Als ich im Fahrbericht des Dacia Bigster geschrieben habe, er sei ein Geländewagen, basierte die Aussage auf reinen Annahmen meinerseits. Jetzt hatte ich Gelegenheit, den Rumänen quasi unter Laborbedingungen im Verkehrssicherheitszentrum des TCS im Betzholz bei Hinwil tatsächlich zu testen.
Nach einigen Kilometern mit anderen Dacia-Modellen im Umfeld von Hinwil standen dann die zwei Geländesektionen für uns bereit. Zur Erinnerung ein paar technische Angaben zum Fahrzeug: Ein 1,2-Liter Dreizylinder mit einem Mildhybrid-System bringt 130 PS. Aktuell gibt es den Allradler nur mit einem 6-Gang Handschaltgetriebe. Das maximale Drehmoment liegt bei 230 Newtonmeter. Das Leergewicht wird mit 1500 kg angegeben. Nicht gerade viel für ein 4,57 Meter langes und 1,81 Meter breites Fahrzeug, das auf 1,7 Meter aufragt.
Und doch, die Leistungsdaten machen nicht unbedingt Mut beim Anblick der Herausforderungen im Gelände. Echte 4×4-Junkies werden sowieso die Nase rümpfen, ein Untersetzungsgetriebe gibt es im Bigster nämlich nicht. Dessen ist man sich aber auch bei Dacia bewusst, weshalb man Duster und Bigster als die besten Offroader ohne Untersetzungsgetriebe anpreist. Auch das ist eine ziemliche Ansage.

Steinig: Ist der Fahrer gefühlvoll an der Kupplung, lässt sich der Bigster problemlos über diese herausfordernde Piste steuern
Also nehme ich Platz im Bigster, den ich ja bereits aus dem Alltagstest kenne. Doch die Fahrten in jenem Rahmen drehten sich mehr um Praxisnutzen, jetzt hingegen drehe ich zum ersten Mal den Knopf des Terrain Control System. Während auf der Strasse Auto oder Eco in 99,9% der Fälle perfekt sein dürften, stehen auch noch Mud, Snow und Lock zur Verfügung. Die Instruktoren des TCS empfehlen uns die Lock-Einstellung. Jetzt noch die Sitze richtig justiert, Scheiben einen Spalt offen und die Spiegel eingestellt.

Steil, unbefestigt – Kein Problem für den Dacia Bigster 4×4
Schon geht es auf eine mit bis zu 30 Zentimeter grossen lockeren Steinen gefüllte Steigung. Der Kupplungsfuss ist bereit, denn sofortiges Absterben droht an jedem der grösseren Brocken. Tatsächlich stellt der Dreizylinder für einen kurzen Moment seinen Dienst ein. Netterweise erweckt ihn ein schneller Druck auf das Kupplungspedal sofort wieder auf. Mit Gefühl geht es nach oben. Erstes Hindernis geschafft.

Lock: Die Empfehlung der Geländexperten ist klar
Für die Wasserdurchfahrt wird ein mittleres Tempo empfohlen. Zu langsam und man sinkt eventuell ziemlich nachhaltig ein. Zu schnell und man schenkt dem Benziner statt Luft reines H2O ein. Auch dieses Unterfangen gelingt spielend leicht.

Platsch: Mit zu viel Schwung sollte man die Wasserdurchfahrt nicht angehen
Die Schrägfahrt fordert mich mehr als das Auto. Denn so quer im Auto zu sitzen ist nicht angenehm, die Aussicht auf eine seitliche Rolle noch weniger. Im Display zeigt der Bigster an, dass wir uns noch locker im grünen (im hier gelb dargestellt) Bereich befinden.

Ein bisschen steil muss sein: Auch bei 20° hält man locker an
In der zweiten Geländesektion steht nun eine anständige Steigung zur Erklimmung bereit. Mit Gefühl und nicht allzu viel Tempo gehe ich auch dieses Hindernis an. Der Bigster klagt nicht, zieht sicher einfach weiter und ist wenig später auch schon oben angekommen. Das hätte ich ihm so nicht zugetraut. Hilfreich sind sicher die bei den 4×4-Modellen immer serienmässigen Allwetterpneus mit ihrer etwas ernsthafteren Profilierung.
So bin ich dann auch vor der letzten Übung, die steile Bergabfahrt, völlig relaxed. Wenn der Bigster den Rest so gut beherrscht hat, wird er mich auch hier nicht im Stich lassen. Kommt hinzu: Es gibt eine Hill Descent Control, deren aktivierung in der Mitte des Terrain Control System-Knopf gedrückt werden will. Wie immer in diesen Situationen braucht es etwas Mut, dem System die Kontrolle zu übergeben und die Bremse entsprechend zu lösen. Doch auch diese Aufgabe meistert der Dacia Bigster souverän. Auch ein Halt an der steilsten Stelle stellt ihn vor keine Probleme.

Champion: 9 Mal hat Sebastién Loeb die Rallye Weltmeisterschaft gewonnen. Nun ist es sein Ziel, mit dem Dacia Sandrider die Dakar zu gewinnen
Zum Abschluss gilt es jeweils, den Wagen zu wenden, um den Parcours von Neuem zu durchqueren. Mit aktiviertem Allradantrieb, etwas jugendlichem Übermut und entsprechendem Gaseinsatz gelingt das Wendemanöver auf unbefestigtem Boden im leichten Drift. Sebastien Loeb, der neunmalige Rallyeweltmeister, der bei dieser Veranstaltung sein Wüstenrennauto Dacia Sandrider zeigte, dürfte ob meinen Driftkünsten nicht sonderlich beeindruckt gewesen sein. Doch mir hat es, wie das ganze Geländeerlebnis mit dem Dacia Bigster, ein fettes Grinsen ins Gesicht gezaubert.
