisst das?

Im Prinzip beginnt es schon vor dem Losfahren. er streckt Dir die Türgriffe entgegen und bückt sich zu Dir herunter. Ok, ein bisschen übertrieben, aber die Luftfederung senkt das Fahrzeug im Stand tatsächlich auf eine praktischere Einsteigehöhe ab. Sitz und Lenkrad bewegen sich auf die eingestellten Positionen. Der Motor startet akustisch kaum wahrnehmbar. Ein Zug am Wählhebel aktiviert die Fahrstufe D des ZF-8-Gang-Automatikgetriebes. Fast schon einem E-Auto gleich schleiche ich von Dannen. Inzwischen auf der normalen Fahrhöhe angekommen, geniesse ich den Blick auf den mich umgebenden Verkehr. Egal, wenn sich der auch mal nicht fortbewegt, der Komfort hier drin ist grossartig. Und wenn es dann doch vorwärts geht, der Fuss fällt etwas harsch aufs Gaspedal, die Haube hebt sich, entschlossen aber nicht sportlich geht es Richtung Horizont. Es ist diese Erhabenheit, die man so nur in einem Range Rover erleben kann.

Eleganz en masse.

Nun mag man einwenden, dass Erhabenheit gut und recht sei, spätestens beim Einparken bringe sie dann eben nicht mehr wahnsinnig viel. Das ist nicht grundsätzlich falsch, doch hat Land Rover hier dazugelernt. Die für die Grössenverhältnisse übersichtliche Karosserie im Zusammenspiel mit einer 360°-Ansicht auf dem Bildschirm gab’s so ähnlich schon im Vorgänger. Nun hilft noch eine Allradlenkung, um selbst dann noch in Lücken einzulochen, wenn man die Startposition eigentlich falsch gewählt hat. So lässt sich der Fast-3-Tonner (Leergewicht 2896 kg) mit einer Präzision platzieren, die manchen Yaris-Fahrer eifersüchtig macht.

Ein bisschen viel Touch…

Der Kleinwagenfahrer lacht dafür an der Tankstelle. Oder auch nicht. Immerhin 350 Diesel-PS kämpfen zwar ab und zu etwas mit dem nicht zu knappen Gewicht. Am Ende braucht der Brummer auf über 1000 Testkilometer aber nur 7,9 Liter auf 100 km, was aller Ehren wert ist. Zumal er dem Wind eine Stirnfläche entgegenstellt, die es mit kleinen Fertigaragen aufnehmen dürfte. Die Laufkultur des Reihensechsers der Ingeniumfamilie mag nicht ganz die Feinsinnigkeit der bayrischen Konkurrenz erreichen, vermag aber dennoch zu überzeugen. Soundmässig bekommt man wenig von ihm mit, da der Innenraum mit einer klangewaltigen Merdidian-Soundanlage beschallt wird und die Geräuschdämmung sehr gut ist.

Die „fehlenden“ Türgriffe sind das offensichtlichste Merkmal abgesehen von den neuen Heckleuchten.

Ebenfalls sehr gut: Der Abrollkomfort. Am Testwagen sind 23-Zöller aufgezogen. Das schaut natürlich toll aus, geht normalerweise aber auf Kosten des Komforts. Sicher könnte dieser sogar noch ausgeprägter sein, schon jetzt schluckt der Range Rover aber auch fiese Schachtdeckel mit einer Eleganz weg, wie das nur ganz Wenige können. Das typische Rollen haben die Fahrwerksentwickler im gelassen, trotzdem ist man jederzeit sicher und gut beherrschbar unterwegs. Auch etwas optimistisch angefahrene Bögen durcheilt man ohne feuchte Hände. Nur beim Bremsen wird einem die schiere Masse wieder bewusst. Ab und zu bin ich gezwungen, etwas Pedaldruck nachzulegen.

Die Ausmasse bedingen präzises Parken…

Doch noch ein paar Worte zur Optik gefällig? Ok. Die versenkten Türgriffe kenn wir seit dem Velar, die Frontleuchten sind jenen des Vorgängers extrem ähnlich, verfügen aber über ein noch aufwändigeres Innenleben und die Heckleuchten stehen nun senkrecht, womit auch Landy-Newbies den Neuen sofort erkennen. Eindrücklich sind die superschmalen Spaltmasse und die quasi bündig mit der Karosserie verklebten festen Scheiben im hinteren Bereich. Die nach hinten abfallenden Linien von Dach und Fenstern tragen zur erwähnten Eleganz bei. Die Radhäuser sind dermassen riesig, dass selbst die 23-Zöller des Testwagens nicht übertrieben wirken. Die Schlichtheit der Formen wirkt auf den ersten Blick streng geometrisch und geradlinig. Doch sind es die feinen Rundungen an den richtigen Stellen, die dem Range trotz aller Tradition auch den modern wirkenden letzten Schliff verleihen.

Auch an einem Regentag fasziniert das Design.

Der Grundpreis des Range Rover D350 HSE liegt bei 163’900 Franken. Dafür gäbe es auch zwei Mercedes AMG GLB 35. Aber ja, wer will schon zwei von denen? Was man gerne im Range möchte, ist möglicherweise ein beheizbares Lenkrad, ein grosses Panoramaschiebedach und die elektrische Anhängerkupplung. Mit diesen und ein paar weiteren Extras steigt der Preis des Testwagens dann auf genau 179’520 Franken. Eine eindrückliche Summe für ein sehr eindrückliches Fahrzeug.