Seite wählen

zuendung

22. Juni 2007

Erdgas – mehr als ein gutes Gefühl

Mercedes-Benz | 0 Kommentare

*Erdgas – Mehr als nur "ein gutes Gefühl"* *Weltweit sind über 4 Millionen Fahrzeuge mit Erdgasantrieb unterwegs. In Italien, wo solche Autos seit 1920 angeboten werden, laufen 430'000 Erdgasautos. Erdgas gilt als der umweltfreundlichste Treibstoff. In der Schweiz werden immer mehr Fahrzeuge angeboten, die auch einen Erdgastank haben. Der Zündung.ch-Tester fand es an der Zeit, […]

*Erdgas – Mehr als nur "ein gutes Gefühl"*

*Weltweit sind über 4 Millionen Fahrzeuge mit Erdgasantrieb unterwegs. In Italien, wo solche Autos seit 1920 angeboten werden, laufen 430'000 Erdgasautos. Erdgas gilt als der umweltfreundlichste Treibstoff. In der Schweiz werden immer mehr Fahrzeuge angeboten, die auch einen Erdgastank haben. Der Zündung.ch-Tester fand es an der Zeit, endlich so ein Trendauto zu fahren und darüber zu berichten.*

Sieben Marken bieten Erdgas-Pkw an, nämlich Citroën (2 Modelle), Fiat (3), Mercedes (1), Opel (3), Peugeot (1), VW (3) und Volvo (3 Modelle). Ebenfalls sieben Marken bieten auch leichte Nutzfahrzeuge an. Es sind dies Citroën, Fiat, IVECO, Mercedes, Opel, Peugeot und VW. Natürlich gibt es auch schwere Nutzfahrzeuge und Busse mit Erdgasantrieb. Solche werden angeboten von Mercedes-Benz, MAN, Volvo und IVECO. Dazu kommt Kenworth, die den einzigen Bi-Fuel-Motor haben, der mit Erdgas und Diesel läuft.

Im Jahre 2004 war das Angebot in der Schweiz noch ganz bescheiden. Von den total rund 260'000 verkauften Autos waren ganze 500 sogenannte effiziente Fahrzeuge, darunter gehören auch die Erdgasfahrzeuge. Der gesamte Bestand belief sich per Ende 2004 auf fast vernachlässigbare 1'245 Autos, die in der Schweiz an immerhin schon 50 Erdgastankstellen aufgetankt werden konnten.

Ein Jahr später, Ende 2005, waren 1'900 Erdgasautos immatrikuliert (also sind 655 dazu gekommen in 2005), denen nun 61 CNG-Tankstellen zur Verfügung standen (CNG = Compressed Natural Gas). Das sind immer noch sehr bescheidene Zahlen. Das Ziel, bis zum Jahre 2010 immerhin 30'000 Erdgasautos in Betrieb zu haben, scheint in weiter Ferne.

Grösseres Angebot
Aber mittlerweile werden Erdgasfahrzeuge in allen Segmenten angeboten, Lastwagen, Busse, Liefer- und Personenwagen. Das Angebot wird zwar breiter, doch steht noch immer – und leider – meist nur eine einzige Motor- und Ausstattungsvariante zur Verfügung. Wer mehr oder weniger will, kann nur auswählen, indem er auf eine andere Automarke wechselt. Der günstigste CNG- Fiat kostet etwas über Fr. 18'000, der Teuerste und Stärkste, ein E-Klasse – Mercedes, fängt bei rund Fr. 63'500 an.

Bei den Tankstellen war das Ziel, die Anzahl Tankstellen von 50 per Ende 2004 auf 100 bis Ende 2006 zu erhöhen. Ende 2005 waren es deren 61. Da hiess es, 20 sollten 2006 dazu kommen. Im August 2006 sind effektiv 68 Gas-Tankstellen in Betrieb. Davon sind ganze zwei im Tessin. Der Kanton Graubünden ist zudem immer noch "weisse Zone" mit null Tankstellen.

Warum geht das nicht schneller?
Ein Tankstellenbetreiber, der angefragt wurde, ob er seiner Tankstelle auch eine Erdgaszapfstelle angliedern würde, nannte uns Fr. 250'000, die er hätte investieren müssen. Und amortisieren mit gerade mal knapp 2'000 Fahrzeugen, die es in der Schweiz gibt. Er hat dankend verzichtet. Andere Quellen nennen sogar Fr. 400'000 für eine Erdgastankstelle. Verständlich, dass Erdgastankmöglichkeiten nicht wie Pilze aus dem Boden schiessen. Andererseits kommen wir nie vorwärts, wenn jeder sagt, ich investiere erst, wenn mehr Erdgasautos auf der Strasse sind, diese aber niemand kauft, weil es noch zu wenige Tankstellen habe.
Wir wollten aber nicht nur immer darüber lesen und davon hören, sondern uns selber ein Bild machen von der Lage.


Die sportlich-elegante Linie der neuen E-Klasse steht jeder Kaderfrau und jedem Kadermann aus jedem Blickwinkel gut an.

Unser Testwagen
Uns stand ein Mercedes-Benz E 200 NGT zur Verfügung, das mit 163 PS (120 kW) leistungsstärkste Modell mit Erdgasantrieb. Der NGT (Natural Gas Technology) besteht aus einem normalen E-Klasse – Modell, einem immerhin 4.86 Meter langen und 1.82 Meter (2.06 Meter inkl. Spiegel) breiten Luxusliner, der knapp 1.8 Tonnen wiegt.
Der 1796 ccm kleine 4-Zylinder des E200 leistet normalerweise mit dem Kompressor 184 PS (135 kW), in der Erdgasversion sind es noch 163 PS.


Am Motor erkennt nur der Spezialist, dass der auch mit Erdgas läuft.

Über die Mercedes E-Klasse von DaimlerChrysler müssen nicht viele Worte verloren werden. Das sind Traumautos des Aussendienstes und des mittleren und oberen Kaders. Die Fahrzeuge sind zwar wertbeständig und qualitativ hochwertig, aber halt auch teuer in der Anschaffung. Allerdings gibt es für Firmen und für Leute, die das Fahrzeug für die Arbeit, fürs Geld verdienen brauchen, ja durchaus andere Finanzierungsmöglichkeiten.

Die Kaufpreise beginnen jedenfalls beim besagten E 200 Kompressor mit 1796 ccm bei Fr. 58'300 und steigen dann über die Volumenmodelle E320, resp. E350 (ab rund Fr. 74'000), und insgesamt 14 Modelle und Motoren auf Fr. 147'200 für den E63 AMG mit 6,2-Litermotor und 514 PS. Alles dasselbe Auto!

Heutige Mercedesmodelle sind serienmässig schon sehr reichhaltig ausgestattet. Trotzdem steht eine grosse Auswahl an weiteren Features zur Verfügung. Die Ausstattung unseres Testwagens ist im separaten Kasten zu sehen.
Rund 83'000 Franken für einen 1800er tönen nach viel – und sind es auch. Doch verlangen immer mehr höhere Kader auch nach einem Auto für sich, von dem sie mit Überzeugung sagen können "Ich tu was für den Umweltschutz". Und für diese Leute gibt es den E-Klasse-Mercedes mit Erdgasantrieb.

Wie alle Erdgasfahrzeuge in der Schweiz ist der E200 NGT mit Benzin- und Erdgastanks ausgerüstet. Während andere Erdgas-Fahrzeuge nur noch Benzintanks von 14 bis 20 Liter aufweisen, hat der Mercedes einen Benzintank von 65 Litern. Zusätzlich sind unter dem Kofferraum zwei Erdgastanks eingebaut mit einem Fassungsvermögen von 18 Kg. Das ist im Rahmen dessen, was andere Autos auch bieten (meistens auch nur 14 bis 20 Kg).
Wenn's sein muss, kommt man also recht weit mit diesem Auto.

Zwar sind die Fr. 5'120.-, die die Ausrüstung für den Erdgasantrieb beim E200 NGT kostet, zu relativieren, denn viele Gasgesellschaften in der Schweiz zahlen dem Käufer zwischen Fr. 2'000 und Fr. 5'000 an sein umweltfreundliches Vehikel. Aber der Sinn, so ein Auto anzuschaffen ist ja der, dann auch wirklich mit Erdgas zu fahren. Mit Erdgastanks, die in der Regel aber nur für rund 250 Km Treibstoff enthalten, ist das schlecht möglich. Einerseits ist das Tankstellennetz noch zu wenig dicht und die Tankstellen oft irgendwo abgelegen in einem Industriegebiet (ohne GPS kaum zu finden) , andererseits müssen Vielfahrer unter Umständen nicht nur täglich, sondern mehrmals am Tag wieder auftanken.

Umweltfreundlich
Das Anlassen des Motors geschieht immer im Benzinbetrieb. Das Auto schaltet dann nach dem etwas zögerlichen Anlaufen selbständig auf Gasbetrieb. Weder vom Geräusch noch von den Fahrleistungen her ist ein Unterschied zu bemerken zwischen Gas- und Benzinbetrieb. Auf dem Papier besteht z.B. beim Spurt von Null auf Hundert eine nicht spürbare Differenz von einer Zehntelsekunde zu Gunsten des Benziners (10.7 / 10.8).

Gut messbar ist hingegen der niedrigere Schadstoffausstoss.

  • bis zu 25% weniger Kohlendioxid (CO2) gegenüber Benzinfahrzeugen,
  • bis zu 60% weniger Stickoxide (Nox) und Kohlenmonoxid (CO)
  • bis zu 75% weniger Kohlenwasserstoffe (CH)
  • bis zu 90% weniger bodennahe Ozonbildung
  • nahezu keine Partikel und sonstige krebserregende Schadstoffe

Das sind doch überzeugende Zahlen!. Dazu kommt, dass Biogas gegenüber dem chemisch identischen Erdgas zusätzlich CO2-neutral ist.

Unsere ErFAHRungen
Den Mercedes E 200 NGT unterscheidet äusserlich gar nichts von einem nur benzinbetriebenen Auto. Unter der Tankklappe sind allerdings zwei Einfüllstutzen, der gewohnte für Benzin und ein grüner für das Erdgas (siehe Fotos). Das Auto ist wie jedes andere anzulassen (läuft allerdings etwas schlecht an) und zu fahren.

Unter der Tankklappe finden sich zwei Einfüllstutzen, einer fürs Gas und einer fürs Benzin.

Die Ausstattung ist schon von Haus aus recht vollständig. Dazu kommen nochmals mehrere Seiten Sonderausstattungen für jeden Anspruch und jeden Geschmack. Am Testwagen war die Sitzverstellung zwar elektrisch, die Längsverstellung funktionierte aber nur mechanisch.
Nachdem man eine Zeitlang auch von Mercedes bezüglich Qualität nicht nur Gutes hörte, machte unser Testwagen diesbezüglich einen ausgezeichneten Eindruck.

Die zwei Gastanks sind im Kofferraumboden (dort wo sonst das Reserverad wäre) gut versorgt. Zwar wird der gut zugängliche Kofferraum dadurch von 540 auf nur noch 400 Liter verkleinert, bietet aber immer noch viel Platz. Leider ist kein T-Modell (Kombi) erhältlich mit Gasantrieb.

Über den Fahrbetrieb können wir uns sehr kurz fassen: Die E-Klasse von Mercedes ist ausserordentlich fahrsicher und komfortabel, in der gefahrenen Konfiguration sicher kein Sportwagen, aber gut für zügiges Vorwärtskommen.
Über Menütasten am Lenkrad, wo diverse Auskünfte abgefragt werden können, könnte auch von Gas- auf Benzinbetrieb umgeschaltet werden. Nötig ist das nicht, denn das Fahrzeug schaltet automatisch um, wenn die Gastanks leer sind.


Mittels Knöpfen am Lenkrad könnte von Erdgas auf Benzin umgestellt werden.

Das Tanken
Es soll Tankstellen geben, so haben wir gelesen, wo grundsätzlich immer jemand vom Personal kommt, um zu Tanken . Wir haben es ohne Hilfe und Anleitung, nur mit Probieren, heraus gefunden. Solange man nicht alles richtig macht, fliesst nämlich kein Erdgas. Erdgas wird per Kilogramm verkauft. Der Preis im September belief sich an vielen Tankstellen auf Fr. 1.60 pro Kg. Da 1 Kg Erdgas 1,47 Liter Benzin entspricht, kommt man so auf einen Literpreis von Fr. 1.09. Unser effektiver getankter und umgerechneter Preis betrug Fr. 1.12. Das entsprach, bei einem Benzinpreis von Fr. 1.58 (Sept. 06), einer Einsparung von 46 Rappen pro Liter. Nicht zu verachten, oder? Es muss allerdings auch gesagt werden, dass es Gastankstellen gibt, die es ausnützen, die einzige Erdgasquelle weit und breit zu sein und Kg-Preise von 2 Franken verlangen.
Tankstellen bei regionalen Gasverteilern verfügen oft nur über eine Gassäule, man muss also für das Benzin, das man ja oft auch braucht, noch eine zweite Tankstelle anfahren. Andererseits bot die grosse BP-Tankstelle zwischen Oftringen und Zofingen sogar Gas und Benzin am selben Säulenstandort an, sodass der Wagen stehen bleiben konnte, um beide Treibstoffsorten zu tanken.

Verbrauch
Während der Verbrauch innerstädtisch beim Erdgasbetrieb leicht höher sein soll, ist er ausserstädtisch dafür leicht niedriger. Insgesamt ist der Verbrauch, auf Liter umgerechnet, gleich hoch. Wir vergleichen jetzt nur den Gasverbrauch, denn wir haben uns bemüht, den ganzen Test nur im Gasbetrieb zu fahren.
Mercedes nennt innerstädtisch 9,1 Kg (was 13,4 Litern entspricht), ausserstädtisch 4,4 Kg (6,5 Liter) und insgesamt 6.1 Kg (8.97 Liter).

Unser Verbrauch bewegte sich zwischen 5,64 Kg und 7,46 Kg (8,29 und 10.98 Lt.), im gesamten Durchschnitt genau 6.01 Kg, was 8.84 Litern entspricht. Da sind viele längere und ruhige Autobahnfahrten (mit Geschwindigkeitsbeschränkungen) dabei.

Wie wir den Prospekten anderer Hersteller von Erdgasautos entnehmen, sind die Verbräuche dort ähnlich, leider auch die Tankgrössen, die meistens so um 15 bis 20 Kg fassen (Mercedes 18 Kg) und demzufolge für 250 bis gut 300 Kilometer reichen.


Auch von hinten sieht die E-Klasse beeindruckend aus.

Zusammenfassung und Empfehlung
Vom Verbrauch und Schadstoffausstoss her ist das Erdgasauto nur zu empfehlen. Bezüglich Sicherheit gibt es keine Bedenken, obwohl die Tanks unter 200 bar Druck stehen. Auch bei einem Unfall oder Autobrand explodieren die Tanks nicht, der Inhalt wird gezielt abgeblasen (und verbrennt).
Hingegen haben wir erlebt, dass es selbst Feuerwehroffiziere gibt, die sich ängstigen, wenn sie ein Erdgasauto sehen, weil sie (noch nicht) ausgebildet sind über die Eigenheiten und die Sicherheitsvorschriften (Brand in Tiefgarage zum Beispiel).

Speziell empfohlen sind Erdgasautos für gewerbliche Kunden, die ihre Fahrzeuge vorwiegend regional oder lokal einsetzen. Da man die Autos anschreiben kann (ich fahre Erdgas), ist damit auch ein Imagegewinn verbunden. Der Mehrpreis hält sich in Grenzen oder besteht gar nicht, weil regionale Gasversorger die Anschaffung unterstützen mit namhaften Beiträgen.

Auch der Kadermann kann jetzt nicht mehr sagen "Ich würde ja schon ein umweltfreundliches Auto fahren, wenn….". Ein E-Klasse – Mercedes steht jedem Chef gut an und – ehrlich – die grossen Hybridfahrzeuge brauchen wesentlich mehr Treibstoff als der Erdgas-Mercedes.

Als Negativum würden wir die relativ kleinen Tanks bezeichnen, die Reichweite sollte doch gleich gross sein wie bei Benzinern. Dann wäre zu wünschen, dass es a) generell mehr Gastankstellen gibt und diese b) vermehrt an Durchgangsstrassen zu finden sind und nicht versteckt in Industriegebieten.

Weniger gut geeignet soll die Erdgastechnik für grosse Lieferwagen sein, sagte uns ein Betreiber solcher 3,5 – Tönner, da ihnen das gute Drehmoment der Diesel fehlt, sehr gut dafür für die kleinen Lieferwagen (z.B. Opel Combo, Citroën Berlingo, etc.) und selbstverständlich die Personenwagen.

Wem die Fr. 82'800 unseres Testwagens zu viel sind, kann sich – wenn er nicht gleich bei einer Markengarage (siehe Anfang unseres Berichtes) vorbei geht – auf der Internetseite www.erdgasfahren.ch weiter informieren.
Unser Fazit bezüglich Autos mit Erdgasantrieb lautet: Mehr als ein gutes Gefühl!

Für zündung.ch: Heiny Volkart, Pressechef des Schweiz. Fahrzeugflottenbesitzer-Verbandes sffv (www.sffv.ch)

Heiny Volkart betreibt Fleet-Consulting und ein Pressebüro in Aarburg (h.volkart@bluewin.ch)