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zuendung

15. September 2008

Donner ohne Donk

BMW | 0 Kommentare

Dass in den späten Achtzigern jeden Sonntag Horden von BMW M3 bei den DTM-Rennen über die Mattscheibe im Kinderzimmer gerast sind – geschenkt. Dass der Prospekt des M3 E30-Sondermodells Johnny Cecotto noch heute wie ein Schatz gehütet wird – Nebensache. Stattdessen hat sich dieses metallisch-bedrohliche „Donk“ beim Schalten unter Volllast ins Unterbewusstsein geätzt. Das heisere […]

Dass in den späten Achtzigern jeden Sonntag Horden von BMW M3 bei den DTM-Rennen über die Mattscheibe im Kinderzimmer gerast sind – geschenkt. Dass der Prospekt des M3 E30-Sondermodells Johnny Cecotto noch heute wie ein Schatz gehütet wird – Nebensache. Stattdessen hat sich dieses metallisch-bedrohliche „Donk“ beim Schalten unter Volllast ins Unterbewusstsein geätzt. Das heisere Kreischen des Reihensechsers aus den vier Endrohren kitzelt in der Retrospektive noch heute das Trommelfell. Die Buchstaben-Zahlen-Kombination „M“ und „3“ wirkt noch heute wie ein Code zu den Erinnerungen an einen heißen Ritt mit dem M3 CSL vor gut vier Jahren. Nach jedem Schaltvorgang bei im Bodenblech steckendem Gaspedal der ängstliche Blick in den Rückspiegel, ob nicht die Hinterachse auf der Straße liegt. „Donk“. Die Erfurcht vor Pfützen angesichts der nahezu profillosen Michelin Sport Cup-Bereifung. Und eben das Gefühl, den Helden der alten DTM ganz nahe zu sein.


Grimmig: Der aktuelle BMW M3 will mehr als nur spielen.

Dementsprechend groß war die Freude, als der Druck auf den harmlosen BMW-Plastikschlüssel ein alpinweißes M3 Coupé mit dem neuen Doppelkupplungsgetriebe aufblinken lässt. Vier Endrohre – check. Michelin Pilot Sport Cup 2 – check. Motorhaube, hügelig wie das bayerische Alpenvorland – check. Sabberfaden im rechten Mundwinkel – check. Den Startknopf gedrückt, der Achtzylinder singt los. Ja, der V8 wummert nicht, er singt. Irgendwie. Das Bayerische Motoren Werk ist eben kein US-Small-Block. Es will hohe Drehzahlen. Bei Bedarf 8400 pro Minute. Acht Einzeldrosselklappen. Variable Nockenwellenverstellung Doppel-Vanos. 420 PS aus knapp vier Liter Hubraum bei 8300 Umdrehungen pro Minute. 400 Newtonmeter Drehmoment bei 3900 Umdrehungen pro Minute. Do legt’s di nieda. Wo geht’s noch gleich zur Nordschleife? Zu weit, dann eben doch die A95 in Richtung Alpen, Kurven entjungfern gehen. Doch während ich auf der Autobahn in den dreitausendvierhundertsiebenundneunzig Einstellungen für Getriebe, Fahrwerk und Motor herumspiele, mich letztlich aber doch für harten M-Modus entscheide, macht sich etwas Enttäuschung breit. Der M3 klingt zwar kernig, aber etwas zu zahm für einen straßentauglichen Rennwagen.


Kernig: Aus den vier Endrohren kling es zwar noch, aber es tönt nicht mehr.

Auch beim Schalten muss man sich keine Sorgen mehr um das Wohlergehen der Hinterachse machen. Kein „Donk“. Irgendwie schade. Keine Frage, der M3 rockt noch immer, nur eben auf Zimmerlautstärke. Also runter von der Autobahn. Schon beim flotten Einkehrschwung in den Landstraßen-Funpark fällt auf, wie das Coupé die Abfahrt locker aus der Hüfte pariert. Ein bisserl Untersteuern hatte ich ob des vermeintlich schweren V8 auf der Vorderachse schon erwartet, aber nichts dergleichen. BMW verspricht, dass das Aggregat mit 202 Kilogramm sogar 15 Kilogramm leichter ausfällt als das des Vorgängers. Das Doppelkupplungsgetriebe mit seinen sieben Gängen packt dann aber gegenüber dem Handschalter wieder 20 Kilogramm drauf. Insgesamt soll das Coupé als leichteste der drei angebotenen Karosserievarianten glatte 1,6 Tonnen nach DIN-Norm auf die Wage bringen. In 4,6 Sekunden soll der M3 in dieser Spezifikation auf 100 Km/h sprinten. Da gerade weder Waage noch Stoppuhr zur Hand waren, muss mein Popometer als Beweis reichen. Mein Hintern jedenfalls glaubt der Werksangabe. Der M3 saugt Kurven mit grimmigem Blick an, die minimal profilierten 245/35er Reifen an der Vorderachse verpassen dem Asphalt eine Bügelfalte in der vom Fahrer vorgegebenen Richtung und die 265 Millimeter breiten Hinterräder spucken die Straße verächtlich unterhalb der der dumpf donnernden Auspuffanlage wieder aus.


Mächtig: Der Achtzylinder wirkt fetter als er eigentlich ist.

Der V8 fräst sich dabei durch das Drehzahlband, angepeitscht vom ständig sprungbereiten Getriebe, das vom Motor beim Herunterschalten stets eine Portion Zwischengas fordert. Überhaupt macht das Getriebe der M3 zu einem Sportwagen, der an Perfektion kaum zu überbieten ist. Zumindest nicht in der 70.000 Euro-Klasse. Im Gegensatz zum SMG kann DKG nämlich auch langsam. Ohne Ruckeln. Und es kann halbwegs flott den Rückwärtsgang einlegen. Doch der M3 will vorwärts. Oder seitwärts. Denn Drifts gelingen dank ausgefuchstem Sperrdifferenzial an der Hinterachse so einfach wie Tütensuppe. Selbst das mehrfach einstellbare Stabilitätsprogramm lässt kleinere Driftwinkel zu, bevor es rettend eingreift. Doch bevor das nötig ist, muss man es schon ziemlich wild treiben, selbst im oberbayerischen Nirwana. Viel wichtiger für die Natur-Achterbahn sind dagegen standfeste, gut zu dosierende Bremsen. Profis mögen die Standfestigkeit der Einkolben-Faustsattelbremse im harten Einsatz anzweifeln, doch im Testbetrieb erwies sich die Anlage als verlässlicher Partner – wie Bayern ebenso sind. Der Bayer am Steuer muss sich auch nicht lange einarbeiten, um eine optimale Sitzposition zu finden.


Stimmig: Schön ausgeführte Details im Interieur des M3.

Den Weißwurst-dicken Lenkradkranz kann man mögen, muss man aber nicht. Die Sportsitze sind mit einem weiten Verstellbereich und ordentlichem Seitenhalt gesegnet – aber eben nicht so sehr, wie die Schalensitze des CSL. Der aktuelle M3 präsentiert sich in seiner optischen Dominanz als verschliffener Sportwagen, mit dem der Nachwuchs auch ohne leichte Gehirnerschütterung zum Kindergarten gebracht werden kann. Die Ehre des Herstellers gebietet es, dass niemand ob des V8 dem alten Motor hinterher weinen muss. Und das DKG macht das – wie hieß das noch gleich – ach ja, SMG, schnell vergessen. Doch obwohl das Coupé so flink durch die Tore wedelt, wie Markus Wasmeier zu seinen besten Zeiten, der M3 ist einfach zu perfekt geworden. Möglicherweise reicht schon eine andere Auspuffanlage, um ein bisschen CSL-Zauber zurück zu bringen. Aber es wird nie wieder „Donk“ machen.


Prächtig: Ein ganzer Kerl dank M-Power.