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2. August 2025

Detailarbeit

Kia | 0 Kommentare

7 Jahre Garantie, sportliches Design, top Ladetechnik, dynamisches Fahrwerk. Was man über den Kia EV6 sagen konnte, ist auch für die frisch facegeliftete Version passend. Doch wo liegen die Unterschiede zu jenem Modell, das wir vor drei Jahren testen durften? Es handelt sich beim Testwagen um einen Allradler mit dem grossen Akku. Der fasst nun […]

7 Jahre Garantie, sportliches Design, top Ladetechnik, dynamisches Fahrwerk. Was man über den Kia EV6 sagen konnte, ist auch für die frisch facegeliftete Version passend. Doch wo liegen die Unterschiede zu jenem Modell, das wir vor drei Jahren testen durften? Es handelt sich beim Testwagen um einen Allradler mit dem grossen Akku. Der fasst nun 84 kWh und somit 7 mehr als vor dem Facelift. Ich fahre den GT-Line, der diesseits des ebenfalls aufgefrischten GT mit wahnsinnigen 650 PS die Spitzenversion darstellt. Mit 325 PS dürfte er aber auch nicht gerade schwachbrüstig sein.

Genau hinschauen: An der karosseriefarbenen Spange im Bereich der Leuchten erkennt man das Facelift

Ich starte den Trip mit Druck auf die runde Power-Taste und wähle nach dem „Ping“ die Fahrstufe D am runden Getriebewählhebel. Warum Kia an diesem Startprozedere festhält, bleibt das Geheimnis der Koreaner. Wie es schneller (nämlich ohne Powerknopf) geht, zeigen unter anderem Tesla und Polestar. Der Innenraum zeigt sich ansonsten weiterhin funktional. Dass man hier noch auf physische Einstellmöglichkeiten zurückgreift und nicht ständig auf dem Touchscreen herumswipen muss, ist eine wohltuende Abwechslung. Ob jedoch die Doppelbelegung jener Tasten mit Klima- und Audio-/Multimediasteuerung die beste aller Bedienvarianten ist, würde ich eher in Abrede stellen.

Tag oder Nacht: Das Design des EV6 sticht zu jeder Tageszeit aus der Menge hervor

Noch immer frisch ist dagegen das Design aussen. Das liegt wohl daran, dass der EV6 vor 4 Jahren schon aussah, als sei ein UFO gelandet. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Daher halten sich auch die chirurgischen Massnahmen im Rahmen des Facelifts in Grenzen. Am einfachsten erkennt man die aufgefrischte Generation am karosseriefarbenen Blechteil, das an der Front tief in die Scheinwerfer „hineingreift“. Ähnlich wie beim Konzernbruder Ioniq 5 wird der Concept Car-Look nicht so schnell alt, wie man es hätte erwarten können. Frisch, kompakt, dynamisch und vor allem eigenständig steht der EV6 auch mit Jahrgang 2025 da.

Wie Sie sehen, sehen Sie nicht viel: Der Frunk ist nicht gerade riesig, wie man auch an der Armanduhr erkennt

Wie immer macht Fahren mehr Spass denn Stehen. Für den kompakten Koreaner gilt das umso mehr, als dass er schon immer als fahrspassiger Geselle positioniert war. Dies ändert sich auch in der neuesten Auflage nicht. So stelle ich bei jedem Start sofort den Drive Mode auf Sport (Taste in der mittleren Lenkradspeiche) und die Rekuperation auf iPedal (via Paddel am Lenkrad), was das Ein-Pedal-Fahren ermöglicht. Dass die Einstellung nicht dauerhaft beibehalten werden kann, gehört für mich ins kleine Körbchen der Negativpunkte. Zurück zum Positiven? Gerne. Weiterhin wird verbindlich gefedert, gefühlvoll gelenkt und mitunter auch durchaus zackig beschleunigt. Wer seinen Mitfahrenden einen flauen Magen verpassen möchte, schafft das aber eher mit Quer- denn mit Längsbeschleunigung. 5 Sekunden auf Hundert sind aber immer noch aller Ehren wert.

Dynamiker: Der EV6 bleibt ein Auto für Menschen, die gerne fahren

Es bleibt die Elektro-Binsenweisheit par excellence, fehlen darf sie aber trotzdem nicht: Wer auf der Autobahn häufig und lange schnell unterwegs ist, muss mit höheren Verbräuchen und tieferen Reichweiten rechnen. Im Test pendelte sich der Verbrauch bei 20,2 kWh (sommerliche Temperaturen) ein. Somit resultiert eine errechnte Reichweite von über 415 km, die sich aber mit etwas defensiverem Benehmen im Verkehr sicher gegen 450 Kilometer steigern lassen dürfte.

Kaum mehr steigern lässt sich die Ausstattung des Testwagens. Der Umfang der Assistenzsysteme entspricht dem heute Erwartbaren. Mit von der Partie sind zum Beispiel: 360° Kamera, Abstandstempomat, Spurassistent mit Spurwechselautomatik, Querverkehrkennung. Umso irritierender, als eines Abends kurz vor Luzern sämtliche Assistenten ohne erkennbaren Grund den Dienst quittieren. Auch die Rekuperation setzt aus, was für einen One-Pedal-Fan wie mich doch ziemlich störend ist. Für einmal schätze ich die langen Rot-Phasen. Denn ein Neustart des Fahrzeugs hilft ähnlich wie bei einer alten Windows-Maschine; die Helferlein nehmen ihre meist unterschätzte Arbeit wieder auf.

Gut, aber nicht perfekt: Die Bedienung ist durchaus eingängig, die doppelt belegte Tastenreihe könnte man aber überdenken

Wer sich von seiner eigenen anstrengenden Arbeit erholen möchte, für den hat Kia noch die Relaxposition des Gestühls parat. Schade, dass es keine Massagefunktion gibt. Das wäre dann das Wellness-i-Tüpfelchen. Die Sitze sind auch so bequem, könnten aber etwas mehr Seitenhalt bieten. Immer noch sehr praktisch sind hingegen die integrierten USB-C-Steckdosen an den Sitzlehnen, damit den jüngeren Screennutzer:innen ihre Bildschirmzeit nicht von zur Neige gehenden Akkus, sondern von den entsprechenden Apps limitiert wird. Auch die Kleiderbügel-artige Ausformung an der Rückseite der Sitze findet lobende Erwähnung.

In the City: Die Masse des EV6 lassen sich dank Kameras gut platzieren

Als dann noch ein sehr nasser Openair-Abend ansteht, darf der EV6 mit einer weiteren praktischen Qualität punkten. Sein Allradantrieb befördert uns komplett sorgenlos und ohne den Einsatz eines Abschlseppseils aus dem Schlammgewühl des für 2025 wieder auferstandenen Openair Eschenbach. Traktionsprobleme haben Andere.

Einzigartig: Wann haben wir jemals eine solche Form gesehen?

Ladeprobleme wohl auch. Denn der EV6 lässt sich mit maximal 258 kW am Gleichstromlader befüllen. Im Test waren 50 kW das Maximum, weil die schnelleren Stationen von Ionity immer belegt waren.

Klein: Die Heckscheibe bietet nicht sonderlich viel Aussicht

Damit keine finanziellen Probleme drohen, versüsst Kia aktuell mit einer 4000-Franken schweren Prämie jeden Kauf eines EV6. Somit kommt der Testwagen dann noch auf 67’280 Franken. Ein rechter Brocken, für das Gebotene aber ein fairer Preis. Übrigens: Der einzige Weg, ihn noch etwas teurer zu machen, ist die Yacht Blue Matt-Lackierung. Ansonsten steht er in Vollaustattung da. Noch so etwas, dass man auch über den Testwagen von 2022 hat sagen können.