Unauffällig ist anders. Grabber Blue Metallic heisst der Farbton, der einen nie unerkannt von A nach B kommen lässt. Man ist quasi ein bunter Hund oder ein buntes Pferd, weil: Mustang. Inzwischen sollten selbst die Gusseisernen akzeptiert haben, dass es neben dem Verbrenner ein Elektroauto gleichen Namens gibt. Und so wie es am Mustang-Treffen im Ace Café Luzern aussah, tun sie das tatsächlich, wenn auch vielleicht zähneknirschend. Egal, denn hier vor mir steht gerade die stärkste und schnellste Version davon, der Ford Mustang Mach-E GT.
Was das genau bedeutet? Statt bisher maximal gar nicht schwache 351 galoppieren hier satte 487 Pferdestärken. Er steht auf 20 Zöllern und auf den Bremszangen prangt das Brembo-Logo. Weiter gibt es spezielle Sportsitze und natürlich einige Schriftzüge, die das Spitzenmodell erkennbar machen. Am auffälligsten ist aber der schwarz lackierte Bereich in der Front, wo ein Kühlergrill angedeutet wird. Die in Wagenfarbe lackierten Radläufe sind ebenfalls GT-spezifisch. Technisch ist zudem das Fahrwerk interessant, denn nur der GT hat das adaptive MagneRide installiert, das sich 1000 Mal pro Sekunde anpassen können soll. Dazu wird die Viskosität der Hydraulikflüssigkeit in den Dämpfern via magnetisch angesteuerter Metallpartikel verändert.
Klingt fancy? Stimmt. Aber funktioniert all das auch in der Praxis? Und verbraucht so viel Power nicht auch mehr Strom und verringert dadurch die Reichweite? Doch zunächst interessiert natürlich die schiere Kraft. Also an der Kreuzung angehalten, ein Tritt aufs Fahrpedal reicht, um der Mitfahrerin innert Sekundenbruchteilen ein lautes Lachen zu entlocken. Nur schon die Beschleunigung auf legale 50 km/h ist derart eindrücklich, dass der Vergleich mit der Europa-Park-Attraktion nicht gesucht scheint. Die Blue Fire startet jeweils noch mit viel (Lautsprecher-) Lärm, im Mustang Mach-E GT geht es fast lautlos ab. Je nach Bodenbeschaffenheit kann allenfalls ein Reifenquietschen entstehen, also besser vorsichtig losfahren.
Für die Bodenbeschaffenheit soll ja dieses MagneRide-Fahrwerk zuständig sein. Soll sein. Denn hier wäre weniger eindeutig mehr. Die Spreizung reicht gefühlt von nervösem Gehoppel bis zu immer-noch-zu-hartem-Sportfeeling. Der Mehrwert gegenüber dem einfacheren Fahrwerk ist zumindest im Alltag nicht erkennbar. Extra für abgesperrte Strecken hat Ford beim GT einen Temperamentvoll Plus-Modus ersonnen. Mag sein, dass dort dann die Abstimmung passt. Auf der Strasse ist die Chose definitiv zu hart. Klar liegt er gut in den Kurven, das tat er mit dem konventionellen Fahrwerk aber auch. Die etwas lose Hinterachse hat Ford beibehalten, es ist also insbesondere bei Nässe Vorsicht geboten. Elektro-Novizen sollte man demnach nicht ohne entsprechende Hinweise in diesen Sport-SUV setzen.
Wer etwas unaufmerksam unterwegs ist, wird von gut reagierenden Assistenten unterstützt. Im Test zeigte sich der Pre-Collision-Assist als sehr emsig bis leicht übereifrig. Doch im Zweifelsfall ist ein verfrühter Bremseinsatz sicher besser als ein verspäteter. Denn einmal war die Bremsaktion des vorausfahrenden Wagens tatsächlich so unvermittelt, dass ich mit meiner Reaktion spät dran war. Die Bremse an sich ist gut dosierbar. Der One-Pedal-Mode ermöglicht jedoch ein weitgehend bremsfreies Fahren. Er wird wie die allermeisten Funktionen über den riesigen Bildschirm in der Mittelkonsole aktiviert. Das Menü ist dabei nicht über alle Zweifel erhaben, was Übersicht und Bedienlogik angeht. Dank relativ grossen Touchflächen, navigiert man aber trotzdem einigermassen flüssig durch das SYNC-System.
Flüssig bewegt man sich natürlich auch im Verkehr und das nicht nur wegen der enormen Leistung der beiden Elektromotoren. Ford-typisch ist der Mach-E ein agiles Auto, mit dem das Fahren Freude bereitet. Gerade auf langen Strecken helfen da auch die bequemen Sitze, die mit ihrer Wildlederoptik einen sportlichen Touch ins sonst nicht zusätzlich aufgehübschte Cockpit bringen. Nur die Kopfstützen könnten etwas weiter hinten platziert sein.
Auf der Rückbank geht es bequem zu und her. Das Dach liegt höher, als man auf den ersten Blick vermuten würde, was entsprechend positive Auswirkungen auf den hinteren Kopfraum hat. Der Kofferraum bietet genügend Platz und schluckt im Untergeschoss sogar noch ein Ladekabel. Somit bleiben die 100 Liter Frunk (Kofferraum unter der „Motorhaube“) für Anderes frei.
Doch die meisten Mustang Mach-E GT-Pilot:innen dürften für solche Praxisbetrachtungen wenig Verständnis haben. Sie werden sich an der auch beim GT durchaus gelungenen Form ergötzen. Gerade in leuchtenden Farben wie Orange oder eben Blau kommt sie sehr gut zur Geltung. Stolz werden sie über den GT-Schriftzug am Heck streifen, der dort anstelle des galoppierenden Pferdes prangt.
Bleibt natürlich auch noch die Frage, was so ein noch schneller galoppierender Mustang denn braucht. Auf den über 1000 Testkilometern genehmigte er sich im Schnitt 22,9 kWh auf 100 Kilometer und sog damit 2,3 kWh mehr aus der Dose, als der vor einem Jahr getestete „zivile“ Mach-E. Der kostete übrigens 73’400 Franken und war ebenfalls luxuriös ausgestattet. Dank schnellem Gleichstromladen ist man weniger als einer Stunde von 15 auf 80%. Der Testwagen kommt auf 84’300, wobei er aktuell über eine Aktion 2400 Franken günstiger zu haben ist. Also zugreifen?
Ein klares Jein muss die Antwort sein. Wer sich ab und zu den Fusstritt in den Hintern verpassen will, ist mit dem GT besser bedient, weil er schlicht noch mehr Leistung hat. Auch schaut er noch besser aus, wobei die Optik wohl relativ einfach nachzuahmen wäre. Deutliche Gegenargumente sind das zu harte Fahrwerk und der Mehrverbrauch, der die Reichweite auf um etwa 50 auf immer noch gute 420 Kilometer reduziert.
Das reicht übrigens immer noch für eine Fahrt von Luzern in den Europa Park und zurück. Dort gibt’s dann die echte Blue Fire.