Seite wählen

zuendung

7. März 2006

Drei sind zwei zuviel

BMW | 0 Kommentare

Zuweilen werden auch die härtesten Motorjournalisten sentimental. In meinem speziellen Falle war's bei der ersten Ausfahrt mit dem neuesten Spross aus BMWs Dreier-Reihe. Nicht, dass mich das farbenfrohe sparkling graphite metallic des Testwagens an den düsteren Tag der ersten enttäuschten Liebe erinnert oder dass das i-Drive die erste durchgedaddelte Nacht vorm C64 mir wieder vor […]

Zuweilen werden auch die härtesten Motorjournalisten sentimental. In meinem speziellen Falle war's bei der ersten Ausfahrt mit dem neuesten Spross aus BMWs Dreier-Reihe. Nicht, dass mich das farbenfrohe sparkling graphite metallic des Testwagens an den düsteren Tag der ersten enttäuschten Liebe erinnert oder dass das i-Drive die erste durchgedaddelte Nacht vorm C64 mir wieder vor Augen geführt hätte. Noch viel bedeutender: Ein 320/4 der Serie E21 war mein erstes Auto. Das meiner Eltern, um genau zu sein.


Augenringe: Die Frontpartie wirkt massiv, das Überholprestige ist dennoch mäßig.

Daran erinnern kann ich mich freilich nicht, denn der Pass sagt, dass es 1977 gewesen sein muss. Und ein Foto sagt, dass der 320er gelb war. Knapp 29 Jahre später sind nahezu ausnahmslos alle Autos in gedeckten Farben lackiert, bunt sind nur noch die Monitore der Navigationssysteme, irgendwo dazwischen haben die kompakten BMWs mehrmals die DTM gewonnen und sind nach 24 Stunden als Erste über die Ziellinie der Nordschleife gefahren. Zudem, die wichtigste Erkenntnis aus dem Fahrerlebnis im 325i einmal vorweg genommen, stellen heutzutage 218 PS die Mindestmotorisierung für den Mittelklasse-Bayern dar.


Nadelstreifen: Die TDI-Generation muss sich an die Arbeitsweise des Reihensechsers gewöhnen.

Die Gründe dafür sind hinreichend bekannt: Mehr Komfort, mehr Sicherheit und mehr Blech summieren sich in einem erklecklichen Fahrzeuggewicht. Auf BMWs Dreier bezogen ist das jedoch nur die halbe Wahrheit. Ganz unter uns: Wer unbedingt einen BMW haben will und kein Schotter auf der hohen Kante hat, soll sich wegen mir einen 116i leasen. Aber eigentlich führt kein Weg am Sechszylinder, pardon, Reihensechszylinder vorbei. Das Triebwerk schraubt sich unglaublich cremig die Drehzahlspirale nach oben, als wolle es schnellstmöglich hinauf zu Engel Aloisius, um ihm die neuesten Errungenschaften bayerischer Ingenieurskunst darzubieten und dafür die göttlichen Eingebungen für die Regierung der Freistaates wieder mit hinab auf Erden zu nehmen. Damit es derer nicht zuviel sein werden, ist der touring wohl mit dem knappsten Platzangebot gesegnet, dass ein Kombi der 40.000 Euro Klasse haben kann.


Handschuh: Zuviel Platz gibt es sicher nicht, dafür liegen alle Bedienelemente in Reichweite.

Immerhin ist er leidlich variabel, doch hier zählt in erster Linie die Variabilität der elektronischen Nockenwellenverstellung. Die sorgt nämlich dafür, dass der Zweineinhalbliter ab 4000 Touren spürbar aufmacht. Selbst die hartnäckigsten TDIs, die bis hierhin allzu mühelos mithalten konnten, verschwinden nun im Rückspiegel. Während die Selbstzünder schon die sechste Fahrstufe eingelegt haben, um die Drehmoment-Welle vorm Brechen zu bewahren, knackt der Dreier-Treiber gerade erst den vierten Gang rein. Jene, die nur noch in Newtonmetern denken, werden mit dieser Leistungscharakteristik kaum glücklich werden. Zugegeben, es dauerte bei mir ein wenig, machte dann aber umso mehr Spaß. Hat es bestimmt anno 77 auch schon gemacht. Doch ein Dreier von heute hat noch mehr zu bieten. Erreichte ein E21 vor allem durch klassische Ingenieurskunst der Motor- und Fahrwerktechniker sein hohes fahrdynamisches Potenzial, so schlägt heute die Stunde der Elektronik-Spezialisten. Sie haben dem Dreier die Aktivlenkung mitgegeben, vorausgesetzt, man hat vorher den entsprechenden Aufpreis von 1.300 Euro entrichtet.


Schneewalzer: Bei ausgeschaltetem DTC bittet der Dreier zum gepflegten Tanz.

Die Agilität, die das gewiss nicht leichte und mit weichen 225/45er Winterreifen bestückte Testexemplar an den Tag legt, ist schlicht geil. Kurzzeitig beschlich mich der Gedanke, dass ein Mitsubishi Evo mit konventioneller Lenkungstechnik noch exakter in Kurven sticht. Doch, keine Angst, ich bin noch Herr meiner Sinne, ein Vergleich mit dem japanischen Flügeltier funktioniert nicht und wird somit nicht bemüht. Der 325i erweist sich als kleiner, teurer (Fast)Alleskönner: Fix einparken, fix durch die Prärie wetzen, fix unpeinlich vorm Ritz Carlton vorfahren, alles kein Problem. Nur einladen kann er nix, doch das konnte ein Dreier noch nie. Ach, relativ wenig verbrauchen kann er auch noch. Trotz beherzter Fahrweise und häufiger Ausnutzung des 210 km/h-Limits der Winterreifen, wollte der Spritkonsum nicht über die 10,5 Liter-Marke klettern.


Klappe: Viel geht hinten nicht rein, zumindest bietet der touring etwas Kombi-Variabilität.

Unwahrscheinlich, dass der 320/4 anno dunnemals mit wesentlich weniger ausgekommen ist. Dafür mussten BMW-Piloten in den Siebziger auf die hier nochmals gepriesenen, weil optimal einstellbaren Sportsitzen verzichten. Ebenso gehörte damals das präzise Navi ins Reich der Fabeln und auch die überraschend unkomplizierte Bluetooth-Freisprecheinrichtung war noch kein wesentlicher Bestandteil feuchter Telekommunikations-Experten-Träume. Die Farbauswahl der Materialien hingegen hätte auch in den quietschbunten Siebzigern gut gepasst. Heute wirkt der Mix aus Alu, hell gebeiztem und wild gemasertem Holz und beigem Leder, gepaart mit der dunkeln Lackierung wenig stilsicher – kein Grund also, um sentimental zu werden.