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zuendung

18. Juni 2014

Das Einzweckfahrzeug

Jeep | 0 Kommentare

Ein Jeep ist der ursprünglichen Definition entsprechend ja ein Fahrzeug für jeglichen Gebrauch. Denn aus der Abkürzung des englischen "General Purpose" GP wurde gemäss einer von mehreren Theorien der Name Jeep. Ein richtiges Allzweckfahrzeug will der neue Grand Cherokee SRT nicht mehr sein. Er ist eher ein Einzweckfahrzeug. Er hat nur eines im Sinn: Fahren, […]

Ein Jeep ist der ursprünglichen Definition entsprechend ja ein Fahrzeug für jeglichen Gebrauch. Denn aus der Abkürzung des englischen "General Purpose" GP wurde gemäss einer von mehreren Theorien der Name Jeep. Ein richtiges Allzweckfahrzeug will der neue Grand Cherokee SRT nicht mehr sein. Er ist eher ein Einzweckfahrzeug. Er hat nur eines im Sinn: Fahren, und zwar schnell. SRT steht für Street & Racing Technology. Da wir in der Schweiz keine Rennstrecke haben (dürfen), kann er eigentlich nur als ST getestet werden. Aber auch das tun wir natürlich ebenso gerne.

In Zeiten von Downsizing, Startstopperei und CO2-Einsparungswahnsinn steht der SRT wie eine pure Antithese zum Zeitgeist im Gegenwind. Natürlich ist ihm das völlig egal. Ein bisschen mag er sogar mit dem Öko-Trend kokettieren, findet sich am Armaturenbrett doch tatsächlich ein Schalter mit der Aufschrift Eco. Was kann Eco in einem solchen Auto denn noch bedeuten? Dass er fortan nur mit dem Antrieb der Scheibenwischermotoren fährt? Oder dass er den heranfliegenden Insekten selbständig ausweicht? Natürlich nicht. Aber die Ingenieure der Sportabteilung des Fiat-Chrysler-Konzerns haben sich immerhin eine Zylinderabschaltung einfallen lassen. Die Hälfte der Kolben soll für den Fahrer vollkommen unmerklich die Arbeit niederlegen. Vielleicht kann ich wenigstens im Eco-Modus den Normverbrauch erreichen. So richtig ökologisch wäre ich auch dann nicht unterwegs, liegt der doch bei nicht eben sozialverträglichen 14 Liter auf 100 Kilometer.

Schon als ich zum allerersten Mal den Startknopf drücke, wird mir bewusst, dass selbst diese Zahl sehr schwer zu erreichen sein würde. Mit einem provozierenden Fauchen dreht der V8 gleich ein wenig hoch, um sich in einen für grossvolumige Achtzylinder typischen Leerlauf zu begeben. Leicht unruhig laufend ist dem geneigten Zuhörer klar, dass sich hier jede Menge amerikanische Pferde in Zurückhaltung üben. Und besonders gut darin sind sie nicht. Ja, unter meinem rechten Fuss schlummern mal eben 468 PS. Vierhunderachtundsechzig! Das ist mehr, als beispielsweise ein Ferrari California hat. Erreicht wird eine solche Leistung ganz klassisch, also ohne jegliche Aufladung. Nein, hier geht es nur um Hubraum. Aus 6,4 Liter schöpft er dann auch bärige 624 Newtonmeter Drehmoment. Genug, um den Trumm trotz 2,45 Tonnen in fünf Sekunden auf Tempo Hundert zu wuchten. Für den Ausflug auf den Dragstrip gibt es sogar eine Launch-Control, deren Taste eine typisch amerikanische Dragsterampel in traditioneller Christbaumoptik ziert.

Doch ich starte erst einmal gemässigt in den Zürcher Abendverkehr. Die 8-Gang-Automatik von ZF sollte auch im bevorstehenden Stau gut funktionieren. Doch wider Erwarten bleibt der Verkehrskollaps aus. Dafür darf die serienmässige Abstandstempomatik zeigen, was sie kann. Entspannt wie auf einem leeren Freeway cruist der Grand Cherokee dahin, bremst mal ein wenig runter, beschleunigt dann wieder von selbst auf das vorgegebene Tempo. Währenddessen wir der Fahrer mit dem kühlenden Sitz und wummerndem Sound aus der Stereoanlage wach gehalten. Müdigkeits- oder Spurhalteassistenten gibt es nämlich nicht. Trotzdem wird die Liste der Dinge, die der SRT nicht hat, deutlich kürzer als jene mit der Serienausstattung. Einziges Extra am Testauto bleibt dann auch die Metalliclackierung.

Ebenso serienmässig ist damit das Öhlins-Fahrwerk, das spezifisch für den SRT abgestimmt wurde. Als ich von der Autobahn auf die Landstrasse wechsle, zeigt sich diesbezüglich eine gewisse Ernüchterung. Zwar hat man dem Jeep das Hoppeln ausgetrieben, das Wanken in Querrichtung ist aber teilweise sehr ausgeprägt. Im Zusammenspiel mit den richtig fetten 295er Reifen schmeisst mich der Power-Jeep bei einer Gelegenheit fast aus der Bahn: Bei Tempo 80 treffe ich ausserorts eine Spurrinne, der Wagen versetzt um etwa einen halben Meter in Richtung Mittellinie, obwohl ich das Lenkrad fest in den Händen halte. Dieses Manko müsste dringend ausgemerzt werden. Denn eine solche Sensibilität ist höchstens auf einer topfebenen Rennstrecke nicht von Nachteil.

Ansonsten kann ich über das Fahrverhalten nichts Negatives sagen. Präzise folgt der grosse Allradler den Lenkbefehlen. Die Brembo-Anlage sorgt für eine anständige und gut dosierbare Verzögerung. Die Automatik hält stets die richtige Stufe bereit, auch wenn wir sie in anderen Fahrzeugen schon "smoother" erlebt haben. Auch das Fahrwerk macht seine Sache ansonsten gut. Die Dämpfer werden zusammen mit Gasannahme und dem Verhalten des Antriebs über ein Wählrad eingestellt. Neben dem Automatikmodus stehen auch Sport und Track, aber auch Slow (fürs Gelände) und Tow (zum Ziehen) bereit. Einen Geländeeinsatz habe ich dem SRT aber vor allem wegen der sportlichen Bereifung vorenthalten. Die Track-Einstellung verlegt den Einsatzbereich des ESP in jene Sphären, wo Ottonormalfahrer sowieso nie hin gelangen. Auch als ich den V8 regelrecht prügle, schlägt das Popometer nie Alarm. Trotz seines hohen Schwerpunkts und des ebenfalls hoch liegenden Sitzplatzes des Fahrers, fühle ich mich selbst bei engeren Wechselkurven nicht unbehaglich. Die Gänge können bei sportlicher Gangart mit Schaltwippen am Lenkrad eingelegt werden.

Die Optik passt zum dynamischen Anspruch: Neben den 20-Zöllern mit roten Brembo-Zangen dahinter fällt auch das extrovertierte aber nicht übertriebene Bodykit auf. Während die hintere Schürze die beiden Auspuffrohre aufnimmt, beherbergt die vordere das "Auge" für den Abstandstempomaten. Warum neben den eleganten LED-Ablendlichtern noch zwei in die Stossstange eingelassene Tagfahrlichtstreifen verbaut werden mussten, bleibt dagegen eher rätselhaft. Erstaunlich bleibt auch, wie sehr das Facelift den Grand Cherokee verändert hat. Während der letzte Testwagen bestenfalls Respekt erntete, kassiert der SRT massenhaft Komplimente. Nicht nur einmal höre ich, er sei der schönste Jeep, der dem Beobachtenden jemals untergekommen sei. Unmittelbar danach kommt die Frage nach Preis für dieses hübsche Stück amerikanischen Automobilbaus mit mehr als einer Prise Italianità im Blech. Genau 97'900 Franken kostet der Spass.

Ein Haufen Geld, keine Frage. Wenn man aber zur Konkurrenz schaut, kostet da ein Porsche Cayenne S schon exakt 6000 Franken mehr und weist erst noch ein Leistungsdefizit von fast 70 PS auf. Mehr Leistung (525 PS) hat dagegen der ML63 AMG von Mercedes, er kostet aber auch 60'000 Franken mehr. Also am besten einfach auf den sehr bequemen Alcantarasitzen mit Lederflanken Platz nehmen und geniessen. Denn das Preis-/Leistungsverhältnis kann auf jeden Fall überzeugen. Dass der Jeep Grand Cherokee SRT im Test selbst bei ökologischer Fahrweise nicht unter 14,3 Liter zu bewegen war, dürfte echte Fans kaum abschrecken. Sie werden im Alltag öfters mal den V8 hören wollen, was zu Verbräuchen ab 16 Liter führt. Und wie es sich mit "ab-Angaben" verhält, wissen wir doch alle.

Dieses Auto kauft man nicht mit dem Kopf. Zuerst muss einem selbiger derart verdreht werden, dass man sämtliche Vernunftgedanken vergisst. Wer das tut, erhält im neuen SRT ein faszinierendes Fahrzeug, das aus der Menge heraussticht. Eines, das zwar fünf Sitzplätze bietet, sich aber eigentlich nur um jenen vorne links schert. Er ist und bleibt eben ein Einzweckfahrzeug.