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amadefries

23. Oktober 2023

Der GTI für den Gentleman

VW | 0 Kommentare

Wahrscheinlich bin ich nicht ganz alleine damit, dass mich das Kürzel GTX an den gleichnamigen Plymouth aus den frühen 1970er Jahren erinnert. Das Muscle Car wurde damals als „Gentleman’s“ Variante des Genres bezeichnet. Und vielleicht ist diese Beschreibung für den Teswagen gar nicht so verkehrt. Distinguiert schaut er schon mal aus in diesem dunkelblau-schwarzen Anzug. […]

Wahrscheinlich bin ich nicht ganz alleine damit, dass mich das Kürzel GTX an den gleichnamigen Plymouth aus den frühen 1970er Jahren erinnert. Das Muscle Car wurde damals als „Gentleman’s“ Variante des Genres bezeichnet. Und vielleicht ist diese Beschreibung für den Teswagen gar nicht so verkehrt. Distinguiert schaut er schon mal aus in diesem dunkelblau-schwarzen Anzug. Die Schriftzüge in eleganter Font wurden ebenfalls in Schwarz angebracht. Nett gemacht, VW.

Doch nett will die sportlichste Ausprägung des ID.4 wahrscheinlich nicht in erster Linie sein. Für den sportlichen Auftritt fehlen äusserlich aber neben den grossen Rädern klare Insignien, wie man sie beispielsweise vom GTI mit den roten Akzenten kennt. Der Kundschaft dürfte das aber recht sein. Der GTX kommt trotz 300-Elektro-PS dezent daher. Die Formensprache hat sich in kurzer Zeit etabliert, tut nicht weh, löst aber auch keine Begeisterungsstürme aus. Typisch VW eben.

Schokoladenseite? Wie wär’s mit 3/4 Heck?

Ebenfalls typisch, so ein rassiger GTX kostet schnell einmal gegen 80’000 Franken. Genauer: Der Testwagenpreis beläuft sich auf 78’890. Dann ist aber volle Hütte und es bleibt kein Konfigurationskästchen unangekreuzt. Tatsächlich fühlt sich das Interieur auch nach „Premium“ an. Trotzdem kann es keinen Bericht über einen aktuellen ID geben, ohne die auch hier nervende Einrichtung mit den Bedienslidern unterhalb des Touchscreens. Wer in der Nacht Lautstärke oder Temperatur verstellen will, sieht sich mit dem unbeleuchteten Bereich konfrontiert. Das Unverständnis für diese Lösung ist auch nach bald 4 Jahren nicht kleiner geworden.

Dafür findet sich eine bequeme Sitzposition, auch wenn die integrierte Kopfstütze je nach Grösse eine gewisse Herausforderung darstellen könnte. Neben elektrischer Verstellung und Memoryfunktion gibt es hier sogar eine Massagefunktion, die gerade auf weiten Strecken gerne in Anspruch genommen wird. Und dafür ist der ID.4 ja auch gemacht. Bei voller Ladung verspricht die Anzeige eine Reichweite von 498 Kilometer. Das entspricht etwas mehr als der Strecke von Luzern nach Bologna. Wie weit er tatsächlich kommt, zeigt sich im Test.

Praktisch: Ladeklappe dort, wo früher der Tankstutzen war.

Der GTX kommt immer mit dem grossen Akku (82kWh) und Allradantrieb. Im Sportpaket plus ist das adaptive Fahrwerk DCC enthalten, das trotz 21-Zöllern einen erträglichen Komfort ermöglichen soll. Doch zunächst will ich wissen, wie es um die Sportlichkeit steht. Fahrprofil auf Sport gestellt und schon verhärten sich die Dämpfer spürbar. Die Reaktionen auf Pedalbefehle werden zackiger, das Mass der Rekuperation verstärkt sich. Aus dem Stand geht er gut vorwärts, lässt sich mit der Progressivlenkung präzise durch Kurven manövrieren, nur auf der Bremse könnte noch etwas mehr Verbindlichkeit kommen. Zudem gilt: Der Sportmodus ist eher etwas für Solofahrer, Passagiere werden zu sehr durchgeschüttelt. Wer alles ausser das Fahrwerk auf Sport stellen möchte, kann sich unter Individual genau diese Auswahl zusammenstellen. Genau das tue ich auch, allerdings erst nachdem ich ein paar flotte Kurven durchfahren habe. Es macht Spass, den GTX etwas zackiger zu bewegen.

Wären da nicht die unbeleuchteten Touchslider, das Interieur wäre praktisch. Inzwischen hat VW reagiert.

Mit 4,58 ist er übrigens gar nicht so lang, wie er scheint. Die Höhe von 1,64m sorgt dafür, dass man auch hinten gut sitzen kann. Das Kofferraumvolumen fällt mit 543 Liter nicht riesig aber doch ausreichend aus, zumal das Gepäckabteil gut zu beladen ist. Generell ist der ID.4 ein praktischer Begleiter, der sich eher im Hintergrund hält. Das auffälligste Feature ist da noch die LED-Begrüssungszeremonie. Die einzelnen „Plättchen“ in den Heckleuchten blitzen der Reihe nach auf und demonstrieren so auch, wie weit die Lichttechnik inzwischen ist. In der Nacht wird der Gegenverkehr souverän „ausgeschnitten“ und die eigene Fahrbahn hell erleuchtet.

Familienbande: Klar erkennbares Mitglied der VW ID-Gang.

Auch der adaptive Tempomat funktioniert im Prinzip sehr gut. Im Prinzip? Ja, denn die Geschwindigkeit und der Abstand wollen über die Touchflächen am Lenkrad eingestellt werden. Und das funktioniert leider eher so mittel. Die Alternative dazu bleibt die automatische Anpassung an die angezeigten Tempolimiten, was recht gut funktioniert. Wir sind längst bei den Komfortfeatures angekommen, darum noch ein paar Worte zur gleichnamigen Abstimmung. Verglichen mit „Sport“ ist sie deutlich softer, was die Bandscheiben aller Mitfahrenden schont. Nur kommt es nun zu ungewolltem Nachschwingen nach dem Überfahren von Unebenheiten. Man wird nicht direkt seekrank, aber eine wirklich komfortable Abstimmung sähe anders aus.

Vielleicht kein blaues Wunder, aber ein dynamischer Alltagsbegleiter.

Eigentlich schade, denn der VW ID.4 GTX macht seine Sache ansonsten richtig gut. Ich gewöhne mich schnell an sein zurückhaltendes Wesen und geniesse die nur selten wirklich nötige Power. Dass er dabei mit einem Testverbrauch von 18,9 kWh auf 100 Kilometer relativ sparsam bleibt, macht ihn tatsächlich auch für längere Strecken fit. Die so errechnete Reichweite liegt bei 430 Kilometer. Bis nach Bologna langt es nicht, ein Trip nach Genua ist aber noch drin.