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zuendung

22. Dezember 2005

Der teuerste Van der Welt

Mercedes-Benz | 0 Kommentare

102'000 Schweizer Franken. Und das ist erst der Grundpreis. Hier steht also der teuerste Van der Welt vor uns. Aha, vorne trägt er einen grossen Stern im Grill, das Geheimnis des hohen Preises scheint bereits gelüftet. Und was steht hinten? R500, nie gehört. Kein Wunder, Mercedes betont auch, dass es dieses Fahrzeugkonzept noch nie vorher […]

102'000 Schweizer Franken. Und das ist erst der Grundpreis. Hier steht also der teuerste Van der Welt vor uns. Aha, vorne trägt er einen grossen Stern im Grill, das Geheimnis des hohen Preises scheint bereits gelüftet. Und was steht hinten? R500, nie gehört. Kein Wunder, Mercedes betont auch, dass es dieses Fahrzeugkonzept noch nie vorher gegeben hat. Der R500 ist das aktuelle Spitzenmodell der neuen R-Klasse, die ein Grand Sports Tourer sein soll. Erinnerungen an die B-Klasse werden wach. Diese nimmt die Bezeichung Compact Sports Tourer in Anspruch. Amüsant ist, dass es sich bei dem vor uns stehenden Riesenvan um die "Kurzversion" handelt. 4,92 Meter ist sie kurz. Die lange R-Klasse wurde für den US-Markt entwickelt und misst noch einmal 23 Zentimeter mehr.


Hohe Gürtellinie und markante Scheibenrahmen: R-Klasse in der Seitenansicht

Also sind wir froh, dass wir den kurzen Tourer bewegen dürfen und nehmen in der brandneuen R-Klasse Platz. Vorne sitzt es sich bequem und geräumig, allerdings fällt die aufrechte und leicht erhöhte Sitzposition auf. Der R basiert auf dem ML, ist also nicht nur ein Van, sondern auch ein Geländewagen. Beim Rangieren tritt der Vancharakter abermals in den Vordergrund: Man hat keine Ahnung, wo das Auto vorne aufhört. Umso bedenklicher, dass Mercedes selbst in der Topversion noch 1150 Franken Aufpreis für die Parkdistanzkontrolle verlangt. Und nun das Ganghebelchen auf Position D und sanft davonschweben…


Aus dieser Perspektive kann die R-Klasse am ehesten ein paar von ihren 2200 Kilo verbergen

Das Hebelchen kennen wir genau gleich vom BMW 7er, Gutes wird halt gerne kopiert. Das Schweben kenne ich aber von keinem anderen Fahrzeug. Ist den Schwaben also wirklich etwas völlig Neues geglückt? Mitnichten. Das schwerelose Gefühl wird vor allem durch die katastrophal indirekte und gefühlsabstinente Lenkung suggeriert. Dazu kommt die bootsähnliche Fahrwerksabstimmung. Und so können wir bereits in der ersten Kurve die Bezeichnung Sports über Bord schmeissen. Doch halt, unter der Haube hocken dreihunderundsechs Pferde, schliesslich ist der R500 auch der stärkste Van der Welt. Also doch noch ein bisschen Sportsgeist? Die 7G-Tronic, wie die 7-Gangautomatik bei Mercedes heisst, kickt down und wirft 460 Newtonmeter auf die Kurbelwelle. Leider kämpfen diese mit den mindestens 2200 Kilo Leergewicht. Also überlassen wir die Rolle des sportlichen Vans dem Opel Zafira OPC und gleiten einfach so dahin. Andererseits: In einem Mercedes lasse ich mich bestimmt nicht von einem Opel abhängen. Also ab auf die Autobahn.


Schaltzentrale: Leider ohne das "Mercedes-iDrive", dafür mit einem seltsamen Lenkrad

Hier kann der Riese endlich punkten. Bis auf 245 km/h beschleunigt er, das sind genau 13 km/h mehr, als der Zafira OPC erreicht. Auch meine Mitfahrer schätzen die langen Geraden, die unbequem durchwankten Kurven sind beinahe vergessen. Sie machen es sich auf den hinteren vier Sitzen bequem. Ganz recht, Mercedes verzichtet in der Mitte auf eine durchgehende Dreierbank und stattet die R-Klasse mit zwei enormen Sesseln aus. Auch in der dritten Reihe finden sich zwei Sitze, die sich mit einem Handgriff bündig in den Boden versenken lassen. Anders als in anderen Vans können hier auch etwas kleinere Erwachsene ganz hinten bequem sitzen. Der Kofferraum schrumpft dann allerdings auf ein Minimalmass.


Schwarz steht dem grossen Van am besten, von hellen Farben lässt man besser die Finger

Als echter Transporter taugt der R500 übrigens nicht, die Sitze lassen sich nämlich nicht ausbauen. Er ist ja auch nicht zum Zügeln, sondern zum Touren gemacht. Damit das Touren Spass macht sollte das grosse Command System mit DVD-Navigation an Bord sein. Dafür muss der R-Klasse-Kunde 4500 Franken bezahlen, will er auf den empfehlenswerten CD-Wechsler ebenfalls nicht verzichten. Schade, dass nicht das neue Bedienkonzept aus der S-Klasse Anwendung findet. Die Unzahl von Knöpfen scheint überholt und unpraktisch. Für weitere 4500 CHF gibt's übrigens für die Fondpassagiere DVD-Bildschirme in den Kopfstützen. So ausgerüstet muss Mama ständig sämtliche Nachbarschaftskinder von der Schule abholen, ob deswegen aber die ganz weiten Reisen mit dem Auto in Angriff genommen werden, darf bezweifelt werden.


Etwas froschmässig aber nicht unsympatisch: Das neue Gesicht von Mercedes

Unter dem Strich bleibt ein sehr geräumiges aber auch behäbiges Auto, das neben der premiummässigen Motorisierung wenig Neues bietet. Komfort wird gross geschrieben, will aber (meist zusätzlich) bezahlt sein. Werden alle sechs Sitze belegt, bleibt in der Kurzversion nur ein kleiner Gepäckraum übrig. Der Allradantrieb wird die R-Klasse bei Wintersportlern zur X5- und Touareg-Alternative machen. Auch im eigenen Haus wird der Neuling räubern, da er preislich genau zwischen E-Klasse Kombi und S-Klasse liegt. Ausserdem weiss der dynamisch gestaltete Van optisch durchaus zu gefallen. Das Wort Sports in der Modellbeschreibung ist aber schlicht gelogen, als grosser Tourer funktioniert die R-Klasse hingegen sehr gut.

Aber eben: Ab 102'000 CHF, dafür gibt's zwei Opel Zafira OPC…