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zuendung

30. November 2012

Ein ehrliches Auto. Ehrlich?

Chevrolet | 0 Kommentare

Kann man ein Auto mit einem schweizerisch/amerikanischen Markennamen, das aber aus Korea kommt, als ehrlich bezeichnen? Man kann! Die zum General Motors – Konzern gehörende Marke Chevrolet geht auf Louis Chevrolet zurück, einen Schweizer aus dem Neuenburger Jura, dessen Familie 1886 nach Frankreich auswanderte und der dann seinerseits um 1900 via Kanada in die USA […]

Kann man ein Auto mit einem schweizerisch/amerikanischen Markennamen, das aber aus Korea kommt, als ehrlich bezeichnen? Man kann!

Die zum General Motors – Konzern gehörende Marke Chevrolet geht auf Louis Chevrolet zurück, einen Schweizer aus dem Neuenburger Jura, dessen Familie 1886 nach Frankreich auswanderte und der dann seinerseits um 1900 via Kanada in die USA kam, wo er in Detroit die Chevrolet Motor Company gründete. Nach Differenzen mit seinem Partner verkaufte er seine Anteile und ab 1915 war Chevrolet einer der weltbesten Autorennfahrer seiner Zeit. Autofahren konnte er besser als geschäften. 1941 starb Louis Chevrolet in Detroit.
Die 100-jährige Marke Chevrolet hat also eine lange Tradition und die Autos sind uramerika-nisch – trotz der Schweizer Wurzeln der Marke. Innerhalb des GM-Konzerns waren die Chevrolets immer die einfacheren, volkstümlichen Modelle, Autos fürs Volk.

Innerhalb des südkoreanischen Mischkonzerns Daewoo wurden auch Autos gebaut. Nach einer finanziellen Krise wurde die Autosparte 1998 verkauft. Seit 2005 ist General Motors Mehrheitsaktionär von Daewoo Auto, das heute General Motors Korea heisst.
Um das Image der billigen Daewoo – Simpelautos elegant loszuwerden, werden die Daewoos ausser in Südkorea selber und in Australien (Holden) weltweit als Chevrolet verkauft. Sicher nicht die schlechteste Idee, haftet doch der Marke Chevrolet immer noch das Solide und Ehrliche an.

Den Nachfolger des Daewoo/Chevrolet Nubira, Cruze genannt, gibt es seit 2009. Der Cruze fand seither schon 1,3 Millionen Käufer. Uns bot sich kürzlich die Gelegenheit, eines der allerneusten Modelle dieses Typs zu fahren, nämlich den Cruze Station Wagon, der erst seit wenigen Wochen zu kaufen ist. Zudem verfügte unser Testwagen auch über eine neue Motorisierung, nämlich einen 1362 ccm kleinen Turbobenziner, der 140 PS leistet, mit einem Drehmoment von 200 Nm bei 1‘850 bis 4‘900 U/min.

Cruze-Limousinen sind ab 18‘990 Franken zu kaufen (1600 LS, 124 PS), die Station Wagen kosten 1‘000 Franken mehr, also ab 19‘990 Franken. Auch Automatikversionen sind erhältlich, als 1800er Benziner (141 PS, 29‘190) und 2-Liter-Diesel (163 PS, 31‘890).

Unser Testwagen, der 1400 LTZ mit manuellem 6-Ganggetriebe, kostet ab 29‘090 Franken. Von Haus aus ist er bereits sehr gut ausgerüstet. Auch mit Metallicfarbe, beim Testwagen einem sehr aparten Dunkelbraun für 620 Franken, dem Navigationssystem mit Rückfahrkamera für 1‘200 Franken und den beheizbaren Ledersitzen für 2‘500 Franken, kostet der Testwagen immer noch erst 33‘410 Franken.

Was erhält man dafür?
Ein 4.68 m langes, 1.80 m breites und 1.52 m hohes Auto mit sehr gefälligem und euro¬päisch wirkendem Design. Sein Laderaum von 500 Litern normal und 1‘478 Liter mit abgelegten Rücksitzen (1/3, 2/3) verfügt über ein paar clevere Staufächer unter dem Boden und in den Seiten. Abdeckung und Gepäcknetz gehören schon dazu, ebenso die Zurrringe im Boden. 1515 Kg wiegt der Kombi leer (inkl. Fahrer), 425 Kg darf man noch zuladen. Das sind sehr gute Werte, die das Auto vielseitig einsetzbar machen.

Die Serienausstattung des 1400ers mit 140 PS und 200 Nm umfasst ein manuelles 6-Gang-Getriebe, Stopp-Start – System, Klimaautomatik, MP3-fähiges Radio, MyLink-Infotainment-System (überträgt z.B. Smartphone-Inhalte auf den 7“-Bildschirm, Bluetooth / USB für iPad, iPod, MP3-Player, usf.), elektrische Fenster vorn und hinten, Tempomat und vieles mehr. ESP, 6 Airbags und 4-Kanal-ABS mit elektronischer Bremskraftverteilung gehören zur Sicherheitsausstattung des kompakten Chevrolet Cruze Station Wagon.
Kurz, es ist mehr dabei, als man zum bequemen und sicheren Autofahren benötigt, man vermisst effektiv nichts. Was heute Standard ist, ist serienmässig oder gegen relativ geringen Aufpreis erhältlich.

Was es nicht gibt sind die vielen elektronischen Assistenz-Systeme, die bei immer mehr Autos angeboten werden, z.B. Abstandsradar, Totwinkel, Lane Assist, Keyless-System, auch Xenon-Licht nicht. Das Licht schaltet im Tunnel oder bei Dunkelheit aber selbständig ein, das ist nützlich und sinnvoll. Übers Ganze gesehen sind die gut 29‘000 resp. 33‘000 Franken günstig in Bezug auf was man dafür erhält.


Alle fünf Minuten kann man sehen, wie effizient man auf den letzten Kilometern gefahren ist.

Praxistest
Der Zugang zu den Sitzen ist sehr gut. Die Ledersitze sehen sportlich und edel aus. Der Fahrersitz wird von Hand verstellt, man fühlt sich gut aufgehoben. Was man nicht unbedingt erwartet: dass ein kompaktes und relativ günstiges Auto doch so viele Schalter und Knöpfe braucht, dass eben die Ausstattung sehr reichhaltig ist.
Der 1400er läuft willig und diskret an, die Sicht rundum ist gut und nach hinten hilft zudem die Rückfahrkamera. Die Beschleunigung erfolgt souverän, der Motor scheint grösser zu sein als die effektiven 1362 ccm. Von Null auf Hundert soll der Cruze gemäss Prospekt in 9,5 Sekunden sprinten. Die Sitze geben guten Seitenhalt, die Schaltwege sind nicht sehr kurz, aber auch nicht zu lang, recht präzise, einfach wie es in so einem Auto sein muss.
Dank der übersichtlichen Masse geht Parkieren in der Tiefgarage einfach. Das anschlies-sende Beladen mit den Einkäufen ist angenehm dank gutem Zugang zu den Hintersitzen, resp. einfach ablegbaren Rücksitzen und tiefer Ladekante. Der Bodenbelag im Kofferraum ist allerdings etwas rutschig, ergo Ladegut sichern.

Das im 1.4 LTZ serienmässige Stopp-Start-System funktioniert zuverlässig. Auch wenn man der Vorderste an der Ampel ist, ist man nie Hindernis, der Motor läuft blitzschnell an, sobald die Kupplung wieder gedrückt wird.

Auf der Teststrecke über Autobahn und Jurahöhen mit teilweise engen Kurven macht der 1400er dann sogar Fahrspass. Das Fahrgestell scheint darauf ausgelegt zu sein. Allerdings muss man den Cruze fleissig schalten. Auch wenn scheinbar das beste Drehmoment von 200 Nm schon ab 1‘850 Touren anliegen soll, geschieht beim vollen Beschleunigen in hohem Gang und tiefen Geschwindigkeiten rein gar nichts. Die 140 Pferde galoppieren eben erst bei 6‘000 Touren so richtig. Aber das hat man halt vom Downsizing und – seien wir fair – für ein auch gewerblich einsetzbares Familienauto gibt’s eigentlich deswegen nichts zu reklamieren.
Doch, einen Schwachpunkt haben wir gefunden: Bsetzisteinstrecken mag das Auto (Fahrwerk) gar nicht und tut das durch ausserordentlich nervendes Scheppern kund.

Man kann aber schon daran erinnern, dass Chevrolet auch 2012 die Tourenwagen-Weltmeisterschaft wieder gewonnen hat, mit gleich drei Cruze auf den ersten drei Plätzen. Der Schweizer Alain Menu belegt in der WM den zweiten Platz (viel hat nicht gefehlt zum Weltmeister). Auch wenn der Renn-Cruze mit dem Familienkombi ausser der Form nicht viel gemein hat, hat halt der Cruze Station doch sportliche Wurzeln, also misst man auch die biedere Strassenversion etwas danach.

In Tunnels schaltet (Stellung AUTO) das Licht automatisch ein. Am Licht-Drehschalter kann man allerdings kaum erkennen, was eingestellt ist. Eine etwas deutlichere Markierung würde nicht schaden.

Das Navi ist mit 1200 Franken ja – im Vergleich zu Mitbewerbern – nicht teuer. Wenn man allerdings nicht genau dort durchfahren will, wo einen das Navi durchlotsen will, kann es sich sehr stur zeigen und noch (zu) viele Kilometer lang zum Wenden auffordern. Die Bedienung gibt keine Rätsel auf. Interessantes Detail: Zieleingabe während der Fahrt ist ja bekanntlich verboten (und gefährlich) und führt zu Anzeige bis sogar Ausweisentzug. Und doch tut’s jeder (ähem). Nicht so im Cruze Station: Will man wie gewohnt nach der Abfahrt noch schnell das Ziel ins Navi eingeben, erscheint auf dem Display, diese Funktion sei während der Fahrt nicht möglich.

Die so sportlich und elegant aussehenden Sitze, die tatsächlich guten Seitenhalt geben, erweisen sich auf längeren Fahrten als doch nicht so bequem. Schuld daran sind die Nähte, Wülste und Vertiefungen an den Seiten, die unangenehm an den Oberschenkel zu drücken beginnen. Ja, Schönheit muss halt leiden.

5.7 Liter Gesamtverbrauch nennt Chevrolet, im Stadtverkehr sollen es 7.4 Liter sein. Das ist auch der Wert, den wir in etwa als Testverbrauch feststellen konnten. In diesem Zusammenhang muss allerdings auch erwähnt werden, dass der Tacho des Testwagens massiv vorgeht (über 10%), was bedeutet, dass der gemessene Benzinverbrauch eigentlich um über 10% höher liegt als gemessen. Die so resultierenden >8 Lt. sind dann aber eindeutig zu viel.
Der Bordcomputer zeigt im 5-Minutenabstand die Liter an, die man gerade verbraucht hat auf den letzten Kilometern. Auf langen Gefällstrecken können das 2 bis 3 Liter sein, bei gleichmässiger Autobahnfahrt 5 bis 6 Liter, im Go-and-Stop-Verkehr auch mal 10 oder 11 Liter, gesamthaft je nach Einsatz dann eben so 7 bis offenbar über 8 Liter. Naja. –
134 g CO2 pro Km (basierend auf den zu tiefen 5.7 Lt.) und Energieeffizienzklasse B sind weitere Eckdaten.

Fazit
Der Cruze Station Wagon sieht gut aus, ist mit 140 PS und 200 Nm ausreichend motorisiert und liegt mit dem kleinen 1362 ccm-Motor absolut im heutigen Trend. Trotz nützlichem Stopp-Start-System ist er allerdings nicht besonders sparsam.
Die serienmässige Ausstattung des Test-Kombis ist sowohl was Sicherheit als auch Komfort anbelangt, sinnvoll und reichhaltig. Heute oft gesehene Features und Blingbling-Assistenten sind auch gegen Aufpreis nicht erhältlich. Dafür hält sich der Kaufpreis in Grenzen, der Ein-stiegspreis ist mit knapp 20‘000 Franken sogar ausgesprochen günstig.

An Garantien bietet Chevrolet 3 Jahre oder 100‘000 Km, gegen Mehrpreis kann die Garantie um ein bis zwei Jahre verlängert werden. Dazu gibt’s die Mobilitätsgarantie, die sich nach jedem Service in einer Chevrolet-Garage wieder um 1 Jahr verlängert.
Die Rostgarantie beträgt 6 Jahre.

Kurz: Ein Auto mit allem dran, was man braucht, mehr sogar, bezahlbar, gute Leistungen, keine Highlights, aber vor allem auch keine Mängel, halt offenbar einfach ein ehrliches Auto.

Heiny Volkart, VOLKARTpress

30 Nov 2012