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amadefries

25. November 2024

Aus der Zeit gefallen

Alfa Romeo | 0 Kommentare

Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio, was für ein Name! Ähnlich klangvoll verspricht auch der Sound zu sein, das deuten die vier Endrohre jedenfalls an. Doch das lässt sich noch steigern. Wie? Durch den Namen der Firma, die den Motor für dieses Biest entwickelt hat: Ferrari. Dann noch dieses entzückende Rot und der Autotester wähnt sich schon […]

Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio, was für ein Name! Ähnlich klangvoll verspricht auch der Sound zu sein, das deuten die vier Endrohre jedenfalls an. Doch das lässt sich noch steigern. Wie? Durch den Namen der Firma, die den Motor für dieses Biest entwickelt hat: Ferrari. Dann noch dieses entzückende Rot und der Autotester wähnt sich schon im Delirium, bevor überhaupt nur ein einziger Meter gefahren ist. Doch halt, die Realität holt mich schneller ein, als mir lieb sein kann und zwar brutal.

Sound: Violinen, Blockflöten und italienische Rockröhre

Denn der Stelvio ist so so sehr in die Jahre gekommen, dass er auf den Markt kam, als Donald Trump ins Weisse Haus einzog. Nein, er stammt nicht aus dem Jahr 2025. Wir reden hier von damals – 2017. Was haben wir seither alles erlebt! Eben diese bestenfalls bemerkenswerte Präsidentschaft des Populisten, eine Pandemie, den Beginn eines Angriffskriegs Russlands und auch das massive Aufkommen der Elektromobilität. Und, in jüngster Zeit, das sanfte Abflauen der Letzteren. Fast wird schon nach einer Renaissance des Verbrennungsmotors geschrieen. Genau die richtige Zeit also für den stärksten Stelvio? Wir werden sehen.

Insignien der Kraft: Luftschlitze, Kleeblatt, fette Bereifung.

Da ist, wie gerade gesagt, das Alter. Aber was, wenn hier Alter eher als Reife verstanden werden kann und wir hier den besten Sport-SUV vor uns haben, den Alfa je gebaut hat? Das Aussehen dafür hat er jedenfalls immer noch. Die rundliche Form mit den italienischen Insignien am richtigen Ort macht immer noch Eindruck, zumal in Rosso Alfa. An den drei LED-Bögen in den Frontscheinwerfern erkennt man die facegeliftete Version. Die Entlüftungsschlitze in der Haube verweisen ebenso auf die Powervariante wie das Kleeblatt im weissen Dreieck auf den Kotflügeln. Die grossen Räder erlauben den Blick auf gelochte Bremsscheiben und rote Bremszangen. Die Ansage ist klar und deutlich, und das schon im Stand, ohne dass die vier Flöten am Heck auch nur den leisesten Ton von sich gegeben hätten.

Offroad eher nicht – Aber Waldstrassen gehen locker

Dann ist es endlich so weit: Ich drücke den roten Knopf am Lenkrad. Der Motor schüttelt sich, die Klangkulisse ist da, allerdings nicht überlaut. Auf das Einlegen der Fahrstufe D folgt kein Vortrieb, sondern eine Reklamation, ich hätte die Feststellbremse nicht gelöst. Stimmt. Dann geht’s los. Die Lenkung ist genau und geht nicht unnötig schwer. Auffällig ist der Drang des QV, nach vorne zu wollen. An der Ampel giert er regelrecht danacht, endlich starten zu können, verlangt nach einem festen Druck aufs Bremspedal. Einmal in Bewegung verschwindet dieses etwas allzu fordernde Gefühl. Vorwärts geht’s immer mit genügend Punch, kein Wunder bei 520 PS und 600 Nm.

Rosso Alfa: So einfach die Bezeichnung, so eindrucksvoll ihr Effekt.

Für den spassigen Teil des Tests biege ich auf die Landstrasse ab und schalte via Lenkradpaddel zwei Gänge zurück. Die ZF-Achtgangautomatik reagiert schnell, der Wagen hechtet nach vorne, die nächste Kurve naht schneller als gedacht. Gut, dass Hochleistungs-Brembos verbaut sind, die nicht nur toll aussehen, sondern auch tatsächlich mehr denn ordentlich zu verzögern wissen. Für die etwas härtere Gangart empfiehlt sich, den DNA-Fahrmodusschalter von N (Neutral) auf D (Dynamic) zu drehen. Die Gasannahme wird merklich aggressiver, der Sound lauter, das Fahrwerk straffer. Die Gänge werden regelrecht reingehämmert. Das Motorgeräusch ist primär laut und mechanisch, eher nicht so schön. Rock n‘ Roll statt Pophymne, AC/DC statt Coldplay. Hier geht’s ja auch um Performance, nicht um einen Singwettbewerb. So alt der Stelvio inzwischen sein mag, so stimmig ist seine sportliche Abstimmung. Sportliche Fahrwerke mit Restkomfort kann man bei Alfa einfach. Da gibt es kein superkonservatives Untersteuern, aber auch kein gefährliches Auskeilen des Hecks. Alles bleibt kontrollierbar auf fast spielerische Weise.

Brembo: Die Performancebremsanlage verdient ihren Namen.

Erst wenn es eng wird, frage ich mich, ob man den Stelvio nicht besser Sempione genannt hätte. Die superengen Kehren des Stilfser Joch wären wohl kaum das Lieblingsrevier dieses doch recht grossen SUV. Vor allem die 195 Breite fallen da ins Gewicht. Das Gewicht selbst bleibt mit knapp unter 2 Tonnen jedoch im Rahmen. In selbigen versuche ich mich nun auch wieder einzufügen, weg von der launigen Landpartie, hin auf die langweilige Autobahn. Hier helfen die verschiedenen Assistenten mit, was im Alltag wesentlicher sein dürfte, als die unter 4 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h.

Im Stau gönne ich mir den Moment, um den Innenraum zu betrachten. Vor allem die 3D-Kohlefaserteile, die in die belederten Bereiche des Armaturenbretts und der Mittelkonsole eingelegt sind, verdienen einen Blick. Oder auch eine Berührung. Denn die Struktur ist nicht nur sicht-, sondern auch fühlbar, was den Techniknerd dann defintiv fasziniert. Etwas weniger überzeugt der Alcantaraeinsatz am Lenkrad, der nach etwas über 25’000 Kilometer schon ziemlich abgegriffen ausschaut. Egal ob stehend oder bei engagierter Kurvenfahrt: Die Sitze sind bequem und haltstark. Während überall sonst die Touchscreens die Macht über die Bedienung an sich reissen, gibt es im Stelvio sage und schreibe 5 Drehregler.

Facelift: An den drei LED-Bögen erkennt man die aktuelle Version

Dazu gibt es gute und schlechte Nachrichten. Die guten zuerst: Lautstärke und Temperatur lassen sich per Rädchen bedienen, was noch immer als intuitivste und schnellste Lösung gilt. Grazie, Alfa! Den Drehregler für die DNA-Fahrmodi braucht man quasi nie. Er könnte problemlos durch eine Taste ersetzt werden. Nicht überzeugen kann der iDrive-artige Drehdrücksteller zur Bedienung des Infotainmentsystems. Nach kurzer Zeit gebe ich auf und versuche mich am Touchscreen durch das Menü zu kämpfen. Doch diese Variante ist auch nicht zufriedenstellend, weil die Logik des Aufbaus nicht überzeugen kann. So navigiere ich am Ende via Handy, das aber nur per Kabel eine Apple CarPlay-Verbindung aufbauen kann. Hier spürt man die Anzahl der Baujahre dann definitiv. Teilweise etwas frustrierend.

Drehregler: Ergonomisch ist der Stelvio sympathisch altmodisch.

Endgültig aus der Zeit gefallen ist der Verbrauch. Im Display stehen am Ende des Tests 12,5 Liter. Dies bei meist eher relaxter Fahrweise. Würde man das Spasspedal noch etwas häufiger und stärker bedienen, die Nadel der Tankanzeige bewegte sich noch deutlich schneller in Richtung Leer. Und würde man den Verbrauch „zum Spass“ in Kilowattstunden umrechnen, käme man auf über 100 kWh. Auf über 100 geht es dann beim Preis. Der Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio steht mit genau 117’334 Franken in der Preisliste, dazu kommt nur noch das grosse Schiebedach für 2008 Franken. Momentan gibt es eine Aktion, womit der Preis des Testwagens auf 116’331 Franken zu stehen kommt.

Hübsch: Auch nach bald 10 Jahren Bauzeit sieht der Stelvio knackig aus.

Und so stellt sich am Ende die Frage, ob man für ein echtes Relikt aus der finalen Phase des Petrolheadzeitalters wirklich so viel Geld ausgeben mag. Neben dem von den meisten Menschen als Lärm empfundenen Sound aus dem Ferrari-Motor, sticht der Quadrifoglio vor allem mit seinem überragenden Fahrwerk und den tollen Fahrleistungen hervor. Das Infotainment war noch nie eine Stärke der Fahrzeuge auf der Giorgio-Plattform und der Abstand ist nicht kleiner geworden. Somit bleibt dieses an sich faszinierende Power-SUV etwas für die eingefleischten Alfisti.