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zuendung

10. Juli 2005

Der Turbo-Prop

Opel | 0 Kommentare

Tief und Sonor brummt es aus dem Heck, der straff gepolsterte Sportsitz passt, das linke Hand umfasst das belederte Dreispeichen-Lenkrad, die rechte liegt auf dem Schalthebel des Sechsganggetriebes, der Drehzahlmesser zeigt knapp 3000 Umdrehungen. Dem Empfinden nach könnte sich dieses Szenario durchaus in einem BMW abspielen. Dann knallt die Kupplung, etwas über 6000 Touren, bereit […]

Tief und Sonor brummt es aus dem Heck, der straff gepolsterte Sportsitz passt, das linke Hand umfasst das belederte Dreispeichen-Lenkrad, die rechte liegt auf dem Schalthebel des Sechsganggetriebes, der Drehzahlmesser zeigt knapp 3000 Umdrehungen. Dem Empfinden nach könnte sich dieses Szenario durchaus in einem BMW abspielen. Dann knallt die Kupplung, etwas über 6000 Touren, bereit für den zweiten Schaltvorgang, vom ersten in den zweiten Gang durchreißen – und es knirscht gar fürchterlich zwischen den Zahnrädern. Aus mit BMW. Ein Anfänger am Werk? Okay, zumindest kein Vollprofi. Aber eine 0 null auf 100 km/h-Messung habe ich bisher immer noch hinbekommen. Doch beim 200 PS starken Astra GTC 2.0 Turbo gestaltet sich diese Übung ob der trägen Synchronisation des Getriebes etwas zäh.

Ein Phänomen, das bei aktuellen Fahrzeugen der Rüsselsheimer schon häufiger beobachtet wurde. Schade. Denn zum einen ist die Sechsgang-Schaltung im normalen Fahrbetrieb trocken und präzise bedienbar. Zum anderen ist das Gesamt-Package, das die Opelaner mit dem derzeit sportlichsten Astra (just in diesem Moment des Schreibens toben ein paar Kollegen mit dem 250 PS starken Astra OPC über die Nordschleife) geschnürt hat, höchst attraktiv. Schon äußerlich macht die geduckte Karosserie mit spitz zulaufender Front und flachem Heck mehr her als ein biederer Golf GTI, wenngleich dem Opel der traditionelle Name fehlt – GTC heißen alle dreitürigen Astra-Modelle, auch die mit 90 PS. Dabei wäre es so einfach, liebe Opel-Marketing-Strategen. Nennt den 200 PS-Turbo einfach GT/C (man beachte die korrekte Schreibweise), der Rest wird einfach als Dreitürer klassifiziert. Zu diesem Namen passen dann die eingangs erwähnten Sportsitze ebenso gut wie der für einen Großserien-Vierzylinder überraschend aggressiv klingende Motor. Da dürften die Soundingenieure recht lange getüftelt haben – Kompliment, gute Arbeit. Das Turbo-Triebwerk klingt jedoch nicht nur famos. Knapp unter 2000 Touren setzt der Lader spürbar ein, um dann den Alu-Block bis deutlich über 6000 Umdrehungen am Leben zu halten. Wenn die Zahnräder des Getriebes mitspielen, sollen 7,8 Sekunden für den Standardsprint drin sein, als Höchstgeschwindigkeit werden 234 km/h angegeben. Alles Lüge, zumindest letzterer Wert. Auf der A7 im württembergischen Niemandsland ging die Tachonadel bei 260 km/h auf Block. Selbst bei großzügig einkalkulierter Toleranz waren das deutlich über 240 Sachen. Bei knapp 30 Grad Außentemperatur und eingeschalteter Klimaanlage wohlgemerkt. Der magmarote Testwagen stand also recht gut im Futter.

Und wie fühlt sich ein Opel bei solchen Tempi an? Dank dem elektronisch geregeltem Sportfahrwerk IDS plus, Breitreifen im Format 225/40-18, der bissigen Bremse mit dem verbindlichen Pedalgefühl und der präzisen Lenkung definitiv nicht so, wie man es bislang von einem Opel gewohnt war – wähnte man sich bisher beim beherzten Umgang mit einem Auto der GM-Tochter in einer Schüssel Teig rührend und stampfend, vom Speedster einmal abgesehen. Doch im Astra GTC kann der Pilot, speziell bei aktiviertem Sport-Modus (fast wie im M3 E46: direktere Lenkung, spontanere Gasannahme, strafferes Fahrwerk, ESP deaktiviert), in diesen Geschwindigkeiten gelassen bleiben. Ein Hoch auf die Elektronik also? Noch bevor ich anfangen konnte, meine Meinung über diesen neumodischen Schnickschnack zu ändern und einer gekonnten Standard-Fahrwerksabstimmung abzuschwören, leuchtet die IDS plus-Kontrollleuchte auf. Sie möchte mir sagen, dass einige Bits und Bytes des Systems gerade unpässlich sind und somit das Fahrwerk vorsorglich im Sport-Modus bleibt. So hoppele ich also sportlich-dynamisch durch den Stadtverkehr. Also doch alles Müll mit der Elektronik. Schade, denn ich mag den Astra. Er sieht gut aus, rennt wie die gesengte Sau (zugegeben, er verbraucht auch soviel wie ein schlachtreifes Hausschwein) und kostet auch noch verhältnismäßig wenig.

Für 23.605 Euro steht der 200 PS-Astra GTC in der Ausstattungslinie Sport in der Preisliste. Mitlenkende Bi-Xenon-Scheinwerfer, 17-Zoll-Räder, CD-Radio und Klimaanlage inklusive. Dazu gibt's ein gutes Platzangebot, eine recht wertige Materialanmutung, einen wirklich kraftvollen und trotzdem alltagstauglichen Motor sowie das prinzipiell gut gemachte IDS-Fahrwerk. Ich weiß immer noch nicht, ob ich letzteres gut finden soll. Mein Vorschlag an Opel: Tauft das Auto tatsächlich in GT/C um und setzt es dann standardmäßig in den Sport-Modus. Möglichst befreit von überflüssiger Elektronik. Und putzt noch mal die Zähne der Getriebezahnräder. Dann kaufe ich einen. Nein, ganz ehrlich!