„6,3 Sekunden!“
„Ha, 5,4 Sekunden, ich gewinne!“
Wer erinnert sich noch an die Zeiten, in denen die tiefsten Beschleunigungswerte die gefragteste Währung auf dem Pausenplatz waren? Damals, als noch kaum eine Limousine in unter 7 Sekunden auf 100 Kilomter pro Stunde kam. Heute gibt es Fahrzeuge mit über 1000 PS und wir sprechen eher über Ladezeit in Stunden als über die Sekunden bis 100.
Doch es gibt sie noch, die Wägelchen, bei denen jede Sekunde zählt. Eines teste ich heute, nämlich den Kia Picanto 1.0 CVVT. Wobei 1.0 minim übertrieben ist: Wir sprechen von einem 998 Kubikzentimeter grossen Dreizylinder. Der turbolose Vierventiler kommt auf eine Leistung von 67 PS. Der Testwagen verfügt über ein automatisiertes Schaltgetriebe, dass den ohnehin bescheidenen Vortrieb weiter dämpft. Die schonungslose Zahl für die Beschleunigung von 0 – 100 km/h aus den Technischen Daten lautet: 17,2 Sekunden.
Nun gilt es natürlich, diese Zahl auch tatsächlich zu verifizieren. Dazu habe ich einen externen GPS-Empfänger besorgt, der deutlich genauer als die Smartphonevariante sein soll und dadurch eine Messung der Beschleunigungszeit ermöglicht. Allerdings brauche ich das richhtige Setting, da die Strecke für den Sprint relativ lange ausfallen wird. Und so steige ich in den Picanto und mache mich mit der Maschine vertraut.
Klassischerweise startet man das Aggregat hier noch per Zündschlüssel. Heutzutage ein Anachronismus, der schon fast wieder etwas Charme ausstrahlt. Strahlen werden die Augen der Smartphonegeneration: Dieser kleine weisse Kleinwagen kann sowohl Android Auto als auch Apple CarPlay. Und das kabellos. Das hatte der 130’000 Franken teure Jaguar nicht drauf. Auch Rücksitze hatte der nicht. Im kleinen Koreaner können hinten sogar tatsächlich zwei Erwachsene (theoretisch drei) untergebracht werden.
Das ist deshalb überraschend, weil der Picanto gerade einmal 3,59 Meter in der Länge misst. Mit einer Breite von 1,59 Meter ist er zudem so schmal, dass man wirklich immer einen passenden Parkplatz findet und nachher auch tatsächlich aussteigen kann. Und ja, einen Kofferraum hat er auch noch. Immerhin 255 Liter stehen zur Verfügung, die sich über die geteilt umlegbare Rücksitzbank auf über 1000 Liter erweitern lassen. Die äussere Form zeigt eine typische Kleinwagensilhouette, die mit den Kia-eigenen Designmerkmalen gewürzt wurde. Vor allem die dynamische Front mit dem Tigergrill gefällt. Die klammerförmigen Rückleuchten sind gross und weit nach aussen gerückt, um eine möglichst breite Kofferraumöffnung zu ermöglichen. Innen ist der Picanto ein typischher Kia, den man nach Sekunden im Griff hat, weil alle Bedienelemente dort sind, wo man sie erwarten würde.
Etwas eigentümlich ist einzig die Absenz einer P-Stellung des Wählhebels. Somit ist das Ziehen der Handbremse absolute Pflicht, was in typisch asiatischer Manier mit einem nicht zu überhörenden Gepiepse angemahnt wird. In Stellung D hüpft der Picanto locker aus der Parklücke. Der Dreiender unter der Haube ist ein durchaus lebendiges Kerlchen. Die serienmässige Sitzheizung hilft bei februarfrischen Temperaturen, bis die Heizung bereit ist. Die Lenkung ist leichtgängig aber präzise, was dynamische Kreiselumrundungen erleichtert. Schnell merke ich, worum es bei der Fahrt mit 67 PS eigentlich geht: Nie den Schwung zu verlieren, wird schnell zu meiner Daueraufgabe. Das Getriebe hilft dabei gut mit, entscheidet sich meist für den passenden Gang. Eine manuelle Einflussnahme ist nicht möglich.
Doch nun geht es darum, endlich die Sprintmessung durchzuführen. In der Schweiz geht das nur auf der Autobahn. Also dient ein Rastplatz, seine Einspurstrecke und was danach kommt als ideale Testumgebung. GPS mit dem Smartphone verbunden, auf dem selbigen die App gestartet und ohne Helm und doppelten Boden geht’s mit Bleifuss los. Bis 6500 dreht der Kleine erbarmungslos hoch, es folgt ein leichtes Nicken im Smart-Stil und schon geht es weiter. Die Einspurstrecke ist zuende, die 100 noch nicht erreicht. Also spure ich auf die Autobahn ein, verliere durch die Lenkbewegung wahrscheinlich ein paar Hunderstel. Ein paar Kilometer später verlasse ich die Autobahn, um die App zu checken. Wie schnell waren wir? Ernüchterung macht sich breit, 17,9 Sekunden sind noch langsamer als die Werksangabe.
Weitere Tests in den nächsten Tagen zeigen, dass die Werksangabe ziemlich genau passt. Wichtiger als die Beschleunigung ist für die Käuferschaft womöglich eine andere Zahl. Wie viel verbraucht der Benziner im Kia Picanto? Tatsächlich erreicht er ziemlich genau die versprochenen 5,5 Liter. Für 17’450 Franken gibt es die First Edition mit dem automatisierten Schaltgetriebe, immer dabei sind die 7 Jahre Garantie. Wer Assistenzsysteme wie Spurhaltung oder Totwinkelwarner möchte, muss allerdings eine andere Ausstattungslinie wählen. Und wer beim Quartettspielen nur den Hauch einer Chance haben möchte, müsste zum Turbomotor greifen, der den Sprint in gut 10 Sekunden ermöglicht. Die simple Fortbewegung mit einem anständigen Mass an Komfort und zeitgemässer Sicherheit hat man im Kia Picanto 1.0 CVVT First Edition aber durchaus im Griff.