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zuendung

24. Januar 2013

Auf Wintertour

Range Rover | 0 Kommentare

Die Neutralität des Autors ist für einmal nicht gegeben. Denn als ich den Range Rover LRX auf dem Genfer Salon erblickte, war mein Urteil sofort klar: Den müssen sie einfach bauen. Genau so. So dynamisch, so mutig, so spektakulär und gleichzeitig so aggressiv kam bis jetzt noch kein SUV daher. Und wenn man sich nun […]

Die Neutralität des Autors ist für einmal nicht gegeben. Denn als ich den Range Rover LRX auf dem Genfer Salon erblickte, war mein Urteil sofort klar: Den müssen sie einfach bauen. Genau so. So dynamisch, so mutig, so spektakulär und gleichzeitig so aggressiv kam bis jetzt noch kein SUV daher. Und wenn man sich nun die Bilder vom Concept Car von vor viereinhalb Jahren anschaut hat sich tatsächlich nur Marginales geändert. Wer hätte damals gedacht, dass Land Rover tatsächlich ein kompaktes SUV-Coupé in Serie bauen würde? Und doch, die Engländer unter indischer Regie haben sich getraut. Der Erfolg gibt dem mutigen Unternehmen recht. Zum ersten Mal in der Geschichte von Land Rover müssen 24-Stunden-Schichten gefahren werden, um der Nachfrage gerecht zu werden. Zum Test steht ein Fünftürer mit der bislang stärksten lieferbaren Motorisierung zur Verfügung.


Firenze Red: Die extrovertierte Farbe steht dem Designerstück erstaunlich gut.

Die Jahreszeit schreit förmlich danach, den kleinen Range in die Berge zu fahren, damit er dort seine Fähigkeiten beweisen kann. Zunächst stehen jedoch einige Kilometer im Unterland an. Dabei fällt mir auf, dass mich die schon erstaunlich zahlreichen Evoque-Fahrer freundlich grüssen. In der kurzen Zeit hat sich die neuste Land-Rover-Kreation also bereits eine Fangemeinde erarbeitet. Bleibt die Frage, ob der Evoque ein blosser Promenaden-Protzer ist, der vor allem dem schönen Schein zugetan ist, oder ob er auch mit inneren Werten glänzen kann.

Doch zunächst schauen wir uns die Hülle dann doch noch einmal ganz genau an. Am auffälligsten sind sicher Dach- und Fensterlinie, die sich nach hinten stark nach unten respektive. oben neigen, was zu dieser kühnen Optik führt. Vorne und hinten kommen Leucheinheiten zum Einsatz, die zwar an die anderen Range Rover Modelle erinnern, aber dennoch eine grosser Portion Eigenständigkeit behalten können. Die grossen Räder lassen den 4,36 Meter langen Engländer sehr dynamisch wirken, wobei das Testfahrzeug vernünftigerweise auf 17 Zoll Winterbereifung rollte. Im Sommer füllen pralle 20-Zöller die Radhäuser eindrucksvoll aus.


An English Car in St.Moritz: Auch als Skitransporter taugt der Evoqu bestens.

Auf dem Weg nach St. Moritz steht zunächst eine längere Autobahnetappe an, die das erstaunliche Tourentalent des Evoque zutage fördert. Bei langsamer Fahrt noch etwas bockig wirkend, rollt er bei höherem Tempo sehr komfortabel ab, was auch den optionalen adaptiven Dämpfern geschuldet sein dürfte. Letztere bringen zudem ein Dynamikprogramm mit sich, das man auf dem von den grösseren Brüdern bekannten Terrain Response System auf der Mittelkonsole wählen kann. Dass sich daraufhin die Tachobeleuchtung in ein gleissendes Rot verwandelt, kann nicht wirklich überraschen. Eher überraschend ist da schon, dass die richtig sportlich ausschauenden Sitze auf langen Strecken unbequem sind. Sie wirken mit ihrer starken Ausformung optisch ansprechend, verleihen im Schulterbereich aber praktisch keinen Halt und sind zudem eindeutig zu hart gepolstert. Ein Glück, dass es sich bei ihnen um eine Option handelt.

So machen auch die vielen Kurven des Julierpasses nicht den Spass, der aufgrund der sportlichen Form zu erwarten gewesen wäre. Immerhin: Der Motor beisst nach einem kleinen Turboloch anständig zu und das Sportprogramm der Automatik hält den jeweils richtigen Gang bereit. Die Schaltpaddel am Lenkrad braucht man deshalb nur ganz selten zu betätigen, wenn man beispielsweise bei Bergabfahrt etwas mehr Motorbremswirkung wünscht. Genau dann klingt übrigens der Zweiliter Turbo am Besten, blubbert im Stile eines Grossen. Die 340 Newtonmeter sind auch am Alpenpass jederzeit ausreichend, so dass ein vor uns fahrender Porsche-Turbo-Fahrer beim Blick in den Rückspiegel aus seiner Lethargie gerissen wird. Kurz nach dem Hospiz geht es dann im gemütlich dahinzuckelnden Kollonnenverkehr Richtung Ziel. In der Engadiner Hochebene angekommen, quäle ich mich gleich mit der grössten Herausforderung: Die Rampen der Hoteltiefgarage. Hier kommt die schiere Breite des Engländers so richtig zum Tragen. 1,9 Meter wollen präzise an den Wänden vorbeimanöveriert werden. Vorne und hinten helfen Parkpiepser, zusätzlich zeigt eine Rückfahrkamera den Rückraum auf dem Screen in der Mittelkonsole an. Mit etwas Glück schaffe ich es schliesslich den Schönling auf dem reservierten Parkplatz abzustellen.


Böser Blick: Die aggressiv gestylte Front gefällt.

Gerade in St. Moritz, wo man zu dieser Zeit des Jahres noch ein bisschen reicher und noch ein bisscher schöner als alle anderen sein will, fällt der rote Farbton auf. Die meisten fahren ihren Evoque in Weiss, Schwarz oder Grau. Einige Passanten rümpfen dann auch die die Nase unter ihrer Prada-Brille – wohl ob der aufdringlichen Farbgebung. Nur Laura von der Tanktstelle strahlt mich an: "Schöne Farbe, nicht so langweilig." Hätte die blonde Italienierin dann noch gewusst, dass sich der Farbton Firenze Red nennt, ihr Grinsen wäre bestimmt noch ein bisschen breiter geworden. Meines schrumpft dann doch etwas: 12 Liter hat sich der wunderbar kantige Brite genehmigt. Nicht geraden die feine englische Zurückhaltung. Der Tank ist mit 70 Liter Volumen zwar um 12 grösser als bei den Diesel-Varianten, die Reichweite schrumpft so aber trotzdem ziemlich zusammen. Der Normverbrauch wird übrigens mit 8,7 Liter angegeben.

Angeben tut man in St. Moritz ja sowieso gerne. Da kann es also kaum überraschen, dass ich hier schon einen Evoque mit dem Schriftzug eines italienischen Tuners und dem Hinweis auf 350 PS gesichtet habe. Tatsächlich kann ich mir vorstellen, dass sich manch einer noch etwas mehr Punch unter der Haube wünschen würde. Der Evoque schaut einfach dynamischer aus, als dass er es im Endeffekt mit 240 PS bei etwa 1700 kg halt sein kann. Andererseits muss ein Range Rover ja kein Bowler sein. Der Kleine hat schon jetzt so viel Erfolg, dass man von der Entwicklung einer Langversion spricht; ein Cabrio hat man als Concept Car ja bereits auf dem letzten Genfer Salon gezeigt.


Terrain Response System: An der Dynamikeinstellung ganz links erkennt man das adaptive Fahrwerk.
Riesig: Die Aussenspiegel wurden der Breite des Evoque angepasst.
Klassisch: Der Schriftzug einer florierenden Marke.
Cool: Die Silhouette wird auf den Boden gestrahlt.

Ob der Neuling bloss ein Salonlöwe ist, oder ob man ihn getreu dem Markenmotto auch abseits befestigter Strassen bewegen kann, testen wir bei einer kleinen Landpartie. Tatsächlich zeigt sich schnell, dass er ohne Geländebereifung und irgendwelche mechanischen Sperren etwas verloren dasteht. Mit ein wenig Schwung erklimmt er unbefestigte Steigungen ähnlich problemlos, wie das auch andere SUV tun. Ein Geländewagen ist er aber definitiv nicht, da helfen auch die Einstellmöglichkeiten des Terrain Response System nicht gross. Also besser auf der asphaltierten Strasse fahren, wo höchstens die etwas nervöse Lenkung negativ auffällt, weil sie zudem mit zu wenig Rückmeldung aufwartet.

Positive Rückmeldungen kann man dafür von den Passagieren in Reihe zwei erwarten. Ist wie beim Testwagen das Panoramadach verbaut fühlt man sich auch hinten erstaunlich luftig untergebracht. Auch das Volumen des Kofferraums könnte man mit 575 als luftig bezeichnen. Nur schade, dass eine Durchreiche für den angenehmen Transport von Skis oder anderen langen Gegenständen fehlt. Trotzdem ist der Range Rover Evoque natürlich ein ausgezeichneter Begleiter in den Skiferien. Er vermittelt sehr viel Sicherheit und lässt sich – abgesehen vom nicht mehr taufrischen Touchscreen-Navi – einwandfrei bedienen. Auf einer etwas vorsichtiger gefahrenen Tour bringe ich den Verbrauch auf 8,5 Liter hinunter. Doch sollte man sich keine Illusionen machen; die meisten Fahrer werden ihn mit 10,5 Liter und mehr bewegen. Ihnen dürfte das aber ziemlich Wurscht sein, haben sie doch schon über 80'000 Franken für die Anschaffung des Trendsetters ausgegeben. Der Testwagen schlägt mit 81'140 CHF zu Buche (Basispreis Dynamic: 62'500), wobei ich eigentlich nur die im 5100-Franken-Paket "Dynamic Plus" enthaltenen Sportsitze als absolut verzichtbar einstufen würde.


Geschmückt: Keine andere Marke trägt den Dreck so stolz zur Schau.

Besonders gut gefallen hat mir neben dem sensationellen Aussendesign die bei der Dynamic-Ausstattung serienmässige Audioanlage von Meridian, die mit ihren 380 Watt fast für Stadionatmosphäre sorgt. Weiter überzeugt der Evoque mit sehr guter Verarbeitung und erstklassigen Materialien. Wo man hinlangt, fühlt sich das Auto einfach gut an. Er ist ein brillianter Tourer, der sich auf langen Autobahnetappen am wohlsten fühlt. Eher mühsam ist die Breite, die dank riesiger Aussenspiegel immerhin gut überblickbar bleibt. Ganz sicher ist Range Rover um eine in sich stimmige Variante reicher, die anderen Premiummarken einige Kunden (und sicher auch Kundinnen) abjagen wird. Und wenn ich die Reaktionen am Strassenrand richtig deute, gibt es momentan kaum ein cooleres Auto. Oder sagen wir: Kaum eines, das mehr Reaktionen provoziert. Spätestens wenn er mit den Leuchten im Seitenspiegel seine eigene Silhouette in den Schnee projiziert, sind dann auch die letzten Neutralen überzeugt.