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zuendung

17. September 2007

Endlich ein deutscher 911-Konkurrent?

Audi | 0 Kommentare

Nicht nur, weil ich vor kurzem den neuen Porsche 911 Turbo mit Tiptronic S gefahren bin drängt sich ein Vergleich auf. Audi ist die erste deutsche Marke, die einen echten Angriff auf die teutonische Sportwagenikone schlechthin wagt. Ja, Audi versucht hier eindeutig Automobilgeschichte zu schreiben. Nur auf Bildern verwechselt man den R8 möglicherweise mit dem […]

Nicht nur, weil ich vor kurzem den neuen Porsche 911 Turbo mit Tiptronic S gefahren bin drängt sich ein Vergleich auf. Audi ist die erste deutsche Marke, die einen echten Angriff auf die teutonische Sportwagenikone schlechthin wagt. Ja, Audi versucht hier eindeutig Automobilgeschichte zu schreiben. Nur auf Bildern verwechselt man den R8 möglicherweise mit dem Golf im Tarnanzug, genannt Audi TT. In Tat und Wahrheit ist bei Erscheinen des neuen Sterns am Sportwagengefilde sofort klar, aus welchem Holz der Ingolstätdter geschnitzt ist. Flach, breit und erstaunlich kurz ist das sehr dicht an den Concept Car Audi Le Mans angelehnte Modell.


Böser Blick: Wann hat es zuletzt so viel Agressivität in einem "Autogesicht" gegeben?

Hat man im markentypischen Interieur Platz genommen, wird klar, dieses Auto meint es ernst, todernst. Ein herrlicher Hebel aus eiskaltem Metall erhebt sich aus der Mittelkonsole. Er soll der Joystick des R-Tronic genannten Getriebes sein. Langsam vom Parkplatz fahrend mache ich Bekanntschaft mit der oft kritisierten Automatikfunktion. Tatsächlich kommt sie nie und immer an den Schaltkomfort eines Wandlerautomaten heran. Das ist bei einem sequenziellen Getriebe aber auch nicht mehr als logisch. Um smart-ähnliches Kopfnicken bei Schaltvorgängen zu verhindern, braucht es schon etwas Gespür und wohl auch ein bisschen Gewöhnung. Manchmal schaffe ich es, ein anderes Mal schaukelt es wieder. Nur bei engen Kreisverkehren deutlich spürbar: Das Allradantrieb bedingte Sperren.


Detailliebe: Scheinbar wurden die Audi-Mannen von ihren italienischen Kollegen angesteckt

Die Domäne des Autos wir schon durch seinen Namen verdeutlicht. R8 ist nämlich auch die Bezeichnung jenes Audi Rennwagens, der die 24 Stunden von Le Mans gleich reihenweise (2000 – 2002, 2004 und 2005) gewonnen hat. Auf die Rennstrecke durfte ich mit dem vom Lamborghini Gallardo abgeleiteten Strassensportwagen zwar nicht, aber eine verwinkelte Landstrasse reicht dem Boliden locker aus, seine Talente zumindest anzudeuten. Wie von einem Allradler nicht anders erwartet, krallen sich die vier 18-Zöller im Asphalt fest und reissen die Fuhre nach vorne. Mangels Turbo und aufgrund des Hochdrehzahlkonzepts bleibt der eindrückliche Gummibandeffekt aus. Vor allem ausserhalb des Autos wir die rasante Fahrt von einem sagenhaften V8-Klangteppich untermalt.


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Der 4,2-Liter läuft mit ebenfalls 420 PS bereits im Familiensportler RS4, dort allerdings ohne Trockensumpfschmierung. Und: Ohne nächtliche Beleuchtung durch blaue LED. Dass der Motor auch in eine Mittelklasselimousine passt, zeigt indirekt auch, dass er im R8 unmöglich schon das Ende der Fahnenstange sein kann. In der Tat folgt bald ein RS8, der mit einem über 500 PS leistenden V10 (Lamborghini) die Möglichkeiten des Fahrwerks aufzeigen wird. Nicht, dass der R8 untermotorisiert wäre, aber der Fahrer spürt, dieses Fahrzeug könnte noch viel mehr, wenn der Motor mitspielen würde. An das R-Tronic Getriebe gewöhne ich mich schnell. Wenn es sportlich zugehen soll, knalle ich die Gänge auch bei Vollast einfach rein. Deutlich komfortabler und nicht wirklich langsamer geht es, wenn ich unmittelbar vor dem Ziehen des Schaltpaddels kurz den Fuss vom Gas nimmt. Übrigens: Die R-Tronic-Version ist nur gerade 5 kg schwerer als ein konventionell geschalteter R8.


Show muss sein: Ein bisschen verrückter als ein 911er ist ein Audi R8 schon

Das ist für mich die grösste Stärke des Audi R8: Das Auto lässt sich nicht von jedem Fahrschüler sofort bedienen. Es fordert die kundige Hand und will selbst gefordert werden. Gleichzeitig bietet es fahrwerksseitig eine komfortable Abstimmung, die auch weitere Reisen nicht zur Tortur werden lässt. Gerade beim Thema Reisen hat der schnelle Audi auch seine grössten Schwächen. Zum einen zwingt ihn das fahraktive Mittelmotorkonzept zur Beschränkung auf zwei Sitzplätze. Zum anderen konsumiert der V8 auch ordentlich Hochprozentiges, was die Reichweite vor allem dann einschränkt, wenn man sich nicht zur Bestellung des grösseren Tanks (90L statt 75L) durchringen kann.


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Audi ist es tatsächlich gelungen, praktisch aus dem Nichts einen 911er-Konkurrenten zu schaffen. Er zeichnet sich nicht nur durch spektakuläre Optik mit Goodies wie den auffälligen Tagfahrlichtbändern aus. Nein, er ist auch super-agil und in Kurven fast schon beängstigend neutral. Weiter kann er auf einen tollen Sound und ein schön gemachtes Cockpit zählen. Zwei Punkte, bei denen es einem objektiven Porschefahrer wohl ein sanftes Rot ins Gesicht treiben dürfte. Der Audi R8 ist voll alltagstauglich und doch kein Auto für jedermann. Bei einem Preis von 167'200 CHF (inkl. R-Tronic) ist Letzteres aber auch logisch.

Ich persönlich würde auf die R-Tronic verzichten. Nicht weil das Getriebe langsam oder unkomfortabel wäre. Auch der Aufpreis von 11'000 CHF ist in dieser Preislage nicht unbedingt ein Argument. Vielmehr möchte ich einfach diese traumhafte Kulisse nicht missen, in welcher der Schaltstock bei manuellem Getriebe geführt wird. Ausserdem würde der Verzicht auf das robotisierte Getriebe diesen einen R8 in ein noch spezielleres Stück Automobilgeschichte verwandeln.