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zuendung

24. Februar 2009

Der durch die Kälte ging

BMW | 0 Kommentare

BMW. Bayrische Motoren Werke. Bislang dachte der Autofan beim ausgeschriebenen Namen des deutschen Premium-Herstellers in erster Linie an die sechszylindrigen Reihen-Schmankerl, die für ihren typischen Sound ebenso berühmt sind wie für ihr sahniges Hochdrehen. Doch diese schlichte Assoziation stammt aus der Zeit, in der die beiden hinteren Ziffern bei BMW jeweils noch den Hubraum in […]

BMW. Bayrische Motoren Werke. Bislang dachte der Autofan beim ausgeschriebenen Namen des deutschen Premium-Herstellers in erster Linie an die sechszylindrigen Reihen-Schmankerl, die für ihren typischen Sound ebenso berühmt sind wie für ihr sahniges Hochdrehen. Doch diese schlichte Assoziation stammt aus der Zeit, in der die beiden hinteren Ziffern bei BMW jeweils noch den Hubraum in Deziliter bezeichneten. Heute kann ein 123d durchaus nur 1998 Kubikzentimeter aufweisen. Das fehlende Cola-Glas an Hubraum wird durch ein ungleiches Paar an Turboladern ausgeglichen. Der kleine macht sich schon kurz über Leerlaufdrehzahl an die Arbeit, während der grosse Lader in der Mitte des Drehzahlbandes einsetzt und dem Einser zu enormem Schub verhilft.

Das Losfahren aus dem Stand erinnert mich irgendwie an umgekehrtes Smart-Fahren. Beim Winzzweiplätzer wird die Besatzung ja jeweils bei jedem automatisierten Gangwechsel im Moment der Zugunterbrechung nach vorne geschleudert. Beim 123d ist es eher so, dass es einen nach jedem Gangwechsel nach hinten wirft, weil der Drehmomentberg von 400 Newtonmeter bereits bei 2000 Umdrehungen ansteht. Natürlich ist es ein Luxusproblem, "zu viel" Kraft unter der Haube zu haben. Und doch kann ich mir vorstellen, dass der eine oder andere Mitfahrer ob der gummibandähnlichen Beschleunigung etwas irritiert sein dürfte.

Das hat bestimmt auch mit dem Exterieur zu tun. Ein BMW Einser ist, wenn man ihn nicht mit Spoilern aus dem Zubehörhandel verschandelt, ein wunderbar schlichtes Auto. Bei seinem Erscheinen, wurde die "Hängebauchschweinlinie" an der Seite noch kritisiert, inzwischen wurde das Design von der Konkurrenz kopiert. Doch als 123d deutet aussen nichts darauf hin, dass ein derart angriffiges Tier unter der langen Motorhaube schlummern könnte. Hinten findet sich nur ein dunkles Auspuffrohr. Auch die 17-Zöller sind nicht überbreit. Understatement über alles, sozusagen. Die dreitürige Variante des Einser hebt sich lediglich durch einen zurückhaltenden Chromrahmen um die Seitenfenster von seinem praktischeren Bruder ab.

Bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt würde ich aber eindeutig zum Fünftürer raten. Der Grund dafür ist kein praktischer, sonern ein technischer. Um ihm ein bisschen Coupé-Feeling einzuflössen, haben die BMW-Ingenieure rahmenlose Seitenscheiben installiert. Wenn es draussen bitterkalt ist, kann es durchaus mal sein, dass die Elektronik überfordert ist und die beim Öffnen der Türe leicht herunterfahrenden Scheiben nicht mehr recht schliessen wollen. Das passierte mir jedenfalls mehrfach. Dies ist sicher kein grosses Manko, aber doch ärgerlich genug, auf den auch nicht weniger hübschen Fünftürer zu wechseln. Dass man den Einser besser nur zu zweit nutzt, haben wir schon vor längerer Zeit bei einer Testfahrt mit dem 130i festgestellt. Der Diesel selbst ist auch bei tiefen Minusgraden kein Problem: Beim Druck auf den Startknopf glüht der Einser selbsständig vor und ist nach einem kurzen Moment sofort in bekannter Stärke einsatzbereit. Der Fahrer wird derweil von einer perfekt arbeitenden Sitzheitzung auf Temperatur gebracht.

Der 130i dient als gutes Stichwort, hatte der Reihensechser mit satten 265 PS damals doch über 13 Liter geschluckt. Dagegen kann ich an der Tanksäule mein Grinsen behalten: Zwischen 6 und 7 Liter Diesel braucht dieses Wunderwerk alle 100 Kilometer. Dazu muss erwähnt sein, dass die Start-Stopp-Funktion des serienmässigen EfficientDynamics Pakets bei diesen Temperaturen nicht zum Einsatz kam. Noch tiefere Verbräuche scheinen also realistisch. Da kann man ruhig auch mal längere Etappen unter die Reifen nehmen. Das habe ich dann auch getan: Bei einer Fahrt von Luzern nach Genf konnte der 123d seine Autobahnfähigkeiten zeigen. 120 km/h bei 2300 Umdrehungen im sechsten Gang sind sehr angenehm. Und wenn einmal Leistung zum Überholen gefragt ist, kommt der Boost ohne Verzögerung. Das geniale iDrive half mir beim Finden des Stade de Genève in dieser reichlich französischen Stadt. Und dank grossartiger Sportsitze, war es auch nicht schlimm, dass die Strecke gleich zwei Mal am gleichen Tag gefahren werden musste. Das Fahrwerk ist nur bei diesen ganz kurzen, hässlichen Fugen etwas zu hart. Ansonsten wurde da ein guter Mix aus Komfort und Sportsgeist gefunden.

Eine Frage dürfte den meisten Lesern nun regelrecht unter den Nägeln brennen: Wie viel kostet dieses fantastische Stück Automobilkunst? Viel. 46'000 Schweizer Fränkli verschlingt die Basis. Doch bei so einem 123d mit der wunderbaren Lederausstattung, dem vertrauenswürdigen Navigationssystem und sonstigen Posten, die das Prädikat "Verwöhnaroma" verdienen, klettert der Anschaffungspreis für unser Testexemplar auf 61'140 CHF. Wer jetzt sagt, das sei ja viel zu viel, dem entgegne ich: Bist Du schon einmal in einem 123d gesessen, hast das ESP auf dynamisch (BMW-Sprech DTC) geschaltet und in jeder engeren Kurve das Heck raushängen lassen?" Eben.

Es sind Autos wie dieser BMW 123d, die uns Autofans auch in Zukunft unglaublichen, reuelosen Spass am Fahren garantieren werden. Spätestens mit diesem Wundermotor beweisen die Bayern also, dass sie auch Diesel können. Dass es schon immer etwas teurer war, einen guten Geschmack zu haben, ist ja leider nichts Neues.