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zuendung

12. Oktober 2006

Der Profi

Scania | 0 Kommentare

Verdammt schwer sind sie, die 40 Tonnen, die den Truck bergab beschleunigen. Um dem entgegenzuhalten nützt der stärkste Motor nichts. Nach drei Retarder-Stufen schaltet das automatisierte Opticruise-Getriebe von Scania in den kleinstmöglichen Gang, um die Motorbremswirkung zu erhöhen. Bei 15 Prozent Gefälle liegen so 20 km/h drin, ohne die Fussbremse einzusetzen. Brenzlig wird's erst in […]

Verdammt schwer sind sie, die 40 Tonnen, die den Truck bergab beschleunigen. Um dem entgegenzuhalten nützt der stärkste Motor nichts. Nach drei Retarder-Stufen schaltet das automatisierte Opticruise-Getriebe von Scania in den kleinstmöglichen Gang, um die Motorbremswirkung zu erhöhen. Bei 15 Prozent Gefälle liegen so 20 km/h drin, ohne die Fussbremse einzusetzen. Brenzlig wird's erst in engen Kurven mit feuchtem Belag. Weil die Bremsleistung auf einer einzigen Achse angreift, neigt das Schlepperheck unter dem Druck des Aufliegers bald zum Ausscheren. Da hilft nur, den Retarder auf Null zu stellen und den Truck sanft mit der Fussbremse zu bändigen.


Autobahnprofi: Speziell für den Einsatz im Fernverkehr wurde der R500 Sattelschlepper konstruiert. Daher der drehmomentstarke Motor und die lange Hinterachsübersetzung.

2400 Newtonmeter, 500 PS:
Bergauf scheinen die 40 Tonnen Gesamtgewicht leichter, obwohl 500 PS heute nicht nach überschäumender Leistung klingen. Beeindruckend ist das bärenstarke Drehmoment des 16-Liter-V8. Ab 1100 U/min drängen 2400 Newtonmeter an die Hinterachse, was nach schaltfauler Fahrweise ruft.
Auf unserer Testroute dreht das automatiserte Getriebe am Hulftegg-Pass jeden Gang voll aus. Frühzeitiges Hochschalten verhindert der spezielle Bergmodus (H-Stellung der Getriebesteuerung). Bei extremen Steigungen sind die 12 Gangstufen an der unteren Grenze, oft dreht der V8 bedrohlich nahe am roten Bereich. Sie genügen aber in den meisten Situationen, zumal unser Testfahrzeug für den Autobahneinsatz vorgesehen ist und mit einer entsprechend langen Hinterachsübersetzung versehen wurde.


Clevere Details: Abstandsradar und Nebelscheinwerfer werden durch leicht und günstig erneuerbare Kunststoffdeckel vor Beschädigungen und Verschmutzung geschützt.

Die Autobahn ist seine Heimat:
Der hohe Leistungsbedarf am Berg lässt die Kühlwassertemperatur auf über 90 Grad ansteigen. Zudem neigen die Antriebsräder in engen Kehren zum Durchdrehen – zuzuschreiben ist das der enormen Kraftentfaltung der Zugmaschine sowie dem Dreiachs-Auflieger, der sich konzeptbedingt nur widerwillig durch Kurven ziehen lässt.
Bo Eriksson, der Begleiter unseres schwedischen Testfahrzeugs empfiehlt nach der bestandenen "Gebirgstaufe" die unbeschwerte Fahrt in ihm besser vertrauten, weniger steilen Gebieten. Wir zielen den schweren, 2,6 Meter breiten Sattelzug also in Richtung Autobahn. Überlandfahren entspannt nicht nur den Fahrer, sondern auch das Fahrzeug: Der Verbrauch geht von über 60 Litern Diesel je 100 Kilometer am Berg auf etwa 35 Liter zurück – vorausschauende Fahrweise vorausgesetzt.


Wohlfühlzentrale: Scania legt grossen Wert auf angenehme Materialien im Innenraum. Der Bildschirm rechts im Bild versorgt den Fahrer mit Informationen zum Fahrzeug, zur Route (GPS) und spielt bei Bedarf auch DVDs ab.

Kick-Down-Modus auf der Autobahnauffahrt Pfäffikon SZ in Richtung Zürich. Auf der dreispurigen Steigung sind die 40 Tonnen bald auf Maximalgeschwindigkeit beschleunigt. Das doppelt verglaste Fahrerfenster war bisher einen Spalt geöffnet, um dem Motorsound zu lauschen. Es zu schliessen ist wie nach dem Feierabend die Füsse in der eigenen Stube hoch zu lagern; entspanntes Dahingleiten ist angesagt. Bei 85 km/h dreht der V8 auf 1240 U/min und brummt angenehm im Hintergrund.


(Noch) kein innermotorisches Verfahren: Der R500 V8 tankt zusätzlich Harnstoff, um die bisher strengste Euro-5-Abgashürde zu meistern. Damit die Flüssigkeit nicht einfriert, wird der Tank mit Motorkühlwasser umspühlt.

Abstandsregelung und Spurhaltung:
Der Tempomat wird neu von einem Abstandsregelsystem (ACC) unterstützt. Anstatt den Abstand in Metern einzugeben, entscheidet sich der Fahrer zwischen zwei, drei oder fünf Sekunden Abstand zum Vordermann. Bremst das vorausfahrende Fahrzeug ab, bremst auch der Scania. Eine Vollbremsung leitet er jedoch nicht ein, er verzögert höchstens mit drei Metern pro Quadratsekunde, was etwa der Hälfte der maximalen Bremsleistung der EBS-Bremsanlage entspricht. Ebenfalls als ausgereift und praktisch empfanden wir den Spurassistenten (LDW). Überfährt die Zugmaschine eine seitliche Strassenmarkierung (z. B. Pannenstreifen auf der Autobahn), wird der Chauffeur mit einem Brummgeräusch darauf aufmerksam gemacht. Ältere solche Systeme nervten ausserorts auf schmalen Strassen oder bei Radwegmarkierungen oft mit unnötigen Meldungen. Neu am LDW ist, dass er sich bei aktiver Betätigung des Lenkrads ausschaltet. In der Praxis bewährt sich das sehr gut, da das System nur auf längeren Geraden aktiv wird.


Schwedenofen: Motorkühlwasser, Harnstofftank und die Kabine können mit 220 Volt über diese Aussenanschlüsse vorgewärmt werden.

Ferntransport-Profi:
Die Scania R500-Zugmaschine ist massgeschneidert für den Fernverkehr. Details, die erst nach längerem Einsatz wichtig werden, wurde viel Beachtung geschenkt. So zum Beispiel werden der Abstandsradar-Sensor und die Nebelscheinwerfer durch abnehmbare Kunststoff-Deckel vor Steinschlägen geschützt. Den Innenraum machen hochwertige Materialien zum angenehmen Arbeitsplatz. Auch der Antriebsstrang überzeugt: Der Drehmomentriese macht den Scania zum bequemen Cruiser und das Opticruise-Getriebe schaltet schnell und vernünftig. Je nachdem wie schnell das Gaspedal gedrückt wird, arbeiten Motor und Getriebe im Power- oder im Ökobereich. Im Unterschied zu anderen Anbietern verbaut Scania nach wie vor ein Kupplungspedal, das beim Abfahren und Anhalten betätigt werden muss. Damit lässt sich der Schlepper sehr feinfühlig rangieren.
Ökologisch wertvoll ist die Euro-5-Abgaseinstufung. Sie wird zwar (noch) nicht wie bei den Euro-4-Motoren von Scania durch innermotorische Massnahmen erreicht (EGR), sondern spritzt Harnstoff in den Abgasstrang ein. Diese Flüssigkeit wird in einem separaten Tank mitgeführt und braucht je nach Tankgrösse erst nach mehreren Tausend Kilometern aufgefüllt zu werden.