Seite wählen

zuendung

25. November 2006

Besser als Sechs

Audi | 0 Kommentare

Ha, solch einen Titel wollte ich doch schon immer mal schreiben. Da werden die Kollegen von auto motor und sport ja direkt neidisch. Und dabei ist er nicht aus der Luft gegriffen, sondern passt perfekt zum aktuellen Testwagen, zum Audi S3. Dann allen Gerüchten zum Trotz, der S3 würde in der neuen Auflage mit 6 […]

Ha, solch einen Titel wollte ich doch schon immer mal schreiben. Da werden die Kollegen von auto motor und sport ja direkt neidisch. Und dabei ist er nicht aus der Luft gegriffen, sondern passt perfekt zum aktuellen Testwagen, zum Audi S3. Dann allen Gerüchten zum Trotz, der S3 würde in der neuen Auflage mit 6 Zylindern kommen, griff die Ingolstädter Truppe doch wieder auf einen Vierender zurück. Nicht auf irgend einen, sondern auf das Sahnestück des ganzen Konzerns: Der 2.0 TFSI ist trotz seiner holprigen Bezeichnung ein einziges Gedicht. Im Seat Leon Cupra leistet die Maschine 240 PS, im überteuerten VW Golf GTI der 30 Jahre Jubiläums-Edition kriegt man 230 Rösser und beide treten nur mit Frontantrieb an. Mit dem berühmten quattro-Antrieb ausgerüstet, vertraut man im Audi auf die Kraft von 265 Rennpferden.


Sonnenkönig: Der S3 stellt in der Kompaktklasse so ziemlich alles in den Schatten

Was in den 80er Jahren mit dem Rallye-Geschoss S1 begann und in den 90ern mit einem getunten Audi 80 namens S2 seine Fortsetzung in die Serie fand ist heute eine ganze Modellpalette starker und sportlicher Fahrzeuge. Diese umfasst aktuell den V8-Mittelklässler S4, den vom Lamborghini V10 befeurten S6 und den mit dem gleichen Aggregat bestückten Luxusdampfer S8. Auch wenn diese Autos auf den ersten Blick wenig gemeinsam haben, weiss heute jedes Kind: S macht Spass. Und: S ist teuer, richtig teuer. Da macht natürlich auch der jüngste Spross keine Ausnahme. Der Basispreis in der Schweiz beträgt 54'900 CHF, dann ist aber beispielsweise nicht einmal ein Radio an Bord. Man braucht also kein Prophet zu sein, um vorherzusehen, dass kaum ein S3 unter 60'000 Schweizer Fränkli die Verkaufshallen verlässt. Viel Geld für einen Dreitürer, der nicht zu den geräumigsten seiner Zunft gehört.


Dezent: Neben unauffälligem Schwarz und Silber sind auch die farbigen Lackierungen Glutorange, Sprintblau und Imolagelb erhältlich

Der Audi-Händler würde wohl argumentieren, dass die Kombination aus bärenstarkem Zweiliter-Direkteinspritzer, Allradantrieb und Kompaktwagen einzigartig sei. Er hätte damit sogar recht. Nun, dann wollen wir mal Platz nehmen in diesem exklusiven Wagen, der ganz unprätentiös auf den heute modischen Starterknopf verzichtet. Die an einen ausgerollten Golfball erinnernden Sitzbezüge in Seidennappa bieten guten Halt. Vor sich blickt der Pilot auf die typischen Audi-Armaturen, mit der einzigen Auffälligkeit, dass der Tacho bis hinauf zu den magischen 300 km/h langt. Und damit natürlich übertreibt. Ansonsten ist der S3 aber kein Freund von Übertreibungen: Die Kupplung lässt sich für einen Sportler erstaunlich einfach dosieren und auch die Lenkung geht dank serienmässiger geschwindigkeitsabhängiger Servotronic schön leicht.


Schmuck: An den doppelten Chromstreifen im Grill erkennt man den S3 auch ohne Schriftzug

Aufgrund der fast schon narrensicheren und kräfteschonenden Bedienung, könnte man mit dem stärksten A3 auch einfach cruisen und sich an 320 Nm laben. Oder man kann es mir gleichtun, und von Willisau hoch auf den Menzberg kurven, wo selbst in herbstlichen Nebelzeiten oftmals die Sonne scheint. Gut, dass es auf dem Weg soviele Kurven hat, der S3 verführt auch so schon zu nicht gerade "billiger" Fahrweise. Hat der Turbomotor seine kleine Anfahrschwäche überwunden, powert er zwischen 2500 und 5000 Umdrehungen mit seinem vollen Drehmomement. Turbobums at ist best! Das sehr gut schaltbare 6-Gang-Getriebe (DSG gibt es nicht gegen Aufpreis und gute Worte) wird selten gebraucht. Im Dritten beschleunigt man locker von 50 bis tief in die Illegalität und das in einem Tempo, das man frührer nur von reinrassigen Sportwagen kannte. So beschleunigte z.B. ein Renault Alpine A610 in 5,7 Sekunden auf 100, heute nennt Audi die genau gleiche Zeit für den neuen S3. Bekanntlich setzt der Deutsche genau wie der letzte aus Dieppe auf einen Turbolader, was er fröhlich pfeifend zu keiner Zeit wirklich verheimlichen kann.


Benjamin: Gegenüber seinen S-Geschwistern trägt der S3 nur zwei (statt vier) Auspuffrohre in seinem Diffusorschweller

Doch es ist nicht nur die abartige Turbo-Beschleunigung, die mich begeistert. Denn am Berg ist der Verzicht auf den Sechszylinder endlich auch fahrdynamisch spürbar. Praktisch ohne jede Untersteuertendenz geht es durch die Bögen. Und selbst auf dumme Spielchen, sprich Gasfuss mitten in der Kurve abrupt heben, reagiert der Kompaktsportler souverän. Dabei vermittelt er mir jederzeit das Gefühl, selbst für mein Glück (oder Verderben) verantwortlich zu sein. Trotz aller Elektronik hat ihm Audi jede Künstlichkeit ausgetrieben. Diese Auto gewordene Ehrlichkeit dürfte bei Sportfahrern überaus gut ankommen. Für die etwas zu ehrgeizigen Piloten ist eine hervorragende 17-Zoll-Bremsanlage (innenbelüftet) installiert. Sie versteckt sich hinter sehenswerten doppelspeichigen 18-Zoll-Alus. Diese sind, wie auch die in Alu matt gehaltenen Aussenspiegel, die in einer diffusorähnlichen Heckschürze integrierte Doppelrohrauspuffanlage und den mit chromstäben bewaffneten Frontgrill die optischen Markenzeichen des S3. Auf akustische Markenzeichen verzichtet der schnelle Ingolstädter leider fast vollständig. Da, aber eigentlich nur da, hat ihm der VW Golf R32 etwas voraus.


Kurvig: So sollte es im S3 Rückspiegel immer aussehen

Zusammenfassend kann man sagen, dass der neue Audi S3 vor allem einen riesigen Nachteil hat: Sein Preis. Ansonsten wusste er auf der ganzen Linie zu überzeugen. Er ist tierisch schnell, verfügt über ein Topfahrwerk, sieht gut aus, bietet bequeme Sitze und hat für den Notfall eine böse zubeissende Bremse mit an Bord. Der Platz reicht sicher auch für den bequemen Transport von vier Personen, die sich mangels 5-Türer mit etwas Geschick ein- und ausfädeln müssen. Weiter ist er sehr einfach zu bedienen. Ja, man könnte den S3 seiner Schwester, seiner Mutter, ja sogar sämtlichen männlichen Kollegen ausleihen. Die Frage ist nur, ob man das auch will. Schliesslich wissen wir jetzt defintiv: S macht Spass!