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zuendung

22. Januar 2006

Das erste Mal

Honda | 0 Kommentare

Zugegeben, auch ich zähle mich zur der Sorte Mensch, die auf dem Beifahrersitz bald nach frischer Luft schnappt, weil ihr schlecht wird. Einziges Verhütungsmittel: Lenkrad in die Hand nehmen. So dachte ich, bis der Civic als erstes Auto das Mittel ausser Kraft setzte. Enge Kurven, rassig beschleunigen, schnell verzögern. Zum ersten Mal wird dem Fahrer […]

Zugegeben, auch ich zähle mich zur der Sorte Mensch, die auf dem Beifahrersitz bald nach frischer Luft schnappt, weil ihr schlecht wird. Einziges Verhütungsmittel: Lenkrad in die Hand nehmen. So dachte ich, bis der Civic als erstes Auto das Mittel ausser Kraft setzte. Enge Kurven, rassig beschleunigen, schnell verzögern. Zum ersten Mal wird dem Fahrer selbst schlecht. Klar, es gibt Autos mit ordentlich mehr Dampf, die einen gröber ins Polster drücken. Wahrscheinlich fühlte sich die Magengegend aber deswegen zerrüttet an, weil die Speisekarte mit 140 PS weder Steak noch Pommes, sondern lediglich Salatblättchen erwarten lässt. Das Dieselfeuer scheint jedoch mit Chili angeheizt, es wird brennend und unverzüglich serviert.

Trotz einem Lebendgewicht von über 1400kg spüren Fahrer und Beifahrer die 340Nm ordentlich im Nacken. Ab 1500 Umdrehungen fliegt die Tachonadel gegen das Skalenende, wobei der Schub gleichmässig bis über 4500 Umdrehungen in den roten Bereich hinein pfeffert. Entsprechend zieht der Diesel selbst im sechsten Gang rassig durch, als hiesse das Gaspedal "ich-will-weg-Pedal". Für Schaltfaule ein Wunderwagen. Aber auch Schalten macht Appetit, die Gänge flutschen präzise und leicht, geführt am angenehm hochliegenden Hebel.

Dahingleiten innerorts im fünften Gang knabbert der vierzylindrige Diesel friedlich weg. Vom Knabbern dringt aber nur Mässiges ans Gehör. Selbst bei Vollgas nagelt die 2.2-Liter-Maschine kaum. Trällert das Radio, nimmt man den Selbstzünder gar nicht erst wahr. Sportlich pfeifft der Turbolader bei Vollast, und irgendein Nebenaggregat summt dazu wie ein mechanisches Ladegebläse. Das alles aber nie im unangenehmen Bereich. Überhaupt, der Civic steckt alles Unangenehme weg (bis auf Poltergeräusche an der Hinterachse auf schlechten Strassen). Geradezu unaufgeregt angenehm lässt er sich brauchen. Leistung ist in Alltagssituationen genügend da, beim Anfahren braucht es gar einen feinen Gasfuss, um die Fronträder nicht pfeiffend abzuhobeln.

Passanten dürften nicht immer unaufgeregt am New Civic vorbeigehen. Besonders im roten Leuchtkleid dreht der mutig gezeichnete Golfklässler Köpfe. Vornehmlich Herren mittleren Alters scheinen bald den Weg zur nächsten Hondavertretung unter die Füsse zu nehmen. Ob das daran liegt, dass sie im Zeitalter der Zukunftsvisionen gross geworden sind? Der New Civic strahlt mit High-Tech- und Zukunftselementen, die auch einem Concept-Car gut stehen würden. Allen voran das durchgehende vordere Leuchtenband à la Citroën SM oder Alpine A310 (1,6 Liter-Version) – es ist wohl das erste in der Automobilgeschichte, das von links bis rechts hinterspiegelt ist.

Traditionelle Küche wird auch im Innenraum nicht serviert. Gereicht werden Appetithäppchen auf coolem blauem Tablett. Das lässt sogar Analoginstrumente "digital" aussehen und verweist andere aktuelle Armaturentafeln geradewegs auf den Kompost. Glänzende Oberflächen wollen zwar oft gereinigt werden (Fingertatzen), unterstützen aber das Sci-Fi-Feeling. Die Bedienknöpfe sind nicht schön brav geordnet angebracht, doch wer will das schon. Style rules, und ein bisschen Raumschiff-Cockpit tut der ansonsten nach Deutscher Einheit lechzender Autoindustrie gut. Spätestens beim Einparken empfiehlt es sich aber, die Augen weg von den Leuchtinstrumenten zu nehmen und sie als Parkhilfe einzusetzen. Sonst leidet die Aussenhaut bald, denn die Sicht nach hinten ist stark eingeschränkt, und die Ausmasse der Motorhaube lassen sich nur erahnen.

Fazit: Einer der besten Dieselmotoren, aufregend verpackt und zum fairen Preis von netto knapp 33'000 Franken. Das ist nicht selbstverständlich, denn für Honda ist es ein erstes Mal, einen Dieselmotor anzubieten. Die 2.2-Liter-Maschine gibt's zwar bereits in Accord, CR-V und Co., im Civic kann sie sich aber erstmals richtig ausleben und bleibt dank Partikelfilter sauber. Ein starkes Team, finden wir und ziehen den Diesel der Benzinvariante vor (wobei dieses Urteil bei Ankunft des Type-R überarbeitet wird…).
Dankeschön an die Hondavertretung Bütikofer in Winterthur für den Testwagen! Bütikofer Ford und Honda