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amadefries

14. November 2022

Der Traumwagen

Allgemein, VW | 0 Kommentare

Da steht er nun also, der Traum aller Familien, Ziel sämtlicher Midlife-Crisis-Männer, Objekt der Begierde der Mountain-Biker-Ladies und nicht zuletzt Wunschkandidat aller Kinder, die das Teamsportalter erreicht haben. Der VW Multivan in seiner siebten Generation. Nicht ohne Erstaunen stelle ich fest, dass der T7 der allererste VW Bus ist, den ich fahre. Er ist auch […]

Da steht er nun also, der Traum aller Familien, Ziel sämtlicher Midlife-Crisis-Männer, Objekt der Begierde der Mountain-Biker-Ladies und nicht zuletzt Wunschkandidat aller Kinder, die das Teamsportalter erreicht haben. Der VW Multivan in seiner siebten Generation. Nicht ohne Erstaunen stelle ich fest, dass der T7 der allererste VW Bus ist, den ich fahre.

Sporty Bus: Der Dachkantenspoiler und die seitlichen Winglets zeigen die aerodynamischen Bemühungen.

Er ist auch der erste seit dem T4, der eine radikal geänderte Optik zeigt. Was in der Fangemeinde zu Verwunderung bis Ablehnung geführt haben dürfte, gefällt mir eigentlich gar nicht schlecht. Die schlichten Flächen, die bündig abschliessenden Fenster, die modernen LED-Leuchten, das ist Designsprache wie man sie in den 20er-Jahren des 21. Jahrhunderts mag. Vorne gibt es ein praktisch grillloses VW-Familiengesicht mit dem modischen durchgehenden LED-Streifen. Erinnert an die Elektromodelle der Marke. Die seitlichen Chromstreifen wirken insbesondere in Kombination mit dem schwarzen Perleffektlack (Deep Black) edel und nehmen dem Bus die Höhe. Wobei die Höhe bei dieser Generation sowieso ein ganz besonderes Thema ist. Der T7 ist nämlich um 7 Zentimeter geschrumpft und kommt „nur“ noch auf 1,90 in der Höhe.

Design 2022: Schlichte Flächen sind en Vogue.

Ebenfalls besonders ist die Sitzkonfiguration des Testwagens. Er hat nämlich nur 6 Stück an Bord, also sechs Einzelsitze in drei Reihen. So komfortabel das für die Mitreisenden sein mag, frage ich mich schon, ob man damit nicht ein bisschen gar viel Platz verschenkt. Und wer würde tatsächlich eine solche Konfiguration ordern? Weder Grossgrund- noch Grosshundbesitzer kommen auf ihre Kosten, denn der Kofferraum wird durch das Gestühl und den kurzen Überhang (Gesamtlänge 4,97 Meter) hinten relativ stark dezimiert.

Nicht mehr wie früher: Der T7 ist PW-mässiger als jeder VW-Bus vor ihm.

Maximiert hat man dagegen die Bildschirme und Assistenten. Wo früher Nutzfahrzeugatmosphäre herrschte, steige ich heute in eine Kabine ein, die durchaus das Prädikat „luxuriös“ für sich beanspruchen kann. Dazu gehört auch, dass der Einstieg nicht nach ganz so weit oben geht wie früher. Das Lenkrad steht relativ steil, sehr PW-mässig. Die Sitze sind bequem, die Übersicht ist gut, auch wenn das vordere Ende nur zu erahnen ist. Doch dazu hat man ja umfangreiche Kamerasysteme. Und natürlich startet der Multivan 2022 auf Knopfdruck. Zunächst hört man aber gar nichts, der Verbrenner ist noch im Tiefschlaf. Mit einem kleinen Schaltstummel wähle ich D, um loszustromern. Der verbaute Akku soll in der Theorie 50 Kilometer Reichweite in der Stadt ermöglichen. In der Praxis dürften es wohl eher 30 sein, denn die Batteriekapazität liegt bei lediglich 10,4 kWh.

Besser zuhause: Mangels Schnelllademöglichkeit, dauert die Ladung des 10 kWh-Akku eine gefühlte Ewigkeit.

Mit viel Kapazität überzeugen dafür die diversen Fächer im Cockpit. Ich bin nicht sicher, ob ich schon alle gefunden habe. Besonders witzig ist der zusätzliche Doppelcupholder, der sich aus der Mittelkonsole ausklappen lässt. Darüber residiert das Handy auf einer etwas versteckten induktivten Ladeschale. Aber zurück zur Fahrt: Im reinen E-Modus bleibt es ruhig, Knarz- oder Poltergeräusche gibt es keine. Später gesellt sich dann ein altbekanntes Geräusch dazu. Der 1,4-Liter mit seinen 150 PS bewegt den 2,2-Tonner mit ausreichend Punch, wobei der Elektromotor immer mal wieder etwas beisteuert, sobald man ein wenig rekuperiert hat. Ist er ganz auf sich alleine gestellt, wenn er gefordert wird, klingt er zuweilen etwas angestrengt. Kein Wunder bei diesem Hubraum und 2,3 Tonnen Leergewicht. Die ganze Chose gelangt per DSG an die Vorderachse. Klingt irgendwie kompliziert, klappt in der Praxis aber völlig übergangslos und fast schon unbemerkt.

VW 2022: Die Frontgestaltung zeigt das aktuelle Familiengesicht inklusive durchgehendem Leuchtenband.

Wer sich ernsthaft für den T7 als PlugIn-Hyrid interessiert, dem sei gesagt: Eine Lademöglichkeit in der heimischen Garage ist absolute Pflicht. Weshalb? Weil er unglaublich langsam lädt und es eine Gleichstromlademöglichkeit nicht gegen Geld und gute Worte gibt. Was unglaublich langsam bedeutet? In 15 Minuten wurden dem Akku gerade mal 0,843 kWh zugeführt. Und als reiner Verbrenner ergibt das Konzept dann nicht mehr so viel Sinn. Der Verbrauch bewegt sich dann um die 8 Liter, zwar ein passabler Wert, aber halt nicht die Idee eines PlugIn-Hybriden.

Schlicht: Die Heckgestaltung verzichtet auf Showelemente.

Im Test nicht überzeugt haben die elektrischen Schiebetüren. Sie laufen zwar ruhig, schliessen aber immer mal wieder nicht komplett. Passiert das vor dem Losfahren, führt es zu eindringlichen Messages vom System, was ok ist. Doch wenn es beim Parken passiert und man es nicht bemerkt, schreit sich nach einer gewissen Zeit die Alarmanlage die Seele aus dem Leib. Eher nicht so prickelnd. Über die Bedienung via Touchscreen und vor allem die Slider für Temperatur und Volumen habe ich beim Cupra Born schon berichtet. Das ist auch hier störend. Ein Vorteil sind die physischen Knöpfe am Lenkrad. Generell darf man bei praktisch sämtlichen VW-Konzern-Produkten auf ein Update in diesem Bereich hoffen.

Elektronik: Der T7 hat ziemlich viel davon an Bord – durchaus eindrücklich.

Doch zurück zu den witzigeren Seiten des Multivan. Dazu gehört die Konsole mit den integrierten Tischchen, die sich von ganz vorne bis hinten auf Schienen schieben lässt. Ein Partytrick, mit dem man bestimmt so manche Mitfahrer:in beeindrucken kann. Der praktische Nutzen des Teils? Dass man wählen kann, ob man den Durchgang zwischen Fahrer- und Beifahrersitz offen lässt oder eben diese Konsole dort platziert, da sie auch über integrierte Ablagen verfügt. Ebenfalls gefallen hat die Lenkung mit ihrer für das Fahrzeugkonzept direkten und vor allem sehr präzisten Auslegung. Wer alleine im Multivan unterwegs ist, kann damit durchaus flotte Kurvenpartien wagen.

Flacher: Mit 1,9 Meter Höhe kommt man in viele Parkhäuser.

Nie sonderlich witzig bei einem VW Bus: Der Preis. Der Testwagen kommt auf harte 78’265 Franken. Hart, weil dabei schon ein Preisvorteil von 8690 Franken dabei ist, da es sich um ein sogenanntes Nettomodell handelt. Weiterer Verhandlungsspielraum dürfte also eher nicht drinliegen. Die Frage, ob dieser Preis gerechtfertigt ist, stellt sich nicht. Denn wenn man nur schon die Menge der T6 California sieht, die in der Schweiz unterwegs ist, so macht VW mit diesem Modell offenbar sehr viel richtig. So viel, dass die Fangemeinde auch die Kröte des hohen Anschaffungspreises zu schlucken bereit ist. Natürlich auch im Wissen, dass ein Multivan auch nach Jahren noch unglaublich hohe Wiederverkaufschancen zu enormen Preisen hat, praktisch unabhängig vom Kilometerstand. Und, schon zu Träumen begonnen?