Seite wählen

zuendung

29. Juni 2006

Back to the roots

Honda | 0 Kommentare

Mit der Vergangenheit ist so eine Sache. Entweder man möchte sie schnellstmöglich vergessen und ihre Schatten abstreifen oder man hält mit dem verklärten Blick des ewig Gestrigen an ihr fest. Das Honda-Management hängt offenbar sehr an seiner Vergangenheit. Berauscht vom Gefühl der Überlegenheit, als die Japaner 1990 der Fachwelt ihre Alu-High-Tech-Flunder mit dem kryptischen Namen […]

Mit der Vergangenheit ist so eine Sache. Entweder man möchte sie schnellstmöglich vergessen und ihre Schatten abstreifen oder man hält mit dem verklärten Blick des ewig Gestrigen an ihr fest. Das Honda-Management hängt offenbar sehr an seiner Vergangenheit. Berauscht vom Gefühl der Überlegenheit, als die Japaner 1990 der Fachwelt ihre Alu-High-Tech-Flunder mit dem kryptischen Namen NSX vorstellten, schienen die Modell-Strategen die Zeit um sich herum zu vergessen.

Dach ab: Der NSX ist ein echter Targa.

Erst 1995 fiel ihnen dann auf, dass der Zweisitzer ja immer noch zur Angebotspalette gehörte. Dazwischen lagen zahlreiche erfolgreiche Renneinsätze des Mittelmotorsportlers, unter anderem beim 24 Stunden Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife. Bis heute ist der offiziell nur 280 PS starke NSX dort noch konkurrenzfähig. Doch der Wettbewerb beim Händler ist oftmals ungleich härter. Die Gegner des NSX haben über die Jahre regelmäßig in Fitnessstudios trainiert, bis sie letztlich mitunter doppelt soviel Motorleistung aufwiesen. Und auch das Design hat sich über die Jahre doch sehr deutlich vom Geschmack der späten achtziger Jahre weg entwickelt. Heute sind eben lässige Nadelstreifen angesagt und keine gelben Sakkos mit Schulterpolstern. Die Honda-Verantwortlichen schlugen also plötzlich in der Realität auf und der NSX musste abdanken. Ohne dass ein Ersatz in Sicht ist. Zumindest streitet man sich bei Honda immer noch, wie der Nachfolger nun aussehen soll. Derzeit scheint es, als ob der Fangemeinde ein schwergewichtiges Front-Mittelmotor-Coupé droht. Doch das ist eine andere Geschichte. Diese Geschichte hier spielt in Zeiten fettleibiger, hoch motorisierter, automatisch geschalteter und selbsternannter Sportwagen, die der ewig gestrige noch einmal zum Tanz bittet.

Zeitreise: Dem Cockpit merkt man sein Alter deutlich an.

Honda Motor Europe hält sich noch einen klassisch-roten NSX im Fuhrpark, der dem zuendung.ch-Außenbüro Oberbayern zu einem ausgiebigen Proberitt zur Verfügung stand. Die Klappscheinwerfer haben sie ihm genommen, die fernbedienbare Zentralverriegelung nicht, die gab's damals noch nicht. Klack, Tür zu und man ist mittendrin in den Achtzigern. Analog-Instrumente, wie sie einst schon der CRX trug, umständliche Bediensatelliten für Licht und Scheibenwischer, ein Soundsystem mit Kassettendeck. Das reichlich groß geratene Lenkrad haben sie wohl einem Prelude entrissen. Einen neumodischen Starterknopf sucht man vergebens – es war damals nicht alles schlecht. Nach einem ganz altmodischen Schlüsseldreh kommt Leben ins Heck. Wie gesagt, es ist keine Monstermaschine. 280 PS stehen auf dem Papier, doch das hat mehr mit seltsamen japanischen Selbstbeschränkungen zu tun. Es dürften in der Regel etwas mehr gewesen sein, in Fankreisen raunt man sich Geschichten von 300 PS auf der Rolle zu. Der in seiner letzten Evolutionsstufe auf 3,2 Liter Hubraum gewachsenen V6 stammt eigentlich aus dem ersten Legend. So benimmt sich das Triebwerk auch. Bar jeglicher Zicken rolle ich vom Honda-Hof in Richtung Landpartie. Der Schweiß steht mir dennoch auf der Stirn, denn der NSX ist unglaublich unübersichtlich. Eine handelsübliche Parklücke mutiert so zum Grenzbereich.

Rad ab: Die schönen Leichtmetallfelgen kamen mit dem Facelift 2002.

Also nix wie raus auf die Piste. Wenn alle Betriebsflüssigkeiten warm sind, lockt die Honda typische Drehzahl-Orgelei. Die Höchstleistung liegt bei 7400 Umdrehungen an, der Begrenzer gebietet bei 8000 Touren Einhalt – weniger erwartet man von einem Honda auch nicht. Was man ebenfalls nicht erwartet, dass der Motor dabei auch noch gut klingt. Der V6 tut es. Schließlich wurde das kreuzbrave Limousinen-Aggregat gründlich überarbeitet. Doch Details zur exakten Legierung der Titan-Pleuel und ähnliche Raffinessen erspare ich euch an dieser Stelle. Viel amüsanter ist überdies die Dach-Demontage, schließlich will ich noch mehr hören und der NSX ist ja ein Targa. Der Deckel ist zwar leicht weg, schwieriger ist es da schon, den Hebel für die Glaskuppel zu finden. Da muss das Targa-Dach hin. Alles verstaut, geht die Zeitreise weiter. Wenn man die Augen schließt (hey kids, don't try that at home!) und das Gaspedal niederdrückt, glaubt man jedoch nicht einem konzeptionell über fünfzehn Jahre alten Auto zu sitzen. Mit den 1,4 Tonnen Lebendgewicht hat der Sechszylinder verhältnismäßig leichtes Spiel. Unter kräftigem Knurren schießt die Flunder voran, bei 4000 Umdrehungen ändert sich jedoch schlagartig die Tonart: es röhrt dir in bester Porsche-Manier ins linke Ohr. Dabei kennt das Drehvermögen keine Grenzen.

Flachmann: Der NSX ist so niedrig, wie er aussieht.

Und dann ist da noch das Ansaugschnorcheln bei jedem Gasstoß, das unwillkürlich heftige Zuckungen im rechten Fuß auslöst. Schlurps. Die erste Kurve ist in Sicht, jetzt wird es sich weisen. Die messerscharfe Präzision eines Mitsubishi Evo IX beim Einlenken lässt der NSX zwar vermissen, doch das Fahrwerk kann dieses Manko ausgleichen. Keine Spur von Heckschleuder. Und Heck gibt es reichlich, garniert von einem herrlich trashigen Spoiler. ESP gibt es dafür überhaupt nicht, allenfalls ein bisschen Traktionskontrolle und ein automatisches Sperrdifferenzial. Früher war eben doch nicht alles schlecht. Hier wird der Fahrer gefordert. Wenn der sich aber nicht zu irgendwelchen Albernheiten am Steuer hinreißen lässt, tut einem der NSX nicht weh. Kündigt rechtzeitig an, wenn das Endlos-Heck Gassi gehen will oder schiebt beim verpassten Einlenkpunkt harmlos über die Vorderräder. Jetzt aber bitte nicht vom Gas gehen, denn dann kreiselt's. Wer's draufhat, kann natürlich bei gemäßigten Kurvenradien ganz lässig das Bootsheck raushängen lassen. Der passende Gang ist da wo man in braucht, zumindest solange man noch Kontrolle über seine Schalthand besitzt, um das präzise Sechsgang-Getriebe zu bedienen. Da wo es also darauf ankommt, benimmt der NSX weit weniger antiquiert, als zunächst vermutet.

Endstation: Einige Exemplare finden hoffentlich einen kuscheligen Garagenplatz.

Im Übrigen haben sich die Japaner zwar bei der Motorleistung selbst kasteit, nicht jedoch bei der Endgeschwindigkeit. Die versammelte AMG-, M- Quattro-Fraktion verschwindet ab 250 km/h im Rückspiegel. Übrig bleibt nur der Porsche und ich. Naja, vielleicht noch der eine oder andere AMserati und wie diese Exoten eben alls heißen. Mehr als Tacho 270 wollte die Autobahn leider nicht zulassen, der NSX aber auch nicht. Dafür stemmt er dann doch zuwenig PS. Das Fahrwerk spielt auch bei solchen schwachen Momenten des Piloten den Bodyguard, schweißnasse Hände, so wie beim Einparken, Fehlanzeige. Schön, wenn man sich nicht auf die Elektronik verlassen muss. Ein bisschen Restkomfort gibt's obendrein, nur die Kopffreiheit tendiert ab 1,85 Meter Körpergröße gegen null. Auch deswegen: Deckel ab! Die für einen Sportwagen essentiellen Fähigkeiten gehen dem roten Rentner also noch immer locker von der Hand. Die Bedienung und die Materialqualität können heutige Ansprüche allerdings nicht befriedigen, schon gar nicht bei einem Auto der 80.000 Euro-Klasse. Genau deshalb fand der NSX in Deutschland auch nur 272 Käufer, wohlgemerkt über die gesamte Bauzeit. Trotzdem bleibt zu hoffen, dass sich die Honda-Bosse bei der Entwicklung des NSX-Nachfolgers nicht gänzlich aus der Vergangenheit verabschieden.